Schnackenburg Radfahrer an der Elbe
Schnackenburg liegt an der Elbe.
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Schnackenburg

Ideen für Niedersachsens kleinste Stadt

Der ehrenamtliche Bürgermeister, ein Unternehmer, will mehr Leben nach Schnackenburg an der Elbe bringen. In Niedersachsens kleinster Stadt gibt es derzeit nicht einmal ein Restaurant, dafür aber ein neues Wohngebiet.

Vom Deich aus spürt man die Weite Norddeutschlands. Die Elbe führt Hochwasser, in der Flussmitte fährt ein Frachtkahn flussabwärts, Richtung Hamburg. Matthias Köhler steht neben dem Flaggenmast, und lässt den Blick in die Ferne schweifen. „Das ist der schönste Platz in Schnackenburg”, sagt der Bürgermeister. Viele Jahrhunderte lang hat der Strom das Leben in der mit 518 Einwohnern kleinsten Stadt Niedersachsens geprägt: Einst an der Grenze zwischen Hannover und Preußen gelegen, war Schnackenburg oft Zollstation – zuletzt in der Zeit der deutschen Teilung.

Stadt Schnackenburg ohne Gastwirtschaft

Hier befand sich einer der wenigen Grenzübergänge für die Binnenschifffahrt – aus Tschechien fuhren die Kähne zum Moldauhafen in Hamburg, aus Hamburg im Transitverkehr nach Berlin (West). Zöllner und Beamte des Bundesgrenzschutzes lebten in der Kommune im äußersten Osten Niedersachsens. Nach der Wiedervereinigung wurden sie versetzt, zogen weg. „Heute sind wir im Biosphärenreservat Niedersächsische Elbtalaue”, sagt Köhler, während er vom Deich herab zu seinem Auto geht. „Wir haben viel Natur und viele Erholungsmöglichkeiten – aber fast kein Gewerbe mehr im Ort.” Läden gibt es gar keine mehr, und auch die letzte Gastwirtschaft schloss vor ein paar Jahren. Die Inhaber wollten sich neu orientieren.

„Ich sehe es als eine meiner wichtigsten Aufgaben an, dass wir wieder Gastronomie in den Ort bekommen”, sagt Köhler. Denn Schnackenburg, das zur Samtgemeinde Gartow gehört, ist im Sommer ein beliebter Ort für Fahrradtouristen: Über den Elberadweg kommen täglich über 100 Radfahrer in den Ort. Und auch das Grenzlandmuseum, in dem Ehrenamtliche eine kleine Sammlung zur Geschichte der innerdeutschen Grenze präsentieren, ist ein Anziehungspunkt. Gut 6.000 Besucher verzeichnete es im vergangenen Jahr.

Bürgermeister Schnackenburg

Ein guter Bürgermeister muss sein wie ein guter Unternehmer.“

Matthias Köhler, Bürgermeister von Schnackenburg

„Für diese Besucher brauchen wir ein gastronomisches Angebot”, sagt Köhler. In den letzten Jahren behalf sich die Gemeinde mit einem Imbisswagen auf dem Marktplatz. Aber sowohl für die Touristen als auch als Treffpunkt für die Einheimischen wäre eigentlich eine feste Gaststätte nötig. „Streng genommen haben wir, wenn das Museum geschlossen hat, nicht einmal eine öffentliche Toilette in Schnackenburg.” 

Stadt kaufte Fähre - wichtiges Verkehrsmittel

Wichtig für die Kommune ist indes vor allem eine Fähre. Wenn die Elbe nicht gerade Hochwasser führt, verbindet die Fähre "Ilka" Schnackenburg mit Lütkenwisch in der brandenburgischen Prignitz. Weil fast alle Einwohner von Schnackenburg außerhalb des Ortes arbeiten, ist sie ein wichtiges Verkehrsmittel. Vor einigen Jahren kaufte die Stadt Schnackenburg das Schiff deswegen dem damaligen Betreiber ab.

Für die Sanierung der Fähre gab man fast alle Eigenmittel der Kommune aus - und als die Stadt um Spenden bat, kamen innerhalb kürzester Zeit 30.000 Euro zusammen, sagt Köhler. Heute hat das Brandenburger Amt Lenzen, das auch die einige Kilometer flussabwärts gelegene Fähre „Westprignitz” betreibt, die Betriebsführung übernommen. Aber das Schiff gehört weiter der kleinsten Stadt in Niedersachsen. „Wir versuchen jetzt, eine Buslinie so einzurichten, dass die Fähre an beiden Ufern von Bussen erwartet wird”, sagt Köhler. „Auch Menschen ohne Auto sollen künftig besser nach Schnackenburg kommen."

Dafür braucht es den Blick ans andere Ufer: Denn das von Schnackenburg aus am nächsten gelegene Mittelzentrum ist das brandenburgische Wittenberge. Dort halten Fernzüge, dort gibt es Infrastruktur, die auf der niedersächsischen Elbseite oft fehlt. „Die Elbe ist immer noch ein bisschen eine Grenze”, sagt Köhler. „Man denkt oft nicht an das Bundesland, den Landkreis oder die Gemeinde auf der anderen Seite des Flusses.”

Doch der ehrenamtliche Bürgermeister ist schon in den 1990-er Jahren mit seiner Firma, einem Unternehmen zur Herstellung von Rollläden und Markisen, von Schnackenburg nach Wittenberge gezogen. In der kleinsten Stadt in Niedersachsen gab es, bedingt durch das Biosphärenreservat, schon damals keine Expansionsmöglichkeiten mehr. Doch Köhler wohnt weiter in Schnackenburg und fährt selbst fast täglich über den Fluss. Und dass die Gesprächsfäden zwischen den in drei Bundesländern gelegenen Landkreisen Lüchow-Dannenberg, Altmark und Prignitz in den letzten Jahren immer besser wurden, ist ein kleines Stück auch sein Verdienst, meint er.

Neues Wohngebiet ausgewiesen

Aber wovon lebt eine kleine Kommune fast ohne Gewerbe eigentlich? „Das ist eine gute Frage”, sagt Köhler. „Wir haben im Grunde nur den kommunalen Anteil an der Einkommenssteuer und die Grundsteuer A und B.” Große Sprünge lassen sich damit nicht machen: Gut 40.000 Euro im Jahr stehen der Stadt Schnackenburg zur Verfügung. Eine Straßensanierung ist angedacht. Und für einen neuen Spielplatz haben die Einwohner viel Eigenarbeit geleistet. „Wir haben immerhin ein neues Wohngebiet ausweisen können”, sagt Köhler. Menschen, die nicht länger in den Großstädten Hamburg und Berlin leben wollten, zögen in den ländlichen Landkreis Lüchow-Dannenberg. Dank Glasfaseranschlüssen im Ort können sie im Homeoffice arbeiten. Die ersten der 15 neuen Grundstücke seien schon verkauft.

Bürgermeister ist gebürtiger Schnackenburger

Warum engagiert er sich als ehrenamtlicher Bürgermeister? „Ich bin gebürtiger Schnackenburger und ich lebe gern in Schnackenburg”, sagt Köhler. „Und ich möchte, dass meine Stadt am Leben bleibt.” Das aber ginge nur mit eigenem Engagement: „Natürlich könnte ich sagen: Der Firma geht es gut, ich setze mich zur Ruhe”, sagt Köhler. Die Kinder sind in den Familienbetrieb eingetreten, der Chef hat nun mehr Zeit als früher. Also ließ er sich für die örtliche Wählergemeinschaft in den Gemeinderat wählen, zunächst als stellvertretender Bürgermeister.

Ärmel hochkrempeln

Als die Amtsinhaberin dann nach zwei Jahren ihr Bürgermeisteramt aufgab, übernahm Matthias Köhler.  „Wenn sich hier in Schnackenburg noch etwas tun soll, dann muss es auch Menschen geben, die dafür Verantwortung übernehmen.” Nicht klagen, sondern die Ärmel hochkrempeln: Für den selbstständigen Unternehmer war in seinem Berufsleben oberste Maxime. „Ein guter Bürgermeister muss genauso sein wie ein guter Unternehmer”, sagt Köhler. „Du musst immer nach vorne gehen, rausgehen, Leute ansprechen und Dich vernetzen.” So habe er einst sein Unternehmen aufgebaut und so halte er es auch als Bürgermeister. „Man muss die Dinge angehen, wenn man etwas verändern will.”