Kupferzell in Baden-Württemberg
Ob die Grundsteuerberechnung ungerecht und verfassungswidrig ist, sollen Gerichte klären.
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Grundsteuerreform

Grundsteuer verfassungswidrig? Es wird geklagt

Der Bund der Steuerzahler Baden-Württemberg hält das Grundsteuermodell in dem Bundesland für verfassungswidrig. Zusammen mit weiteren Verbänden erhebt er jetzt Klage beim Finanzgericht. Kritik gibt es auch am sogenannten Bundesmodell. Gerade werden dazu Musterklagen geprüft. Immobilienbesitzer haben bis Ende Januar 2023 Zeit, um ihre Grundsteuererklärung abzugeben. Die Frist hätte eigentlich schon zum 31. Oktober geendet, doch bis dahin waren nicht genügend Grundsteuererklärungen eingegangen.

Gemeinsam mit betroffenen Eigentümern wird eine Verbände-Allianz mehrere Musterklagen gegen die neue Landesgrundsteuer in Baden-Württemberg führen – neben dem Bund der Steuerzahler Baden-Württemberg haben sich die Verbände Haus & Grund Württemberg, Haus & Grund Baden und der Verband Wohneigentum Baden-Württemberg dazu entschlossen. Dies kündigten die Interessensverbände jetzt an.  "Die erste Klage gegen einen Grundsteuerwertbescheid ist bereits bei Gericht eingereicht", teilten sie mit.

Grundsteuer: Musterklagen angekündigt

Mit dieser Klage sollen grundsätzliche Fragestellungen zur Verfassungsmäßigkeit des neuen Landesgrundsteuergesetzes geklärt werden. "Grund für die Musterklagen insgesamt sind gravierende verfassungsrechtliche Bedenken der vier Verbände hinsichtlich der Grundsteuer B im neuen Grundsteuergesetz Baden-Württemberg", heißt es in der Erklärung.  Die Verbände haben die Finanzverwaltung nun dazu aufgefordert, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Musterklage alle Grundsteuerwertbescheide nur vorläufig zu erlassen. Außerdem planen der Bund der Steuerzahler und der Verband Haus & Grund Musterverfahren gegen die Bewertung bei der Ermittlung des Grundsteuerwertes im Bundesmodell. "Aktuell sichten beide Verbände Sachverhalte und Bescheide, um passende Fälle für Musterverfahren zu finden. Wann ein entsprechendes Aktenzeichen eines Finanzgerichts vorliegen wird, ist derzeit noch unklar. Dies ist abhängig davon, wann entsprechende Einspruchsentscheidungen der Finanzämter vorliegen", teilen sie mit. Zur gemeinsamen Erklärung.

Grundsteuerreform zum 1. Januar 2025

Zum 1. Januar 2025 wird die neue Grundsteuer in ganz Deutschland Kraft treten. Damit verliert der Einheitswert als Berechnungsgrundlage seine Gültigkeit. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts müssen die Werte für die Grundsteuer neu berechnet werden. Die meisten Bundesländer haben sich für das sogenannte Scholz-Modell entschieden.

Verfassungsrechtler Gregor Kirchhof, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Finanzrecht und Steuerrecht an der Universität Augsburg, hält  das Grundsteuergesetz  des Bundes und das Modell Baden-Württembergs für verfassungswidrig. "Deshalb würde ich raten, unter Einhaltung der Fristen Einspruch gegen den Grundsteuerbescheid zu erheben und dann zu klagen", sagte er in einem Interview mit Focus.de. "Die Bemessung der Steuer beruht auf den Bodenrichtwerten. Diese Werte kennt das Steuerrecht. Doch handelt es sich, wie der Name schon sagt, um Richtwerte und damit um unscharfe Parameter. Weil die Werte ungenau sind, lässt das Steuerrecht, wenn es sie bei anderen Steuern nutzt, den Gegenbeweis eines realitätsnäheren Wertes zu", so Kirchhof. "Dieser Gegenbeweis wurde aber den Steuerpflichtigen bei der Grundsteuer des Bundes und in Teilen auch bei der Steuer Baden-Württembergs verwehrt, weil das Massenverfahren mit zu vielen Gegenbeweisen zu aufwendig würde. Doch betont der Bundesfinanzhof, dass die ungenauen Werte zu einer gleichheitswidrigen Steuer führen, wenn man den Gegenbeweis nicht zulässt."

Und was konkret ist für ihn das Problem beim Grundsteuer-Modell in Baden-Württemberg? "Das Modell in Baden-Württembergs weist erhebliche Friktionen auf. Gleich große Grundstücke werden, wie beschrieben, gleich belastet, auch wenn auf ihnen eine Bruchbude, Villa oder ein Mehrfamilienhaus steht. Hinzu treten die gleichheitswidrigen Bodenrichtwerte", betonte Kirchhof. Selbst wenn die Gemeinde anpassend tätig werden, bleibe es bei diesen Friktionen in der Bewertung. "Die Bewertung können die Gemeinden nicht verändern. Die Ungerechtigkeiten bleiben."

Wie sieht das Grundsteuermodell in Baden-Württemberg konkret aus?

  • Die neue Grundsteuer B, also die Grundsteuer auf Wohngrundstücke, berechnet sich in Baden-Württemberg nach dem sogenannten modifizierten Bodenwertmodell.  Für die Grundsteuer B sind die Grundstücksfläche und der Bodenrichtwert entscheidend. Im Zuge der Grundsteuerreform müssen die Eigentümer von Grundstücken eine Grundsteuer-Erklärung, auch "Feststellungserklärung" genannt, abgeben.
  • Die Grundsteuer A ist im Landesgrundsteuergesetz von Baden-Württemberg ähnlich geregelt wie im Bundesgesetz. Bei der Grundsteuer B kommt hingegen das sogenannte "modifizierte Bodenwertmodell" zum Einsatz.
  • Das heißt: Die Bewertung für die Grundsteuer B ergibt sich künftig ausschließlich aus dem Bodenwert. Dafür werden im Wesentlichen zwei Faktoren herangezogen: die Grundstücksfläche und der Bodenrichtwert. Beide Werte werden miteinander multipliziert und ergeben den sogenannten Grundsteuerwert (bislang Einheitswert).
  • Auf die Bebauung kommt es dabei nicht an. So erläutert das Finanzministerium des Landes das Verfahren. In einem dritten und letzten Schritt wird dann der Hebesatz der Kommune auf den Grundsteuermessbetrag angewendet. Daraus ergibt sich schließlich die konkrete Grundsteuer.
  • Das bedeutet: Je größer das Grundstück und je höher der Bodenrichtwert, desto mehr Grundsteuer zahlen Eigentümer. Welche Art von Wohngebäude sich auf dem Grundstück befindet, ist für die Höhe der Steuer hingegen unerheblich.Weitere Informationen zur Grundsteuer in Baden-Württemberg.

Beispiel für Grundsteuer-Berechnung

Ein Beispiel, das vom Landes-Finanzministerium aufgemacht wird: Grundstückseigentümerin S. hat ein Einfamilienhaus auf einem 400 Quadratmeter großen Grundstück. Der Bodenrichtwert beträgt zum 1. Januar 2022 dort 250 Euro pro Quadratmeter. Der neue Hebesatz der Gemeinde G, in der sich das Grundstück befindet, soll für die neue Grundsteuer bei 350 Prozent liegen. S. müsste somit für ihr Einfamilienhaus 318,50 Euro Grundsteuer pro Jahr bezahlen (in der Regel in vier gleichen Beträgen).

Das Bundesmodell berücksichtige verschiedene Komponenten für die Berechnung. Dazu gehören unter anderem die Grundstücksfläche, aber auch die darauf befindlichen Gebäude. Diese werden nach Art, Fläche und Alter bewertet. "Das macht die Berechnung detailreich, komplex und fehleranfällig", argumentiert das Land gegen das Bundesmodell, für das sich die meisten Bundesländer entschieden haben. Das baden-württembergische Modell verzichte auf die Gebäudekomponente. "Daher ist es einfacher, transparenter und unbürokratischer." In Baden-Württemberg müssten die Bürger dabei im Vergleich zu anderen Bundesländern die wenigsten Angaben machen, schreibt das Finanzministerium.

Doch nun werden sich - so zumindest nach dem Willen der Grundstücks- Interessensverbände und des Bundes der Steuerzahler - Gerichte die Grundsteuer-Berechnungmodelle ansehen. Zuerst geht es um die Berechnungen in Baden-Württemberg.