Bürgermeister Ulli Meyer Sankt Ingbert mit Feuerwehrmann
Oberbürgermeister Ulli Meyer ist sehr gerne Kommunalpolitiker.
© Stadt Sankt Ingbert

Bürgermeister-Porträt

Erst Staatssekretär, dann Oberbürgermeister

Ortsvorsteher, Staatssekretär und Ober­bürgermeister: Ulli Meyer hat schon viele Ämter bekleidet. Er führt als Rathauschef das saarländische Sankt Ingbert durch den Struktur­wandel. Die Arbeitslosenquote liegt heute gerade einmal bei 2,49 Prozent, und damit deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 6,1 Prozent.

Im Stadtwappen von Sankt Ingbert findet sich ein Bergmann und ein Zahnrad mit gekreuztem Schlegel und Eisen: Symbole, die auf die Vergangenheit der fünftgrößten Stadt des Saarlands hinweisen: Einst wurde hier, in einem Talkessel bei Saarbrücken, Steinkohlebergbau betrieben. Einst gab es hier Metallindustrie. „Heute sind wir einer der größten Standorte eines Softwareherstellers in Deutschland”, sagt der Oberbürgermeister von Sankt Ingbert, Ulli Meyer. „Und bald werden wir Sitz eines Helmholtzzentrums für IT-Sicherheit mit 900 Mitarbeitern.“

St. Ingbert - wo der Strukturwandel gelingt

Die Stadt im Saarland ist ein Musterbeispiel für einen erfolgreichen Strukturwandel: Die Arbeitslosenquote liegt heute gerade einmal bei 2,49 Prozent, und damit deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 6,1 Prozent. „Wir haben gezeigt, dass wir Transformation können: Von einer Bergbaustadt zu einer Stadt mit Industrie und Gewerbe und dann aber auch seit den 90er-Jahren einer Stadt, in der Software und Technologie dominierend sind“, sagt Meyer. Heute leidet Sankt Ingbert unter Wachstumsschmerzen. „Die Stadt hat im letzten Jahr eine Strategie aufgelegt, um mehr Wohneinheiten zu schaffen“, sagt Meyer. „Wir bauen und sanieren Grundschulen und Kindergärten.“ Vor allem im Krippenbereich habe die Stadt Bedarfe: Dort soll in den nächsten Jahren noch einmal investiert werden.

Bürgermeister will Innenstadt beleben

Doch wer das aus den 1970er-Jahren stammende Rathaus verlässt und seine Schritte in Richtung Fußgängerzone lenkt, merkt schnell, dass ein typisches Problem deutscher Innenstädte auch vor Sankt Ingbert nicht Halt macht: Viele Schaufenster sind leer. Der stationäre Einzelhandel hat auch in Sankt Ingbert ein Problem. „Wir wollen deshalb mehr Wohnflächen in der Innenstadt schaffen“, sagt der Oberbürgermeister. „Gerade vor dem Hintergrund dieses Zuzugs von Fachkräften aus dem Bereich Software und Informatik wird das die Innenstadt noch mehr zu einem Ort des Lebens machen: Wir bekommen mehr Kaufkraft in die Gegend hinein.“

Sankt Ingbert Ortsbild

Tipps für die Bewältigung des Strukturwandels

Welche Tipps Meyer für andere Strukturwandelregionen hat? „Das eine ist: Objektiv die eigenen Stärken erkennen und sie ausbauen“, sagt Meyer. „Zweitens muss man sich jeden Strukturwandel auch mental zutrauen, und drittens muss man die Menschen mitnehmen.“ Damit sich eine Region erfolgreich wandeln könne, müssten die Menschen am Ort wissen, dass es weitergeht. Und sie müssten Vertrauen bekommen, dass die Region die anstehenden Dinge auch bewerkstelligen könne. „Hier in Sankt Ingbert haben wir in der über 1.000-jährigen Geschichte unserer Stadt schon viel erlebt“, sagt Meyer. Aber wir haben es auch immer gepackt, uns in eine gute Richtung zu entwickeln.“ Wichtig sei es aber, darüber auch zu reden. „Man darf die eigene Agenda nicht von Nörglern und Meckereien abhängig machen“, betont er. „Wenn man das macht, kommt man zu einer Abwärtsspirale, in der dann ohnehin alles vergebens ist.“ Man dürfe auch nicht verschweigen, wenn Dinge nicht gut liefen - „aber das kann man dann anpacken und besser machen.“

Man darf die eigene Agenda nicht von Nörglern und Meckereien abhängig machen.“

Prof. Dr. Ulli Meyer, Oberbürgermeister von Sankt Ingbert

Seine ersten kommunalpolitischen Erfahrungen sammelte Ulli Meyer in den 1990er-Jahren im Ortsrat. Später war der promovierte Jurist ehrenamtlicher Ortsvorsteher. Meyer wurde zunächst Büroleiter von Ministerpräsident Peter Müller, später Staatssekretär im Finanzministerium. Seit 2019 ist er Oberbürgermeister von Sankt Ingbert. „Damals gab es eine Situation, in der das Verhältnis zwischen dem Oberbürgermeister und dem Stadtrat völlig zerrüttet war“, sagt Meyer. „Das hat mir persönlich wehgetan: Ich habe immer das Potenzial dieser Stadt gesehen.“ Deswegen entschied sich Meyer, die Landes- gegen die Kommunalpolitik einzutauschen.

„Ich habe das große Privileg, dass ich aus jeder Funktion, aus der ich bisher ausgeschieden bin, mit einem weinenden und einem lachenden Auge ausgeschieden bin“, sagt Meyer. „Ich konnte mich immer auf die neue Tätigkeit freuen, und habe alles, was ich gemacht habe, gern gemacht.“ An der Kommunalpolitik schätzt er die Grundsatzarbeit. „Man kann hier Dinge bewegen“, sagt der Oberbürgermeister. „Und wenn ich irgendwann mal aufhöre, und hier am Kindergarten vorbeikomme, werde ich immer noch sagen können: Okay, das hast damals Du gemacht.“

Mehr Vertrauen in die kommunale Ebene

Den Ärger vieler Bürgermeister über die Situation der Kommunen in Deutschland teilt indes auch Meyer. „Ein funktionierender Staat braucht funktionierende Kommunen“, sagt Meyer. „Denn das ist die erste Ebene, auf der die Menschen den Staat erleben.“ Im Umgang des Landes und des Bundes mit der kommunalen Ebene sei allerdings etwas mehr Pragmatismus nötig: „Es werden Förderrichtlinien und Gesetze gestrickt, die zwar alle gut gemeint sind, die aber auch ein Maß an Perfektionismus haben, das dazu führt, dass sie in der Praxis dann nicht richtig funktionieren“, sagt er. „Hier wünsche ich mir schon ein Stück Vertrauen darin, dass sich auch die Akteure auf der kommunalen Ebene rechtskonform verhalten und nicht unter Generalverdacht gestellt werden.“

Doch tatsächlich steige in allen Förderprogrammen nur die Zahl der Kontrollauflagen. Für den neuen saarländischen Landesentwicklungsplan müssten die Kommunen ihre Baulücken dokumentieren. „Da sollten wir mal ehrlich sein“, sagt Meyer. „Wir Kommunen haben nicht das Personal, um das alles aufzuschreiben und das Land hat nicht das Personal, um das alles zu überprüfen – warum also macht man das dann?“ Wichtiger als Kontrollen wären Anreize für die Kommunen: „Wer zehn Baulücken abgebaut hat, bekommt noch zwei Bauplätze dazu“, sagt Meyer. „So würde es wohl besser und einfacher funktionieren.“ Das Land und die Kommunen seien mittlerweile perfekt darin, sich gegenseitig Briefe zu schreiben. „Aber das führt nicht dazu, dass etwas passiert“, sagt Meyer. „Da ist es doch besser, man arbeitet pragmatisch miteinander zusammen, und guckt darauf, was am Ende dabei herauskommt.“

Was brauchen Bürgermeister und Bürgermeisterinnen?

Und welchen Rat gibt Meyer jungen Kommunalpolitikern, die überlegen, ob sie das erste Mal als Bürgermeister kandidieren? „Ein guter Bürgermeister sollte zuhören können, sollte entscheiden können - und er sollte die Dinge auch nicht immer persönlich nehmen“, sagt der Oberbürgermeister von Sankt Ingbert. „Denn ein Bürgermeister ist so ein bisschen wie der Wetterhahn auf der Kirchturmspitze: Er wird immer angeweht, egal was ist.“ Für alle Entscheidungen in der Kommune sei er am Ende schließlich der Verantwortliche. „Und da muss man lernen, dass man manche Dinge auch an sich abprallen lassen muss – sonst verliert man schnell die Freude an der Politik.“