Eigenheimsiedlung
Die Reform nach dem so genannten Scholz-Modell führt laut Verband der Grundstücksnutzer vor allem in Ostdeutschland zu drastischen Kostensteigerungen für Hauseigentümer.
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Grundsteuerreform

Grundsteuer - wo sie drastisch steigen könnte

Die neue Grundsteuer gilt ab 1. Januar 2025. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts müssen die Werte für die Grundsteuer neu berechnet werden. Die meisten Bundesländer haben sich für das sogenannte Scholz-Modell entschieden. Der Verband der Grundstücksnutzer warnt vor drastischen Steuererhöhungen und legte jetzt dazu Modellrechnungen und Alternativ-Vorschläge vor. Seine Forderung: Die Bundesländer und die Kommunen sollten sozial gerechte Anpassungen vornehmen.
Aktualisiert am 11. Juli 2022

Die Zeit drängt, denn noch muss vieles vorbereitet werden. Am 1. Januar 2025 soll die neue Regelung zur Grundsteuer in Kraft treten. Das Bundesverfassungsgericht hatte im April 2018 entschieden, dass die bisherige Berechnung der Einheitswerte für Grundstücke und Häuser, auf der die Jahresgrundsteuer beruht, in Westdeutschland verfassungswidrig ist. Die obersten Richter verpflichteten den Gesetzgeber, die Grundsteuer zu reformieren. Bundestag und Bundesrat haben im Herbst 2019 die Reform schließlich beschlossen: Künftig soll sich die Steuer am Wert des Grundstücks und der Immobilien orientieren, wie Bundeskanzler Olaf Scholz es als damaliger Finanzminister vorgeschlagen hatte. Eine Öffnungsklausel ermöglicht es den Ländern aber, eigene Wege zu gehen. Für die Kommunen bedeutete das, sich in Geduld zu üben, bis die Entscheidungen in allen Ländern gefallen sind.

Grundsteuer soll Eigenheimbesitzer teilweise stark belasten

Von den 16 Bundesländern haben die meisten Länder beschlossen, das sogenannte Scholz-Modell zu übernehmen, darunter alle Ost-Bundesländer. Der Verband Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN) warnt nun vor neuen Ungerechtigkeiten. "Mit der Reform der Grundsteuer werden Eigenheimbesitzer vor allem in Ostdeutschland deutlich stärker belastet. Vor allem in Ostdeutschland führt die Reform durch das Scholz-Modell zu deutlichen Kostensteigerungen für Hauseigentümer", kritisierte VDGN-Präsident Jochen Brückmann und verwies auf eine Untersuchung  der Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaft Mazars.

Prognose: Grundsteuer im Berliner Umland soll drastisch steigen

Bisher wurden in den ostdeutschen Bundesländern bei der Berechnung der Grundsteuer die Werte aus dem Jahr 1935 herangezogen. Im Westen wurden dagegen die Werte von 1964 als Basis genommen. Bei einem wertorientierten Grundsteuermodell müsse von deutlich höheren Grundsteuerbelastungen ausgegangen werden, zumal Eigenheime und Grundstücke in den Werten in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen sind, so Brückmann.

Die Prognosen des Verbandes werden Hausbesitzer nicht freuen: Danach könnten sich die Grundsteuerlasten von Eigenheimbesitzern gerade in östlichen Ballungszentren wie im Berliner Umland ab dem Jahr 2025 fast verdoppeln, im östlichen Teil Berlins sogar fast verdreifachen.

  • Beispiel 1: Berlin-Kaulsdorf: Dort ergebe sich  eine Erhöhung der Grundsteuer nach dem Scholz-Modell und dem gleichen Hebesatz von 810 Prozent von 346,47 Euro auf 1.010,95 Euro. Das entspreche einer Steigerung um 192 Prozent. Man müsste den Hebesatz in Berlin auf 280 Prozent senken, um eine gleiche Steuerschuld zu erreichen.
  • Beispiel 2: Hohen-Neuendorf: In dieser Brandenburger Gemeinde erhöhe sich die Grundsteuer bei dem gleichen Hebesatz von 350 Prozent von 208,25 Euro auf 384,67 Euro. Das entspreche einer Steigerung um 84,7 Prozent. Man müsste den Hebesatz in Hohen Neuendorf auf 190 Prozent senken, um eine gleiche Steuerschuld zu erreichen.
  • Beispiel 3: Dresden-Gorbitz: In Dresden erhöhe sich die Grundsteuer bei dem gleichen Hebesatz von 635 Prozent von 353,21 Euro auf 619,34 Euro. Das entspricht einer Steigerung um 75,35 Prozent. Man müsste den Hebesatz in Dresden-Gorbitz von 635 auf 490 Prozent senken, um eine Steuerschuld von dann rund 478 Euro zu erreichen. Hier liegt eine Beispielrechnung des Bundesministeriums für Finanzen zugrunde.

Verband der Grundstücksnutzer legt eigenen Vorschlag vor:

Der VDGN schlägt hingegen Abschläge auf die Steuermesszahl für die Immobilienwerte, also Haus und Grundstück, vor: "Bei der Berechnung der Grundsteuer muss es einen nach den Immobilienwerten gestaffelten Abschlag bei der Steuermesszahl geben: Für die ersten 300.000 Euro Immobilienwert einen Abschlag von 40 Prozentpunkten, zwischen 300.000 und 500.000 Euro einen Abschlag von 25 Prozentpunkten und zwischen 500.000 Euro und 1 Mio. Euro einen Abschlag von 15 Prozentpunkten. Ab 1 Million Euro gibt es dann keinen Abschlag mehr."

  • Legt man die vom VDGN vorgeschlagenen Grundsteuerberechnung zu Grunde, ergebe sich mit dem gleichen Hebesatz von 810 Prozent für Berlin-Kaulsdorf eine Erhöhung der Grundsteuer von 346,47 Euro auf 634,28 Euro. Das entspricht einer Steigerung um 83,1 Prozent. Für das gleiche Haus in der Gemeinde Hohen Neuendorf in Brandenburg erhöht sich nach dem Vorschlag des VDGN die Grundsteuer bei dem gleichen Hebesatz von 350 Prozent von 208,25 Euro auf 234,95 Euro Das entspreche einer Steigerung um 12,8 Prozent. In Dresden-Gorbitz in Sachsen erhöht sich - legt man die vom VDGN vorgeschlagene Grundsteuerberechnung zu Grunde - die Grundsteuer bei dem gleichen Hebesatz von 635 Prozent von 353,21 Euro auf 371,61 Euro (Steigerung um 5,21 Prozent):

 Verband der Grundstücksnutzer: Grundsteuer sozial anpassen

Die Grundsteuer ist eine wichtige Einnahmequelle für die Kommunen. Es handelt sich ihr um eine Substanzsteuer, die auf Eigentum, aber auch auf Erbbaurechte an Grundstücken erhoben wird. Sie gliedert sich in die Grundsteuer A und B. Die Grundsteuer A wird dabei auf landwirtschaftliche Flächen, die Grundsteuer B auf bebaute und bebaubare Flächen erhoben. Beide Grundsteuern haben ihre eigenen Einheitswerte, Steuermesszahlen und Hebesätze.

Länder sollen Grundsteuer sozialverträglich anpassen

Der Verband  forderte die Landesregierungen auf, sozialverträgliche Anpassungen vorzunehmen. Gesellschaften, die kommunales und genossenschaftliches Wohnen anbieten, komme ein Abschlag bei der Steuermesszahl bereits zugute. „Warum also nicht auch bei Eigenheimern, die ihren Besitz oftmals mit eigenen Händen aufgebaut haben?" fragte Brückmann. „Die Bundesländer haben immer noch alle Möglichkeiten in der Hand, sozial gerechte Anpassungen vorzunehmen und damit zum Beispiel auch Familien mit Eigenheimen zu fördern.“

Zwar hätten sich Bund, Länder und Kommunen das Ziel gesetzt, durch die Reform der Grundsteuer insgesamt nicht mehr Einnahmen für die öffentlichen Haushalte zu generieren. Diese angestrebte Aufkommensneutralität errechne sich jedoch immer über die Grundsteuereinnahmen aller Immobilien, legt der Verband dar. Die Gefahr bestehe, dass dies besonders in den ostdeutschen Ballungsgebieten einseitig zu besonderen Lasten von Eigenheimbesitzern führt.

Der VGDN spricht sich für eine seiner Ansicht nach praxisgerechte und leicht nachvollziehbare Einfachgrundsteuer wie in Bayern aus. Diese richtet sich nach physikalischen Größen wie Grundstücks- und Wohnfläche aus. Der Verzicht auf den Wertbezug sei nicht nur ein einfacher und unbürokratischer Vorteil, sondern mache die Grundsteuer für Eigentümer und Mieter gerechter. Bei der Berechnung der Grundsteuer sollte es für Hauseigentümer und Eigenheimbesitzer einen nach den Immobilienwerten gestaffelten Abschlag bei der Steuermesszahl geben, so die Forderung.

Grundsteuer-Berechnungen transparent machen

Zudem sollten Bund und Länder, die Berechnungen transparent machen. Sie könnten Beispielrechnungen für Eigenheime in verschiedenen  Lagen veröffentlichen.  Der Verband appelliert an die Kommunen, "keinesfalls die Grundsteuerreform als Persilschein für zusätzliche Einnahmen zu nutzen, um ihre durch die Corona-Krise verursachten Mindereinnahmen zumindest teilweise wieder auszugleichen". Für diese Mindereinnahmen müssten andere Ausgleichsmechanismen geschaffen werden.

Olaf Scholz verteidigt sein Modell

Der frühere Bundesfinanzminister Olaf Scholz verteidigte gegenüber KOMMUNAL sein Grundsteuermodell. "Entgegen aller Unkenrufe haben wir es geschafft, die Grundsteuer als wichtige Einnahmequellen für die Städte und Gemeinden auf Dauer zu halten. Dafür mussten wir das Grundgesetz ändern, was bekanntlich breite Mehrheiten erfordert. Den Ländern haben wir dabei eigene Gestaltungsmöglichkeiten gegeben, damit sie nach ihren Erfordernissen die Steuer erheben können. Er betonte: "Wichtig war mir, dass die Auswirkungen für den Länderfinanzausgleich dabei neutral bleiben – das ist mir gelungen."

Wie ist der Zeitplan? Der Stichtag für die Bewertung der Grundsteuerwerte ist der 1. Januar 2022. Die Grundsteuerwerte werden künftig alle sieben Jahre neu erhoben. Die Finanzämter wollen die Feststellungen der Grundsteuerwerte und Grundsteuermessbeträge möglichst bis Ende Juni 2024  erledigen. Die Gemeinden können dann ihre Hebesätze ermitteln und die Grundsteuerbescheide bekanntzugeben.Die auf Grundlage der neuen Werte berechnete Grundsteuer ist ab 1. Januar 2025 zu zahlen. Seit 1. Juli  gilt für Eigentümer die Pflicht, eine Grundsteuererklärung abzugeben. Eigentümer müssen dem Finanzamt Daten zu den Objekten, die sie besitzen, übermitteln. Wegen des Ansturms auf Formulare für die Erklärung zur Grundsteuer meldeten die Behörden jüngst eine Überlastung des Verwaltungsportals Elster.  „Aufgrund enormen Interesses an den Formularen zur Grundsteuerreform kommt es aktuell zu Einschränkungen bei der Verfügbarkeit“, hieß es auf der Startseite des Portals. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtete über die Server-Überlastung.

So sieht das Grundsteuer- Modell in Hessen aus, hier finden Sie das Grundsteuer-Modell in Bayern erklärt.

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