Die Erstaufnahmeeinrichtung in Unna-Massen. Hier kam es vor wenigen Tagen zu einer Massenschlägerei - nun verteilt das Land auch abgelehnte Asylbewerber schneller auf die Kommunen - die laufen dagegen Sturm
Die Erstaufnahmeeinrichtung in Unna-Massen. Hier kam es vor wenigen Tagen zu einer Massenschlägerei - nun verteilt das Land auch abgelehnte Asylbewerber schneller auf die Kommunen - die laufen dagegen Sturm
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Landeseinrichtungen laufen über

Asylbewerber sollen deutlich schneller auf Kommunen verteilt werden

In Nordrhein-Westfalen sollen Asylbewerber künftig schneller an die Kommunen weitergeleitet werden. Hintergrund sind überfüllte Erstaufnahmeeinrichtungen. Laut Landesregierung geht es zunächst um 1500 Flüchtlinge - doch Kommunenvertreter fürchten insgesamt eine Abkehr von bisherigen Regelungen und eine flüchtlingspolitische Wende des Landes zulasten der Kommunen.

Eigentlich ist die Flüchtlingspolitik über den Bund klar geregelt. Asylbewerber sollen zunächst in die Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder kommen. Dort soll ihre Bleibeperspektive geklärt werden. Ist diese gering, sollen sie bis zu 24 Monate in der Erstaufnahmeeinrichtung bleiben - um sie nach Prüfung von dort direkt abschieben zu können. 

Doch in Nordrhein-Westfalen betreibt die Landesregierung nun eine flüchtlingspolitische Wende. Die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber soll nicht mehr als Regelfall avisiert werden. Schon im Koalitionsvertrag hatten CDU und Grüne in NRW vereinbart: "Alle Asylbewerber, auch abgelehnte, sollen nach spätestens sechs statt bisher 24 Monaten auf die Kommunen verteilt und dort integriert werden". Das steht im Gegensatz zu einem Beschluss der EU-Regierungschefs, die in diesem Jahr beschlossen hatten, es sollten keine abgelehnten Asylbewerber mehr auf die Kommunen verteilt werden. 

Mit der Politik habe NRW bereits spürbar begonnen, schreibt nun die Tageszeitung Welt. Das belegten Quartalsberichte des Ministeriums, die der Zeitung vorlägen. Demnach werden Flüchtlinge immer früher in die Kommunen geschickt. Ihnen zufolge „ist der Anteil der Personen, die sich länger als sechs Monate in den Landeseinrichtungen aufhalten, von über 15 Prozent im Herbst 2021 auf sieben Prozent Ende März 2023 gesunken“ – und das, obwohl die Asylverfahren 2022 mit 7,6 Monaten im Durchschnitt einen Monat länger dauerten als 2021.

Darum verteilt das Land die Asylbewerber so viel schneller auf die Kommunen 

In NRW gibt es 45 Landesunterkünftte mit rund 30.000 Plätzen. Kommunenvertreter fordern seit langem eine Aufstockung auf 70 bis 80.000 Plätze. Die Kapazitäten der Erstaufnahmeeinrichtungen seien ausgelastet beziehungsweise teilweise bereits überbelegt, erklärt der Städte- und Gemeindebund NRW in einem aktuellen Rundschreiben. Deshalb müssten nach Darstellung des Landes schon zum jetzigen Zeitpunkt vorzeitige Zuweisungen von Flüchtlingen an die Kommunen erfolgen. 

Abschiebungen dagegen finden in NRW - ähnlich wie in anderen Bundesländern - kaum statt. Laut Flüchtlingsrat NRW werden 95 Prozent der Ausreisepflichtigen nicht abgeschoben. Genau diese geringe Zahl der Abschiebungen sei ein Grund, die Asylbewerber möglichst schnell auf die Kommunen zu verteilen. 

Die Zentralen Unterbringungsstellen seien "unwirtlich", verzögerten die Integration und beherbergten das Risiko, "auf die Schiefe Bahn" abzugleiten. Das "Konflikt- und Aggressionspotential" in den zentralen Unterbringungen sei beträchtlich, heisst es vom Flüchtingsrat.

„Um die Aufnahmefähigkeit des Landessystems zu erhalten, müssen wir schon zum jetzigen Zeitpunkt vorzeitige Zuweisungen von Geflüchteten aus den Landeseinrichtungen in die Kommunen vornehmen“, heißt es in einem Schreiben der Landesregierung.

Die Situation verschärft sich - immer mehr Übergriffe nicht nur in NRW 

Was bleibt ist für die Kommunen die Frage, wie man einen Menschen integrieren soll, der eigentlich gar nicht in Deutschland sein sollte. Hinzu kommen die Kosten, mit denen sich viele Kommunen von Land und Bund allein gelassen fühlen. So will der Bürgermeister von Selm, Thomas Orlowski, am liebsten die Zeltstadt in seinem Ort direkt auflösen. "wir tragen das nicht mehr mit" sagte er vor wenigen Tagen den örtlichen Ruhr-Nachrichten. Er bekomme nicht einmal Geld für die Kosten des Sicherheitsdienstes, erhalte vom Land NRW keinerlei Informationen. Orlowski fühlt sich allein gelassen. 

Unweit seiner Kommune machte die Stadt Unna vor wenigen Tagen Schlagzeilen wegen einer Massenschlägerei in einer Erstaufnahmeeinrichtung im Stadtteil Massen. Hunderte sollen sich daran beteiligt haben, Einsatzkräfte auch aus Nachbarstädten mussten anrücken um die Lage in den Griff zu bekommen.