Reimar Molitor vom Region Köln/Bonn e.V.
Reimar Molitor ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Region Köln/ Bonn e.V.
© Region Köln/Bonn e.V.

Strukturwandel

"Wir geben derzeit zu viel und zu schnell Geld aus"

Der Strukturwandel im Rheinischen Revier wird derzeit zu sehr von oben nach unten gestaltet, kritisiert Reimar Molitor vom Verein Region Köln/Bonn. Die Kommunen vor Ort selbst brauchen aber Hilfe, die Förderung zu beantragen und umzusetzen.

KOMMUNAL Herr Molitor, spätestens 2038 soll der Kohleabbau beendet sein. Wo steht das Rheinische Revier?

Reimar Molitor: Im Augenblick ist der Strukturwandel für die Menschen vor Ort noch nicht greifbar. Doch es kommt der Tag, an dem Tausende Arbeitsplätze real weggefallen sein werden. Hinter uns liegt der größten Masseneingriff in Europa. Der nun folgende Landschaftsumbau wird mindestens 50 Jahre dauern.  Wir werden also eine lange Zeit brauchen, um in Balance zu kommen. Diese unglaubliche Zeitspanne in den Blick zu nehmen, macht einen demütig, teilweise ratlos.

Weshalb ratlos?

Ratlos deshalb, weil viele Fragen nicht geklärt sind, eine vergleichbare Aufgabe nirgendwo bewältigt wurde – und sehr viel gleichzeitig passieren soll.

Um den Strukturwandel bewältigen zu können, bekommt das Rheinische Revier 14, 8 Milliarden Euro.  Wofür verwenden  die  Kommunen das Geld?

Das Problem vorab ist: Die Kommunen sind personell dafür nicht ausgestattet. Sie sollen und müssen in kurzer Zeit viel Fördergeld beantragen und die Projekte umsetzen. Es ist dabei keine Lösung, die Aufgaben nur auf die Landesgesellschaften und Dritte zu verlagern. Die Kommunen selbst müssen also handlungsfähig sein für den Strukturwandel. Das ist der bisherige Hauptfehler in der Organisation. Eine Lösung wäre, einen Stellen-Pool zu bilden, eine Scouting-Agentur, die den Kommunen hilft, passgenau Personal für die vor Ort anstehenden Aufgaben zu finden und sie so konkret unterstützt.

Was ist Ihre größte Sorge?

Wir geben jetzt zu viel und zu schnell Geld aus - und wenn der Strukturwandel physisch richtig losgeht, ist kein Geld mehr da für die räumlichen Umbauaufgaben. Die eigentliche Dynamik setzt erst 2030 aufwärts ein, wenn die Flächen und Infrastrukturen frei werden.  Vorher haben wir erst die Overtüre. Deshalb: Spare jetzt an, dann hast Du was, wenn es so richtig losgeht mit der Transformation.  Wir bräuchten eine Spardose, ein Sondervermögen für später.

Was könnte außerdem besser laufen?

In der Lausitz wurden die Projekte nach dem Strukturwandel I in den 2000er Jahren sehr maßvoll gesetzt.  Da wurde weniger Top down, also von oben nach unten, gesagt: Nun denk Dir mal schnell die Zukunft aus. Die Zukunftsagentur Rheinisches Revier wurde gegründet als Klammer zwischen Land und Region. Das Land und vor allem der Bund nehmen derzeit sehr starken Einfluss auf die Entscheidungsprozesse. Die Region muss sehen, dass sie mitkommt. Die Kommunen vor Ort beklagen, dass sehr viel vorfestgelegt wird.

Was schlagen Sie vor?

Wir brauchen ein Sonderplanungsrecht, ein Transformationsrecht.  Um große zusammenhängende Flächen für grüne Produktion auszuweisen.  Man könnte dem Investor sagen: Bei uns bekommst du große zusammenhängende Flächen, Du kannst schnell loslegen. Die Tesla-Ansiedelung in Brandenburg ist ein Beispiel.

Wo sollen die Arbeitsplätze herkommen?

Anders als in der Lausitz besteht im Rheinischen Revier ein großer Arbeitsmarkt um die Braunkohleindustrie herum. Eine Lehre aus den Erfahrungen des Strukturbruchs in den 1950-er Jahren ist aber: Wir müssen den  Bildungssektor massiv fördern. Wir brauchen eine Internationalisierung bei der Bildung, eine  Digitalisierungskompetenz-Bildung und eine Bildung für die nun anstehende Transformation.

 Zum Regionalmanagement Region Köln-Bonn.