Gravierender Wandel in der Corona-Politik - Kanzler Scholz (hier mit Franziska Giffey nach den Beratungen mit den Ländern) verbreitet Optimismus
Gravierender Wandel in der Corona-Politik - Kanzler Scholz (hier mit Franziska Giffey nach den Beratungen mit den Ländern) verbreitet Optimismus
© imago

Beschlusspapier zum Download

Das große Umdenken in der Corona-Politik hat begonnen!

Größer könnte der Kurswechsel in der Corona-Politik kaum sein. Wer das Beschlusspapier für das Bund-Länder Treffen liest (liegt KOMMUNAL vor, Link im Text), der kann sich schon mal die Augen reiben. Es ist offenbar vorbei mit den apokalyptischen Prophezeihungen. Die Corona-Kehrtwende und die Auswirkungen - eine Analyse von Christian Erhardt.

Die Corona-Politik der vergangenen zwei Jahre war vor allem von Härte geprägt. Teils - so hatte auch ich an dieser Stelle immer wieder kritisiert - versuchte die damalige Bundesregierung ihre Unsicherheit mit Härte zu überspielen. Sieben Monate Dauer-Lockdwon, in denen von November bis April kaum sinkende Fallzahlen zu erkennen waren, zeugten davon. Und jetzt liegt KOMMUNAL das Abschlussdokument der Ministerpräsidentenkonferenz mit Kanzler Olaf Scholz vor und es findet sich kaum etwas, das das Wort "Verschärfung" auch nur annhähendernd rechtfertigen würde. Aber das hat gute Gründe: 

Die komplette Abkehr von der Corona-Politik und die Ursachen 

Omikron heißt die Antwort auf die Frage, warum selbst Mister Ober-Vorsichts-Warner Karl Lauterbach nahezu gelassen in die neue Runde geht. Von "ergänzenden Hinweisen" ist in dem Papier gleich zu Beginn die Rede, Wörter wie Lockdown oder Impfpflicht tauchen mit keinem Wort mehr auf. Wer das Papier liest hat eher den Eindruck, es geht darum, dass sich nun möglichst viele - vor allem Ungeimpfte anstecken sollen! Diese Politik fahren schon zahlreiche andere Länder. Die Gefahr, sich anzustecken steigt zwar, aber die Gefahr, auf der Intensivstation zu landen sinkt rapide. Kurzum: Hospitalisierung und Zahl der Toten haben sich entkoppelt. Gegenüber der Delta-Variante soll laut Forschungsergebnissen die Wahrscheinlichkeit, ins Krankenhaus eingeliefert werden zu müssen, um 50 Prozent gesunken sein. Genau in diese Richtung argumentieren inzwischen auch Forscher wie Christian Drosten von der Berliner Charite. Und dem trägt das Abschlussdokument von Bund und Ländern jetzt auch Rechnung. 

Die neuen Maßnahmen der Corona-Politik im Überblick 

Für die meisten Menschen und somit auch für die Kommunen vor Ort wird sich mit dem Beschluss wenig ändern. In den Mittelpunkt rückt die Politik die Booster-Impfungen. Geplant ist, dass Menschen, die geboostert sind, weniger Einschränkungen hinnehmen müssen, als Ungeimpfte. Davon zeugt etwa die einzige größere Änderung. Sie betrifft Bars und Restaurants. Ohne tagesaktuellen Test sollen nur noch "geboosterte" Zugang bekommen. Die sogenannte 2G Plus Regelung - sie verlangte bisher in vielen Einrichtungen etwa der Kultur meist auch von Geimpften einen tagesaktuellen Test, für "Geboosterte" würde diese damit künftig entfallen. 

Hierzu muss man aber sagen, dass die Bundesländer in ihrer Entscheidung, das umzusetzen frei sind. So gilt im Moment etwa in Sachsen und NRW 2G Plus auch in Fitness-Studios. Bisher müssen selbst Geimpfte dort einen tagesaktuellen Test nachweisen. Das könnte sich ändern, die Länder haben das aber selbst in der Hand. Sachsen etwa hat ebenfalls schon eine Wende in der Corona-Politik angekündigt. Ab dem 14. Januar sollen dort die Einschränkungen gelockert werden. Da offiziell die Krankenhausinzidenz ausschlagebend ist, war Sachsen im Zugzwang, denn die Hospitalisierungsrate hat dort die festgelegte Überlastungsstufe inzwischen wieder deutlich unterschritten. Im Ergebnis sollen in Sachsen Hotels, Theater und Kinos wieder unter Maßgabe von 2G Plus öffnen dürfen. Für Geboosterte ist dann auch kein Test mehr nötig. 

Kontaktbeschränkungen sind nicht mehr Mittelpunkt der Corona-Politik

Auffallend auch, dass es keinerlei neue Beschlüsse zu Kontaktbeschränkungen gibt. Die bisherige Regelung, dass private Zusammenkünfte von Geimpften und Genesenen mit maximal 10 Personen erlaubt sind, bleibt immerhin bestehen. Selbst beim Thema FFP2 Maske - sie war lange Zeit etwa in Bussen und Bahnen in vielen Bundesländern Pflicht - ist die Corona-Politik inzwischen deutlich milder. Das Beschlusspapier spricht nur noch von der Empfehlung einer FFP2-Maske, nicht aber von einer Pflicht. 

Ziel scheint die geordnete Durchseuchung zu sein 

Kurzum: Offenbar sind sich Wissenschaft und Politik einig, dass sich dank Omikron der Automatismus "Hohe Infektionszahlen = hohe Auslastung der Intensivstationen" nicht mehr stimmt. Geimpfte und Nicht-Geimpfte sind gleichermaßen Überträger der Krankheit. Nur ist beim Geimpften die Wahrscheinlichkeit eines milden Verlaufs sehr viel größer. 

Was übrigens nicht heißt, dass die Krankenhäuser nicht trotzdem voll laufen könnten. Nur ist es ein Unterschied, ob ein Patient ein Intensivbett benötigt oder auf der "normalen Krankenstation" wegen milder Symptome behandelt werden muss. In Südafrika etwa - dort sind fast 100 Prozent der Fälle Omikron - flacht inzwischen das Infektionsgeschehen insgesamt wieder deutlich ab - nachdem sich zuvor überproportional viele neu angesteckt haben. Die Todesrate sank aber rapide. 

Auffallend ist daher auch, dass das Wort "Impfpflicht" von kaum einem Politiker mehr offen in den Mund genommen wird. Denn juristisch lässt sich mit dieser neuen Situation die Begründung, es handle sich um eine "Pandemie der Ungeimpften" kaum noch mit Sicherheit behaupten. Das ist aber eine der wichtigsten Begründungen der Befürworter der Impfpflicht gewesen. Eigentlich sollte das Thema ja schon in der kommenden Woche erstmals im Bundestag debattiert werden - schon auffallend, wie viel Zeit man sich nun damit lässt und das Thema erst mal auf Ende des Monats verschoben hat...

Fazit: Die neue Ampel Regierung setzt wohl auf das Motto: "Mit Corona leben lernen". Und mehr noch: Es wirkt wie der Versuch einer geordneten Durchseuchung. Nach dem Motto: Möge sich der bereits Geimpfte doch anstecken, das wirkt wie ein Booster. 

HIER FINDEN SIE DEN ENTWURF ZUM 

BESCHLUSSPAPIER ALS PDF ZUM HERUNTERLADEN:

HIER IST DAS BESCHLOSSENE PAPIER IM WORTLAUT: