Grundsteuerreform, Häuser, Symbolbild
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Grundsteuerreform

Grundsteuer: Absurde Situationen bei Bewertung

Durch die für 2025 geplante Grundstücksreform entstehen in seiner Stadt absurde Situationen für Hausbesitzer, beklagt ein Bürgermeister. Und er ist damit nicht allein. Baden-Württemberg wendet das sogenannte modifizierte Bodenwertmodell an. Dabei kommt es auf zwei Werte an: die Grundstücksfläche und den Bodenrichtwert. Auch beim Bundesmodell, das in vielen Bundesländern angewandt wird, ist der Umgang mit den Bodenrichtwerten umstritten. Ein Gericht hatte grundsätzliche Zweifel an den Bewertungsregeln für die neue Grundsteuer geäußert, weitere Klagen sind eingereicht.

Das neue Grundsteuermodell schaffe neue Ungerechtigkeiten. Das sagen nicht nur Immobilienbesitzer, sondern auch Kommunalpolitiker. Sie sind mit massiven Beschwerden der Bürger konfrontiert. Vor allem in Baden-Württemberg gibt es Kritik am dort geltenden sogenannten modifizierten Bodenwertmodell. Günter Pfundstein, Bürgermeister in der Stadt Zell am Harmersbach, beklagt: "Die Menschen können nicht nachvollziehen, warum für zwei gegenüberliegende Häuser künftig allein deshalb eine unterschiedlich hohe Grundsteuer gezahlt werden soll, nur weil ihre Grundstücke in unterschiedlichen Bodenrichtwertzonen liegen."

Grundstücksreform: Bodenrichtwerte als alleinige Grundlage

Die Bodenrichtwerte legt ein unabhängiger Gutachterausschuss fest. Eigentümer in Baden-Württemberg mussten dem Finanzamt für die Neuberechnung der Grundsteuer den steuerlichen Bodenrichtwert ihres Grundstücks mitteilen. Der Bodenrichtwert wird ermittelt, indem etwa Kaufpreise der zurückliegenden Jahre innerhalb einer Bodenrichtwertzone zugrunde gelegt werden. Bisher haben Bodenrichtwerte kaum eine Rolle gespielt. Beim neuen Berechnungsmodell für die Grundsteuer sind sie plötzlich in Baden-Württemberg die alleinige Berechnungsgrundlage. "Mit der neuen Regelung wird es definitiv große Verlierer und große Gewinner geben", sagt Bürgermeister Pfundstein. "Die Gemeinde kann das mit dem Hebesatz leider nicht ausgleichen, weil es nur EINEN einheitlichen Hebesatz für die ganze Gemeinde geben kann."

Bürgermeister Pfundstein

Wir Bürgermeister bekommen den ganzen Ärger bei der Grundsteuerreform in voller Breite ab."

Günter Pfundstein, Bürgermeister in Zell am Harmersbach

Grundsteuer: Einheitswerte regelmäßig anpassen als Alternative

Was wäre die Alternative? "Es wäre ohne bürokratischen Aufwand ganz einfach gewesen. Man hätte mit einem Faktor die Einheitswerte hochsummieren müssen und hätte so aktuelle Einheitswerte erhalten. Diese hätte man variabel mit einem Teuerungsfaktor versehen können, um die Werte regelmäßig anpassen zu können", so der Bürgermeister. Pfundstein betont: "Ja, es hätten sich auch dann höhere Grundsteuermessbeträge ergeben. Es wäre dann aber ganz einfach gewesen, die Hebesätze der Kommunen nach unten anzupassen." So hätte sich für die Grundstückseigentümer der zu zahlende Grundsteuerbetrag praktisch nicht verändert. Die Einheitswerte wären aber aktualisiert worden. Das hätte seiner Ansicht nach nicht gegen die Rechtssprechung verstoßen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2018 die Grundsteuer in ihrer jetzigen Form für verfassungswidrig erklärt. Dabei kritisierten die Richter das Bemessungsverfahren für die Grundsteuer. "Das Aussetzen der im Recht der Einheitsbewertung ursprünglich vorgesehenen periodischen Hauptfeststellung seit dem Jahr 1964 führt bei der Grundsteuer zwangsläufig in zunehmendem Umfang zu Ungleichbehandlungen durch Wertverzerrungen", so die Richter. Der Gesetzgeber sollte daher die Grundsteuer reformieren. Die neue Grundsteuer soll nun Anfang 2025 erhoben werden.

Straßenlärm wenig berücksichtigt

Absurd ist es nicht nur, dass zwei gegenüberliegende Grundstücke so unterschiedliche Bodenrichtwerte haben. Es zählt nur der Grundstückswert, der Zustand des Gebäudes ist nicht entscheidend. Es spiele auch keine Rolle, ob sich überhaupt ein Gebäude auf dem Grundstück befindet oder ob darauf ein Ein- oder Mehrfamilienhaus steht, erläutert Pfundstein. Bei Mehrfamilienhäusern könne die Grundsteuer aber auf die Mieter umgelegt werden.

Grundstück an befahrenen Straße mehr wert?

Viele Beispiele zur Ermittlung der neuen Grundsteuer klingen wenig einleuchtend für die Bürger. Wie kann es sein, dass ein Grundstück an einer viel befahrenen Straße mehr wert ist als eines in einer ruhigen Villengegend, fragt sich Peter Gugelmeier aus Freiburg. Wie der SWR berichtet, hat er sein Haus mit Grundstück mitten in Freiburg von seinem Großvater geerbt. Damals gab es dort kaum Verkehr, doch das hat sich mit dem Ausbau der Bundesstraße 31 massiv geändert. Auf der zweispurigen Bundesstraße ist inzwischen Richtung Autobahn den ganzen Tag über viel los. Das senkt eigentlich den Wert des Grundstücks. Bei der Berechnung des Bodenrichtwertes spielt dies aber keine Rolle.

Für die Zone, in der Gugelmeiers Haus liegt, beträgt der Bodenrichtwert 1.350 Euro pro Quadratmeter - trotz des hohen Verkehrsaufkommens, so der SWR. Laut des Bodenrichtwertinformationssystems Baden-Württemberg liegen die Zonen in ruhigeren Wohngegenden wie dem Lorettoberg fast gleich hoch: zwischen 1.400 und 1.450 Euro. In Günterstal, das weiter außerhalb liegt, gibt es Zonen, in denen der Bodenrichtwert nur bei 800 Euro liegt. Gugelmeier kann das nicht verstehen.

Bund der Steuerzahler: Bodenrichtwertzonen nicht nachvollziehbar

"Wir haben Fälle, da kann man im Prinzip gar nicht nachvollziehen, warum zwei nebeneinander liegende Grundstücke in unterschiedlichen Bodenrichtwertzonen liegen, und darüber regen sich die Menschen zu Recht auf", sagt auch Eike Möller, Landesvorsitzender vom Bund der Steuerzahler in Baden-Württemberg.

Musterklagen gegen Grundsteuerbewertung

Der Bund der Steuerzahler und der Interessensverband der Grundstückseigentümer Haus & Grund haben Musterklagen gegen die Grundsteuerbewertung erhoben. Sie unterstützen mehrere Eigentümer, die sich gegen die Bewertung ihrer Grundstücke im Rahmen der Grundsteuerreform wehren und vor das Bundesverfassungsgericht ziehen wollen. Die Klagen richten sich gegen die Bescheide über die Feststellung des Grundsteuerwertes zum 1. Januar 2022 nach dem Bundesmodell. Ab Januar 2025 sollen die Kommunen die neue Grundsteuer aufgrund der Bescheide über den Grundsteuerwert und die darauf festgesetzten Grundsteuermessbeträge erheben.

Bodenrichtwerte beim Bundesmodell in der Kritik

"In allen Klagen, die wir noch einreichen werden, wird regelmäßig die Anwendung des Bodenrichtwertes kritisiert", heißt es vom Bund der Steuerzahler. "Beim Bundesmodell richtet sich die Grundsteuer insgesamt nach den Bodenrichtwerten. Das Steuerrecht nutzt diese Werte für unterschiedliche Abgaben. Dennoch ist die Steuerbemessung nach diesen durchschnittlichen Lagewerten zuweilen ungenau – vor allem dann, wenn Gutachterausschüsse für ein Gebiet fehlen, wenn die Kaufpreissammlungen nicht ausreichen, wenn ein Bodenrichtwert nicht vorhanden ist und daher Werte vergleichbarer Flächen heranzuziehen sind oder wenn lagebedingte Wertminderungen entstehen." Insgesamt weisen die Bodenrichtwerte laut Gutachten „systematische Bewertungslücken“ auf. Teilweise werden Flächen als bebaubar ausgewiesen, obwohl diese Grundstücke nicht erschlossen sind oder keine Baugenehmigung für sie erteilt werden kann.

Bodenrichtwerte höchst unterschiedlich

Bodenrichtwerte quer durch Deutschland seien wenig vergleichbar. So hat zum Beispiel die hervorragende Berliner Wohnlage Wannsee zum 1. Januar 2022 einen Bodenrichtwert von 2.000 Euro. In der deutlich schlechteren Lage Berlin-Neukölln liegt der Wert – doppelt so hoch – bei 4.000 Euro.

In Rheinland-Pfalz gebe es laut Steuerzahlerbund ähnliche Beispiele: So liegt in Mainz-Weisenau der Bodenrichtwert für ältere Etagenwohnungen in Hochhäusern in der Laubenheimer Straße bei 920 Euro, dagegen gilt in der deutlich besseren Lage. Im Hasenstock – mit einer Bebauung von neuen Doppelhaushälften – ein Wert von 660 Euro. Ein weiteres Beispiel aus dem Bundesland findet sich in Koblenz: So hat die reizvolle Wohnlage in Moselweiß am Moselufer teils einen Bodenrichtwert von 400 Euro – in der weniger attraktiven Lage Koblenz-Goldgrube einer Gegend mit Reihenhäusern, beträgt der Bodenrichtwert 700 Euro.

Grundsteuer-Bewertung: Gericht zweifelt an Verfassungsmäßigkeit

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz äußerte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Bewertungsregeln. Es ließ in zwei Verfahren Einsprüche gegen die Grundsteuerwertbescheide zu. Spannend vor allem, dass der 4. Senat des Gerichts sich dabei nicht nur auf die beiden konkreten Fälle bezog. Die Richter äußerten "ernstliche Zweifel daran, dass die Regelungen des Bewertungsgesetzes überhaupt geeignet seien, eine realitäts- und relationsgerechte Grundstücksbewertung zu erreichen." So führe insbesondere die große Zahl gesetzlicher Typisierungen und Pauschalierungen und eine nahezu vollständige Vernachlässigung aller individuellen Umstände der konkret bewerteten Grundstücke zu der Einschätzung des Finanzgerichts dazu, dass es zu Wertverzerrungen für den gesamten Kernbereich der Grundsteuerwertermittlung kommen könne.

Auch in Nordrhein-Westfalen wird die Kritik an der Grundsteuerreform immer lauter. Der Präsident des Städte- und Gemeindebundes, Christoph Landscheidt, fordert: "Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des auch in NRW verwendeten Bundesmodells zur Wertermittlung von Grundstücken müssen schnellmöglichst ausgeräumt werden."

Hier finden Sie die Mitteilung des Gerichts.

Die unterschiedlichen Grundsteuer-Modelle in den einzelnen Bundesländern werden hier erklärt.