Sachleistungen statt Bargeld? Eine Idee aus der bürokratischen Mottenkiste - doch es gibt sinnvolle Lösungen zeigt Christian Erhardt auf
Sachleistungen statt Bargeld? Eine Idee aus der bürokratischen Mottenkiste - doch es gibt sinnvolle Lösungen zeigt Christian Erhardt auf
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Leitartikel

Sachleistungen für Asylbewerber: Weniger Bares für Rares?

Sachleistungen statt Geld – so fordern es zahlreiche Politiker in der Asylpolitik. Eine deutschlandweite Bezahlkarte soll es ihrer Meinung nach richten. „Berlin verspricht wieder Dinge, die die Kommunen ausbaden sollen“, meint Christian Erhardt. Wenn überhaupt, dann könnten es nur die Kommunen selbst richten, etwa mit regionalen Karten.

Menschen folgen der Spur des Geldes – das steckt wohl tief im Hinterkopf, wenn Politiker in Bund und Ländern mal wieder die „alte Sau von Sachleistungen“ durchs Dorf jagen. Doch statt sich sachlich damit auseinanderzusetzen, neigen wir wieder einmal dazu, die Diskussion mit Totschlagargumenten im Keim zu ersticken. Inhuman nennen es die einen. Nun, wer aus einem Land flieht, in dem er mit dem Tode bedroht wird, der wird in der Ausgabe einer Bezahlkarte statt Bargeld möglicherweise eine akzeptable Einschränkung seiner Menschenrechte sehen.

Bürokratiemonster, rufen die anderen. Ja, aber bei der Bekämpfung von illegaler Migration darf das Hauptziel auch nicht sein, die Behörden zu entlasten. Das Problem ist weniger die Arbeit, die Behörden damit haben, als vielmehr die Tatsache, dass die kommunalen Behörden schon lange an der Leistungsgrenze sind und die immer neuen Aufgaben eines überbordenden Staates mit den jetzigen Mitteln und Personalplänen nicht mehr stemmen können. Aber vermutlich ist es weniger aufwändig als komplizierte und teure Abschiebeflüge mit Polizeibegleitung zu organisieren. Dinge, die der Rechtsstaat schon heute ohnehin meist nicht tut. 95 Prozent aller abgelehnten Asylbewerber werden aktuell nicht abgeschoben.  

Sachleistungen per Bezahlkarte? Das nächste Bürokratiemonster lässt grüßen

Also doch eine Bezahlkarte? Die Idee ist so alt wie die Migrationskrise selbst. Seit Jahren geistert die Idee durch die Köpfe einiger Politiker. Umgesetzt ist sie bis heute nicht. Warum wohl? Weil die Einführung einer deutschlandweiten Bezahlkarte schon an der Bürokratie scheitert. Bis alle Verfahren und Ausschreibungen durchlaufen sind und Bund und alle Bundesländer sich geeinigt hätten, würde es wohl Jahre dauern.

Die Kommunen können es allemal besser als Länder und Bund. Der ist ja schon mit dem Kulturkampf zwischen Heizungsgesetz und Cannabis-Legalisierung überfordert."

Christian Erhardt

Aber genug der pessimistischen Sichtweise. Eine Politik, die den Kopf in den Sand steckt, führt ja zu keiner Lösung. Das erleben wir auch bei diesem Thema seit Jahren. Es ist auch nicht erstaunlich, dass die Diskussion gerade jetzt nach den Landtagswahlen in Bayern und Hessen wieder neu aufflammt. Nur scheinen die im Elfenbeinturm erdachten Lösungen bisher wenig praxisnah. Die große Gefahr, und auch hier lassen die jüngsten Landtagswahlergebnisse grüßen: Wenn der Staat in Berlin etwas verspricht, was die Kommunen und Landkreise vor Ort gar nicht administrieren können, ist das eine Gefahr für den Rechtsstaat. Fast 70 Prozent der Deutschen halten laut aktueller Forsa-Umfrage den deutschen Staat für „überfordert“. Das Vertrauen ist auf einem Tiefpunkt angelangt. Wo also bleibt der Blick für die Realität?

Dieser Landkreis hat eine Idee für sinnvolle Sachleistungen - ganz ohne Bürokratie! 

Spannend erscheint mir da eine Idee von Götz Ulrich, Landrat im Burgenlandkreis. Der Praktiker denkt das Thema sinnvollerweise von den Kommunen her. In seinem Landkreis etwa gibt es bereits eine Regionalkarte. Die Karte kann mit beliebigen Beträgen aufgeladen werden – meist wird sie als Geschenk oder als steuerfreier Sachbezug für Mitarbeiter in Unternehmen eingesetzt. Die Karte wird ausschließlich von Geschäften im Burgenlandkreis akzeptiert, vom Bekleidungsgeschäft bis zum Supermarkt kann damit bezahlt werden. Aber eben nur im eigenen Landkreis. So wird die heimische Wirtschaft gestärkt. „Das Geld für die Asylbewerber müssen wir sowieso aus dem Regionalhaushalt bezahlen, so bleibt das Geld wenigstens in der Region“, argumentiert Ulrich.

Wenn der Staat in Berlin etwas verspricht, was die Kommunen und Landkreise vor Ort gar nicht administrieren können, ist das eine Gefahr für den Rechtsstaat."

Christian Erhardt

Ein Vorschlag, der zweifelsohne nicht überall in Deutschland gleich umgesetzt werden kann. Der aber zeigt, dass die Kommunen es allemal besser können als Länder und Bund. Der ist ja schon mit dem Kulturkampf zwischen Heizungsgesetz und Cannabis-Legalisierung überfordert. Der Bund sollte mehr ermöglichen, aber nicht alles erledigen. Er ist kein Lieferservice. Schaffen wir mehr Freiraum – gedanklich und finanziell – für die Städte und Gemeinden. Macht teilen ist dafür nötig – dazu gehört, Geld von Vorbehalten und Kontrollen zu befreien. Und diejenigen bestmöglich zu unterstützen, die am besten wissen, wie Herausforderungen vor Ort gelöst werden können.