"Wir tun besser daran, nicht jedem, der uns von außen eine neue Heilslehre verkaufen will, auf den Leim zu gehen" meint Christian Erhardt
"Wir tun besser daran, nicht jedem, der uns von außen eine neue Heilslehre verkaufen will, auf den Leim zu gehen" meint Christian Erhardt
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Lernen von Asterix und Obelix

Das Gallische Dorf und unser Dorfleben

Der neue Asterix-Band zeigt, wie die große römisch-dekadente Politik in ein kleines gallisches Dorf einbricht. Gut wird es erst, als die Gallier ihr Selbstbewusstsein zurückgewinnen. „Weisen wir die Weisen in ihre Schranken und werden wir als Kommunen selbstbewusster“, meint daher Christian Erhardt

Ein Schelm, wer zwischen dieser Geschichte und dem Verhältnis zwischen Bund und Kommunen Parallelen sieht: Eine kluge Person, geschickt aus Rom, kommt in das kleine gallische Dorf und übt einen störenden Einfluss aus. Dieses Mal in Form eines Achtsamkeits-Gurus. Visus-Versus heißt er und soll die Bewohner umerziehen: Sie sollen weniger Wildschwein und mehr Gemüse essen, Sport treiben und Konflikte mit Worten statt mit Kämpfen lösen. Es scheint, als würde der neue Asterix-Comic gegen die Wokeness unserer Zeit austeilen. Ihr Macher erklärte kurz vor Erscheinen in einem Interview dazu wörtlich: „Wir zeigen, dass man ständig penibel darauf achten muss, was man sagt und macht. Es mag zwar ein wenig reaktionär klingen, aber wir haben ein wenig den Hedonismus verloren. Weil wir ständig unter diesem Zwang stehen, vorsichtig sein zu müssen.“

Das Dorfleben muss geprägt sein von Verständnis und Zuhören 

Beim Lesen des neuen Comics musste ich unweigerlich an den politischen Stil der letzten Jahre denken, der Widerspruch sofort in eine mindestens populistische Ecke brandmarkt. Oft schon, wenn du nur über die Vorstellungen des anderen sprechen willst oder sie einfach nur mal hören willst, auch wenn du sie gewiss nicht teilen wirst. Sicher, auch auf dem Dorf braucht es für das Zusammenleben ab und an Feindbilder. Aber die Organisation des Alltags auf dem Dorf wird schwierig, wenn du zwar künstlich korrekte Brandmauern hochziehst, aber die Zahl der Unpersonen dann doch unüberschaubar wird. Jeder von denen hat auch noch Freunde und Verwandte und du kannst dich auf dem nächsten Dorffest nicht jedes Mal wegsetzen, wenn du wieder mal fundamental anderer Meinung bist. Entweder du hältst Widersprüche aus oder du ziehst dahin, wo alle das Gleiche denken und jeder zur unwidersprochenenen Klasse gehört. In vielen Echokammern – in Berlin auch Stadtteile genannt – ist das übrigens nicht schwer. Kaum ein Ort ist so homogen und gleichdenkend wie etwa Kreuzberg.

Aber zurück zum Asterix-Comic und der Lehre daraus: Nachdem Visus-Versus und somit die große Politik in das kleine gallische Dorf eingedrungen ist und seine Heilslehren erfolgreich verbreitet hat, wird selbst Häuptling Majestix irgendwann depressiv. Und Asterix schmeckt selbst der Zaubertrank nicht mehr. Gut wird es erst, als die Gallier schließlich ihr Selbstbewusstsein zurückgewinnen und sich von der Obrigkeit befreien.

Unser Dorfleben und das Dorf von Asterix und Obelix haben vieles gemeinsam 

Im Grunde sind wir alle auch nicht anders als diese Gallier. Das Leben auf dem Dorf funktioniert deshalb deutlich besser als in vielen Städten, weil wir die Kirche im Dorf lassen, meinetwegen auch die Benin-Bronze. Egal welchem Herrscher die Außenministerin eine solche zurückgibt, der Zustand des Friedhofs oder die Diskussion um das Straßenbegleitgrün ist deutlich bedeutender, um das eigene Umfeld individuell angenehm zu gestalten. Die Frage, wie gut der Dorfarzt ist und vor allem wie weit er entfernt ist, betrifft das Leben der Menschen eben tatsächlich und existenziell. Und genau darum sollten wir auf dem Dorf auch viel selbstbewusster auftreten. Denn wenn besagter Dorfarzt wegbricht, ist meist eben kein Ersatz da. Und genau dafür ist die Kommunalpolitik und an erster Stelle der Bürgermeister eines Dorfes verantwortlich. Die wahre Weltpolitik rückt im Zeitalter der Globalisierung zwar immer näher an uns ran, wichtiger wird sie dadurch aber im Vergleich zur zweckentfremdeten Sporthalle im Ort nicht. Vermutlich auch ein Grund, warum Kommunalpolitiker gut daran tun, nicht jede Woche alle funktionierenden Strukturen neu auf den Prüfstand zu stellen. Zumal wir ehrlicherweise sagen müssen, dass diese Strukturen im Vergleich zur großen Politik noch funktionieren. Über die örtliche Feuerwehr wird kaum diskutiert, zu selbstverständlich ist, dass sie funktioniert und vor Ort alles für den bestmöglichen Erhalt getan wird. Wenn ich bei mir im Ort ins Rathaus gehe, bekomme ich, was ich brauche. Bei Diskussionen über Terminnot in Großstädten kann ich regelmäßig nur den Kopf schütteln. Wir tun also gut daran, weniger zu meckern, was es auf dem Land angeblich NICHT gibt. Wir tun besser daran, Dinge immer wieder ausfindig zu machen, erfinderisch zu werden, Gutes zu bewahren und nicht jedem, der uns von außen eine neue Heilslehre verkaufen will, auf den Leim zu gehen.

Mehr Selbstbewusstsein, satt mehr Weltverbesserer 

Weisen wir die „Weisen“ von oben in ihre Schranken, stellen wir die lokalen Bedürfnisse in den Mittelpunkt unserer Arbeit und machen wir uns weniger abhängig von den dogmatischen Spitzen in Berlin und anderswo und von den organisierten Meinungsmachern dieser Welt. Lieber gallisches Dorf als intollerante Weltverbesserer.