Wie Kommunalpolitiker der Entfremdung zwischen Politik und Bürgern entgegentreten
Wie Kommunalpolitiker der Entfremdung zwischen Politik und Bürgern entgegentreten
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Leitartikel

Entfremdung: Verwerfungen lassen sich nicht wegdemonstrieren

Die Entfremdung zwischen Bürgern und Politik in der Asyldebatte geht mit Protestmärschen nicht weg. Zur Lösung der Fehler im Asylsystem erwarten die Menschen Antworten von ihren Vertretern, sonst suchen sie sich eben neue Vertreter. Wie Kommunalpolitiker – zerrieben zwischen der Politik von Bund und Ländern -versuchen, das Beste daraus zu machen.

Anton Margreiter ist Bürgermeister der 1400 Einwohner-Gemeinde Greiling bei Bad Tölz. Er ist so etwas wie ein Fels in der Brandung, wenn es um die Entfremdung zwischen Bürgern und Politik geht. Keine einzige freie Wohnung im Ort, aber die Ankündigung des Landkreises, dass in Kürze ein Bus mit 100 Flüchtlingen im kleinen Ort ankommen wird. Zwangszuweisung nennt der Landkreis das. Mutig klagt Margreiter gegen die Unterbringung, das greife in den Haushalt seiner Gemeinde ein. Das Verwaltungsgericht gibt ihm in einem Eilbeschluss recht und stellt fest, dass die Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern ausschließlich Aufgabe des Landes sind. Dieses lässt die Aufgabe von den Landkreisen ausführen. Eine Zuständigkeit der Gemeinde gebe es nicht.

Es sind Menschen wie Anton Margreiter, die ihren Bürgern das Gefühl geben, dass sie nicht allein auf weiter Flur stehen. Dass Kommunalpolitik die Folgen der Asylpolitik nicht auf dem Rücken der einheimischen Bevölkerung ausbaden lässt.

Zitat

Entfremdung vermeiden - klare Kante zeigen - ein Landrat macht es erfolgreich

Ein solcher Hoffnungsschimmer für viele Menschen ist auch Landrat Werner Henning im thüringischen Landkreis Eichsfeld. Er hat nicht nur als einer der Ersten in Eigenregie die Bezahlkarte für Flüchtlinge eingeführt. Zusammen mit seinen Mitarbeitern hat er sich vor allem ein Anreizsystem für Asylbewerber ausgedacht, das Vorbild für ganz Deutschland sein sollte. Asylbewerber, die mindestens 100 Euro im Monat durch eigene Arbeit verdienen, bekommen die gesamten Leistungen in bar ausbezahlt. Der Rest ist auf die Bezahlkarten mit ihren Einschränkungen angewiesen. 

Derweil haben Bund und Länder die Idee einer deutschlandweit einheitlichen Bezahlkarte längst aufgegeben. In Nordrhein-Westfalen etwa konnte sich die Landesregierung nicht auf Standards der Karte einigen. So überlässt man nun großzügigerweise den Kommunen die Entscheidung, ob sie die Bezahlkarte einführen wollen oder nicht. Und trägt so den Konflikt, den man selbst scheut, in die Landkreise und kreisfreien Städte. Nach außen deklariert man es dann als Stärkung der Kommunen, weil man sie selbst entscheiden lasse. Ein vergiftetes Pseudo-Geschenk. Hannover derweil hat die Bezahlkarte eingeführt, es ist aber weiter möglich, das komplette Geld darauf in Bar abzuheben. Zur Freude von Schleusern, die damit bezahlt werden können.

Wenn sich der Kampf gegen Rechtsextremismus nur auf Proteste beschränkt, ist er sinnlos. Was die Menschen wollen, sind pragmatische Lösungen."

Christian Erhardt

Nicht jede Entfremdung ist politisch rechts motiviert - häufig ist sie leider einfach nur verständlich

Die Verärgerung vieler Menschen über eine solche Nutzung ihrer Steuergelder ist nicht politisch rechts, sondern nur allzu verständlich. Die Folgekosten für eine Gemeinde wie Greiling, die keinen Platz mehr hat und weiter alle Aufgaben für immer mehr Bewohner stemmen muss, lassen sich auch nicht von noch so vielen „Wir-sind-mehr-Bewegten“ wegdemonstrieren. Was die Menschen erwarten, sind Lösungen.

Und da ist die jetzt so viel gepriesene Bezahlkarte eben nur ein kleines Mosaiksteinchen. Denn spätestens 18 Monate nach der Einreise steht den Asylbewerbern per Gesetz ohnehin wieder Bargeld zu. Und wenn die Karte nicht deutschlandweit einheitlich ist, dann folgen Asylbewerber logischerweise der Spur des Geldes und ziehen nach Antragsstellung um. Wohnsitzauflagen hin oder her, wo Geld ist, ist auch ein Weg.

Und warum die Bezahlkarte nicht gleich mit einem digitalen Flüchtlingsausweis kombiniert wird, bleibt ohnehin ein Geheimnis der Bundespolitik. An der Gewissheit, dass in zwei Wochen der nächste Bus mit den nächsten 50 schutzsuchenden Menschen vor der Tür der Gemeinde steht, ändert das zudem nichts.

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Wie die Entfremdung in der Asylpolitik beendet werden könnte - was nun passieren muss

Zwei Änderungen in der Asylpraxis von Bund und Ländern würden den Kommunen hingegen wirklich helfen. Erstens: Die Erstaufnahmeeinrichtungen müssen ihrem Namen endlich gerecht werden. Dort müssen die Flüchtlinge so lange bleiben, bis ihr Status grob geklärt ist. Nur diejenigen Flüchtlinge, die eine reale Bleibeperspektive haben, dürften auf die Kommunen verteilt werden. Für diese Menschen können die Städte und Gemeinden auch kurzfristig genügend Deutschkurse organisieren. Können möglichst dezentrale Wohnungen vermitteln, von den Arbeitsagenturen in Lohn und Brot gebracht werden. So geht Integration!

Und Zweitens: Jeder Flüchtling weiß: Wenn er es einmal nach Deutschland geschafft hat, wird er viele Jahre bleiben können, egal ob er Anspruch auf Asyl hat oder nicht. Abschiebungen finden nicht statt, das spricht sich rum. Nach dem Motto: Kaum Aussicht auf Asyl aber trotzdem berechtigte Ansprüche. Werden diese Verfahren nicht massiv beschleunigt und die Abschiebungen konsequent umgesetzt, wird auch der Zustrom von Menschen ohne Bleibeperspektive auf Rekordniveau bleiben.

Ich bin daher sehr dankbar über Macher wie Anton Margreiter und Werner Henning. Die beiden – und viele andere Kommunalpolitiker – zeigen: Wenn sich der Kampf gegen Rechtsextremismus nur auf Proteste beschränkt, ist er sinnlos. Was die Menschen wollen, sind pragmatische Lösungen. Weigern sich Vertreter hingegen, Probleme anzusprechen und verweigern somit Lösungen, suchen und finden die Menschen andere Vertreter – nicht selten auch Blender und Demagogen.