Baugrundstücke Symbolisches Bild  mit Haus
Kommunen haben den Verkauf von Baugrundstücken ausgesetzt.
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Bundesverwaltungsgericht

Nach Urteil: Verkauf von Baugrundstücken gestoppt

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass das vereinfachte Bebauungsplanverfahren gegen Europarecht verstößt. Das hat nun Auswirkungen auf die deutschen Kommunen. Um welchen Fall es bei dem Urteil konkret ging, erläutert die betroffene Gemeinde. Ein weiterer Bürgermeister berichtet, welche Konsequenzen seine Gemeinde daraus gezogen hat.

Die Gemeinde Achberg in Baden-Württemberg wollte jetzt eigentlich eine neue Vergaberunde für die Baugrundstücke starten, und der Gemeinderat sollte in seiner Sitzung auch über die Neufassung der Kriterien für die Bauplatzvergabe beraten. Beide Punkte wurden aus aktuellem Anlass von der Tagesordnung genommen. "Mit dem vorläufigen Aussetzen einer weiteren Vergaberunde für Baugrundstücke wollen wir auf Nummer sicher gehen und verhindern, dass jetzt Grundstücke veräußert würden, für die aktuell vermutlich kein Baurecht besteht", sagte Achbergs Bürgermeister Tobias Walch zu KOMMUNAL.

Baugrundstücke - Vereinfachtes Bebauungsplanverfahren gekippt

Wie Achberg reagieren wohl viele Kommunen in Deutschland. Hintergrund ist die brisante Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach das vereinfache Bebauungsplanverfahren nach Paragraf 13b, Baugesetzbuch, gegen Europarecht verstößt. Die Richter bewerten den Paragrafen, der ein beschleunigtes Verfahren ermöglicht, als unvereinbar mit dem EU-Recht.

Das entschied das Bundesverwaltungsgericht

Konkret ging es bei dem Fall um ein Baugebiet in der Gemeinde Gaiberg im Rhein-Neckar-Kreis. Auf Grundlage von Paragraf 13b wurden in der baden-württembergischen Kommune im Jahr 2017 befristet Außenbereichsflächen in das beschleunigte Genehmigungsverfahren für Bebauungspläne einbezogen. Ziel war es, die Schaffung von Wohnraum im Außenbereich zu erleichtern, so die Gemeinde.

Wie ging es dann weiter? Die Befristung wurde im Zuge einer späteren Novellierung des Baugesetzbuches durch das „Baulandmobilisierungsgesetz“ vom 14. Juni 2021 bis zum 31. Dezember 2022 verlängert. Durch Beschluss des Gemeinderates vom 16. Mai 2018 wurde das Bebauungsplanaufstellungsverfahren in Gaiberg dann auf ein vereinfachtes Verfahren nach § 13b BauGB (in Verbindung mit den §§ 13a und 13 BauGB) umgestellt, wie die Gemeinde berichtet.

Klagen gegen Bebauungsplan

Gegen den aufgestellten Bebauungsplan wurde in mehreren Verfahren geklagt. (Urteile des VGH Mannheim unter AZ 3 S 6/20 sowie  AZ 3 S 3180/19). Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag jedoch als unbegründet abgewiesen. Die Richter hielten Paragraf 13b BauGB für unionsrechtskonform, sie gingen davon aus, dass das Aufstellungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt wurde und der Bebauungsplan, jedenfalls in seiner letzten Fassung, auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden war. Dann aber kam die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, die nun die bisherige Praxis ins Wanken bringt.

BUND ging in Revision

"Der Antragsteller, in unserem Fall der BUND (Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland), hat die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Revision eingelegt, sich aber darauf beschränkt, die Unionsrechtswidrigkeit des § 13b BauGB zu rügen", erläutert die Gemeinde Gaiberg in einer Mitteilung. "Der 4. Revisionssenat hat deshalb am 18. Juli 2023 nur geprüft, ob § 13b BauGB mit den Vorgaben aus Art. 3 Abs. 2, Abs. 3, Abs. 5 und Abs. 7 SUP-Richtlinie im Einklang steht. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 18.Juli 2023 den § 13b BauGB als mit Europarecht unvereinbar beurteilt", erläutert die Gemeinde. Bürgermeisterin Petra Vogel-Müller ist sich sicher: "Das Verfahren betrifft nicht nur die Gemeinde Gaiberg, sondern sicher hunderte, wenn nicht sogar tausende weitere Gemeinden, die im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der gesetzlichen Regelung Bebauungsplanverfahren begonnen oder - wie wir - bereits beendet haben."

Bundesregierung prüft Auswirkungen der Richterentscheidung

Auf Anfrage von KOMMUNAL sagte ein Sprecher des Bundesbauministeriums: "Die Bundesregierung prüft derzeit die Auswirkungen der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Sie wird sich dazu mit den für den Verwaltungvollzug zuständigen Ländern sowie den fachlich betroffenen Ressorts abstimmen." Derzeit seien noch keine verlässlichen Aussagen zur Bestandskraft von Bebauungsplänen nach Paragraf 13b Baugesetzbuch und auf dieser Grundlage erteilten Baugenehmigungen möglich. Vor allem deshalb, weil die Urteilsbegründung noch nicht vorliege.

Bauministerin Klara Geywitz ist - wie die gesamte Ampelkoalition von SPD, Grüne und FDP- mit dem Versprechen angetreten, noch in dieser Legislaturperiode Bürokratie abzubauen und die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Bis Ende des laufenden Jahres 2023 will das Ministerium eine große Novelle des Baugesetzbuches auf den Weg bringen, in der Klimaschutz und -anpassung, Gemeinwohlorientierung und die Innenentwicklung gestärkt, zusätzliche Bauflächen mobilisiert und weitere Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden sollen.

Keine weiteren Baugenehmigungen vorerst

In Achberg wurden 2019 beziehungsweise 2018 die Baugebiete „Wolfsgrube“ und „Gartenstraße“ nach dem jetzt vom Bundesverwaltungsgericht kritisierten vereinfachten Verfahren entwickelt, berichtet der Bürgermeister. "Die genauen Folgen des Urteils sind noch nicht absehbar, voraussichtlich können in den beiden Baugebieten aber bis auf weiteres keine neuen Baugenehmigungen erteilt und damit derzeit auch keine Baugrundstücke veräußert werden. Die Gemeinde wird auch im eigenen Interesse alles dafür tun, hier für die Zukunft wieder Baugenehmigungen zu ermöglichen", betonte Walch.

Verfahrensfehler unbürokratisch beheben

Gegenüber der Bundesregierung bestehe die Erwartung, dass zusammen mit den kommunalen Spitzenverbänden eine Lösung erarbeitet wird, um die dringend nötige Schaffung von Bauland wieder möglich zu machen. "Für die vorhandenen Bebauungspläne braucht es eine einfache Handhabe, den aufgetretenen Verfahrensfehler möglichst unbürokratisch zu beheben", fordert Achbergs Bürgermeister.

Die Mitteilung des Bundesverwaltungsgerichts zum Urteil.