"Oma als Wohnraumreserve" - das ist nicht nur zynisch sondern auch weder nachhaltig noch wirtschaftlich sinnvoll, dafür aber der nächste kalkulierte Angriff auf die Landbevölkerung, meint Christian Erhardt
"Oma als Wohnraumreserve" - das ist nicht nur zynisch sondern auch weder nachhaltig noch wirtschaftlich sinnvoll, dafür aber der nächste kalkulierte Angriff auf die Landbevölkerung, meint Christian Erhardt
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Leitartikel

Strafsteuer für zu große Wohnungen? Wege aus der Wohnungskrise

„Oma soll umziehen“ titelte eine Tageszeitung kürzlich und schlug zur gerechteren Wohnraumverteilung eine Strafsteuer für zu große Wohnungen vor. „Oma als Wohnraumreserve ist weder nachhaltig noch wirtschaftlich sinnvoll, dafür aber der nächste kalkulierte Angriff auf die Landbevölkerung“, meint Christian Erhardt und schlägt Alternativen vor.

Es war wahrlich ein Kraftakt, als meine Eltern in den späten 60er Jahren ihr Einfamilienhaus – mit sehr viel Eigenleistung – bauten. Es war für sie, wie wohl für die allermeisten Menschen, die größte Investitionsentscheidung ihres Lebens. Denn ein Haus kauft und verkauft man nicht wie eine Aktie. Ist die Kommune gewählt und die Finanzierung gesichert, kommen die Menschen, um zu bleiben. Eine gute Versicherung auch für jede Gemeinde, die sich relativ sicher sein kann, dass die Neubewohner vermutlich für den Rest ihres Lebens bleiben und das Leben im Ort bereichern werden. Die meisten bauen mit dem Ziel, im Alter keine Miete mehr zahlen zu müssen, Ruhe zu haben vor Vermietern. Vor allem aber, um langfristig nicht auf den Staat angewiesen zu sein, der seit Jahrzehnten Probleme hat, genügend Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Und die Rente ist auch nicht sicher. Gebaut wird dann trotz aller Risiken. So ist der Standard von gestern im Wohnungsbau die Umweltsau von heute. Zumindest das Haus meiner Eltern lief bis vor wenigen Jahren mit Ölheizung, jetzt ist es die Gastherme, was nach den jüngsten Gesetzen das Haus in Sachen Planungssicherheit auf eine Stufe mit russischen Aktien stellt.

Baukosten sinken durch Strafsteuer nicht 

Seit einigen Jahren nun explodieren die Baukosten – und das führt dazu, dass immer weniger neue Wohnungen entstehen. Aus der Bundespolitik ist daher schon länger zu hören, das Einfamilienhaus sei ohnehin umweltschädlich, das Leben auf immer mehr Quadratmetern sei zudem unsozial. Jetzt die neueste Forderung nach einer „Alleinwohnsteuer“.

Die Idee: Da meine Eltern das Haus nach dem Auszug von uns Kindern inzwischen alleine bewohnen, könnten sie doch über eine neue Steuer zum Auszug gezwungen werden. Was die Frage aufwirft: Wie viel Quadratmeter sind eigentlich für zwei Personen zu groß? Und wer entscheidet darüber? Eine staatliche Wohnraumbehörde, die dann auch gleich den Räumungsbescheid verschicken darf? Wäre da nicht ein eigenständiges Rentner-Räum-Kommando effektiver? Entschuldigung für den Sarkasmus. Aber was auf den ersten Blick „nur“ den muffig riechenden Hauch von Planwirtschaft trägt, ist nichts weiter als die erneute Diskriminierung von Menschen, die auf dem Land leben und sich dort eine Existenz aufgebaut haben. „Schaut her, lebt alle in kleinen Wohnlöchern wie in vielen Großstädten“, so die Botschaft.

Christian Erhardt

Neue Steuern wären der Sargnagel für den Wohnungsbau 

Nachhaltig und wirtschaftlich sinnvoll ist der Gedanke ohnehin nicht. Wer heute ein Haus baut oder eine Wohnung kauft, rechnet sich eben aus, ob er damit im Alter eine finanzielle Entlastung hat. Führt der Staat eine „Alleinwohnsteuer“ ein, wird die Entscheidung noch häufiger gegen Eigentum ausfallen. Die angestrebte Sicherheit im Alter fällt aus, das „Projekt Eigentum“ rechnet sich nicht mehr. Langfristig wird somit für die kurzfristige Steuer die Bauwirtschaft vor die Wand gefahren. Die Zahl der verfügbaren Wohnungen sinkt weiter. Was also tun?

Größter Verhinderer von neuen Wohnungen sind die Baupreise. Entwickler von Wohnungen kommen in diesen Tagen erst bei einer Durchschnittsmiete von 21 Euro je Quadratmeter auf eine schwarze Null. So rechnet der Rat der Immobilienweisen vor und sagt: „Die Staatsquote beim Bau ist in Deutschland das größte Problem.“ Sie liegt inzwischen bei 37 Prozent. Hauptgründe: Die Grunderwerbssteuer, die Umsatzsteuer und vor allem strenge technische Baubestimmungen und extrem hohe energetische Anforderungen.

Zum Vergleich: Bei unseren Nachbarn in Österreich beträgt die Staatsquote sieben Prozent, in Frankreich liegt sie bei 19 Prozent. Würden wir die Staatsquote auf das Niveau von Frankreich senken, könnten Mieten für Neubauten laut dem Rat von derzeit 15 Euro auf rund 11 Euro gesenkt werden. „Der Superturbo wäre ein Aussetzen der Grunderwerbssteuer durch die Bundesländer“, so der Rat der Immobilienweisen und fordert auch vom Bund eine Reform des Baugesetzbuches und eine Veränderung der Standards wie DIN-Vorgaben und Regulierungskosten.

Was wirklich gegen die Wohnungskrise hilft 

Kurzum: Schuld an der Wohnungsnot sind diejenigen, die Bauen unbezahlbar machen. Nicht aber die Rentner. Der Staat und vor allem die Länder haben die Situation am Wohnungsmarkt selbst geschaffen. Die Kommunen versuchen, mit eigenen Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften und vielem mehr gegenzuhalten. Gegen Bürokratie und überbordende Standards kommen sie aber auch nicht an.



Statt über neue Steuern zu philosophieren, täte der Staat gut daran, die Kommunen so auszustatten, dass sie Fachkräfte in den Bauverwaltungen einstellen können, Anträge schneller bearbeitet werden können, Baugebiete schnell und nachhaltig entwickelt werden können. Beratungsnetzwerke der Länder mit Ingenieuren, Stadtplanern und Ökonomen können ebenfalls weiterhelfen. Ich kenne übrigens auch viele Rentner, die bereit wären, ihr Wissen weiterzugeben. Wir sollten Senioren als Chance sehen, nicht als abschiebbare Wohnraumreserve!“