Strategien für Kommunen im Kampf gegen Antisemitismus
Strategien für Kommunen im Kampf gegen Antisemitismus
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Zukunftsforscher

Vorschläge im Kampf gegen Antisemitismus

Gerade der muslimische Antisemitismus ist bereits Mainstream. Aber auch unter Jugendlichen ist er weit verbreitet. „Im Kampf dagegen geht es um Bürgergesellschaft, Bildung und Beschäftigunt“, sagt Zukunftsforscher Daniel Dettling und macht drei konkrete Vorschläge.

Bald 80 Jahren nach dem Holocaust sind heute Hate Speech, Bedrohung, Beleidigung und die Angst, als Jude in der Öffentlichkeit erkannt zu werden, das „neue Normal“. In Deutschland wie Europa. Vor fünf Jahren kam die bislang größte Befragung unter Juden in Europa im Auftrag der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte zu bestürzenden Ergebnissen. 90 Prozent der Befragten gaben damals an, dass der Antisemitismus in ihrem Land gestiegen sei. 70% erfahren Antisemitismus im öffentlichen Raum, in den Medien und in der Politik. Eine vom World Jewish Congress 2019 in Auftrag gegebene Studie zum deutschen Antisemitismus legt weitere bedrückende Zahlen vor. Danach ist Antisemitismus auch unter den Eliten auf dem Vormarsch. Unter den jungen Deutschen denkt heute jeder Dritte antisemitisch. Neben dem alten, einheimischen gibt es einen neuen zugewanderten Judenhass. Mit den Flüchtlingen aus Syrien, Afghanistan und Afrika wanderten auch hunderttausende Vorurteile, Unwissenheit und Verschwörungstheorien ein.

Antisemitismus - die doppelte deutsche Lebenslüge 

Das Straf- und Staatsangehörigkeitsrecht hilft gegen aggressiven Juden- und Israelhass kurz-, aber nicht langfristig. Die doppelte deutsche Lebenslüge holt unsere Gesellschaft jetzt ein und zeigt seit dem brutalen Terrorangriff der Hamas gegen Israel auch auf deutschen Straßen ihr böses Gesicht: Deutschland ist längst ein Einwanderungsland und Multikulti ist kein Rezept, wenn es um Migration und Integration geht. Ein Staat, der sich blind gibt gegen seine Feinde von innen wie von außen, muss ich nicht wundern, wenn diese auf deutschen Straßen mit verfassungswidrigen Fahnen und Gesängen marschieren. Die Sicherheit des Staates Israel ist ebenso deutsche Staatsräson wie das Leitbild der wehrhaften Demokratie. Beides mit Leben und Leidenschaft zu füllen ist Aufgabe aller Demokraten in einer freien Gesellschaft, angefangen von den Kitas und Schulen über Polizei und Bundeswehr bis zu den Unternehmen und Stiftungen. Wenn die breite Mitte der Gesellschaft sich zaghaft und mutlos zeigt, werden die extremen Ränder stärker. Integrationspolitik ist in einer migrantischen Gesellschaft auch Identitätspolitik. Integration bedeutet die Annahme einer Identität als Bürger. Wie können Einheimische wie Eingewanderte lernen, was es heißt, Deutscher zu sein? Wer hier lebt, teilt auch die historische Verantwortung und damit die besondere Beziehung zu Israel. 

Drei konkrete Vorschläge gegen Antisemitismus 

Der Kampf gegen den Judenhass muss gesamtgesellschaftlich geführt werden. Der alte wie der neue Judenhass ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung und braucht uns alle. Der Kampf gegen den Antisemitismus kann nur mit den Mitteln der Bürgergesellschaft, Bildung und Beschäftigung gewonnen werden. Dazu drei Vorschläge:

Vorschlag Nummer Eins: Der Kampf gegen Judenhass muss gelebter Teil der deutschen Staatsräson werden. Antisemitismus bezieht auch Angriffe gegen den Staat Israel ein. Alter und neuer Judenhass sind untrennbar mit der Feindlichkeit gegen Israel verwoben. Darauf hat der israelische Historiker und Holocaust-Überlebende Saul Friedländer in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag vor bald fünf Jahren anlässlich der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus hingewiesen. Israel spielt bislang in der Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus kaum eine Rolle. Antisemitismus muss Teil der Schul- und Erwachsenenbildung werden und Bürger mit Migrationshintergrund, ihre Verbände und Vertreter des Islam einbinden. Projekte wie in Berlin, wo Rabbiner und Imame gemeinsam in den Unterricht gehen, müssen überall Schule machen.

Vorschlag Nummer zwei: Bildung lebt auch von Begegnung und Austausch. Es braucht einen echten Schüler- und Jugendaustausch mit Israel. In Israel besuchen auch Juden aus Afrika oder Marokko die nationale Gedenkstätte für die Shoa (den Holocaust), Yad Vashem in Jerusalem. Ein Besuch der dortigen Gedenkstätte sollte auch für jeden 14- oder 15-Jährigen in Deutschland Teil der Schulpflicht sein. Es gibt keinen anderen Ort der Erde, an dem Geschichte, Gegenwart und Zukunft so miteinander verbunden sind. Yad Vashem ist ein Ort der Erinnerung, der Erfahrung und der Begegnung. Damit ist die Gedenkstätte die modernste auf der Welt. Ihre Erfahrungen und Erlebnisse werden die Jugendlichen in ihre Familien tragen und auch Eltern und Großeltern mit der Geschichte konfrontieren.

Vorschlag Nummer drei: Beschäftigung ist wirtschaftlich gesehen die beste Integration. Bei der Arbeitsintegration steht Deutschland im europäischen Vergleich schlecht da. Bei der Sprachförderung in Kitas bis hin zu Anerkennung von Abschlüssen mangelt es hierzulande an Infrastruktur, Geld und Geschwindigkeit. Aufstieg durch Bildung und Beschäftigung muss zum Versprechen für alle hier lebenden Menschen werden. Menschen, die keine positive Zukunftsaussichten für sich und ihre Familien sehen, suchen ihr Heil in einer dunklen Vergangenheit.

Der deutschen Geschichtspolitik fehlt die Auseinandersetzung mit und der deutschen Integrationspolitik ein Versprechen für die Zukunft. Nie wieder und die Zukunft sind jetzt.