Festival Kultur im Zelt
"Kultur im Zelt" vor der Burgkulisse in Burghausen - im Sommer 2023 wurde das beliebte Festival erstmals als nachhaltige Veranstaltung durchgeführt.
© Hans Mitterer

Leitfaden

So werden Veranstaltungen nachhaltig

Bald beginnt wieder die Zeit der Veranstaltungen und der Feste im Freien. In Burghausen entsteht in Kooperation des städtischen Kulturamts mit der Hochschule vor Ort ein Leitfaden für nachhaltige kulturelle Veranstaltungen. Der erste Testlauf war ein Erfolg - von den Erfahrungen können auch andere Kommunen profitieren.

Nachhaltig Kultur genießen – das ist das Ziel eines spannenden Projekts in der Kulturstadt Burghausen. Weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt als Jazzstadt und Musikzentrum, hat man sich in Burghausen nun daran gemacht, die zahlreichen Veranstaltungen in der Region zunehmend noch nachhaltiger zu organisieren. Kernteam des Projekts ist eine Gruppe von Studierenden der Hochschule sowie städtische Mitarbeiter aus dem Bereich Kultur und Klimaschutz, die gemeinsam einen Leitfaden für die Praxis entwickeln.

Kultur Teil der Nachhaltigkeitsstrategie der Stadt

Schon seit einigen Jahren ist Nachhaltigkeit eines der Kernthemen in der Stadt Burghausen. 2022 schließlich wurden ein Nachhaltigkeitskonzepts beschlossen und zahlreiche Workshops und Projekte der Bürgerbeteiligung hierzu durchgeführt. „Um das Konzept möglichst breit aufzustellen, war es klarer Auftrag des Bürgermeisters, dass auch die einzelnen Fachabteilungen überlegen, wie Nachhaltigkeit besser umgesetzt werden kann“, sagt Birgit Reineke-Reiprich, die Leiterin des Kulturbüros der Stadt. Als sie beim Verein STADTKULTUR e.V. bei dem Burghausen Mitglied ist, schließlich von nachhaltig durchgeführten Veranstaltungen hörte, griff sie diesen Gedanken für Burghausen auf.

Kultur angesichts des Klimawandels

Kulturarbeit in Zeiten des Klimawandels – wie geht das? Und fast noch wichtiger: worauf haben wir Einfluss und worauf nicht? So lauteten die Ausgangsfragen, mit denen Reineke-Reiprich und ihre Kollegen in die Auseinandersetzung mit dem Thema gestartet sind. Dabei wurde schnell klar, dass manche Veranstaltungs-Parameter wie etwa die Bühnentechnik außerhalb des Einflussbereichs liegen und schlicht notwendig sind. „Deshalb haben wir den Fokus auf die Bereiche gelenkt, in denen es wirklich Gestaltungsspielraum gibt – konkret den Verkehr, die Ernährung und die Print-Werbung“, so die Mitarbeiterin. Als Kennwert für den Nachhaltigkeitsgrad einer Veranstaltung stand schnell der jeweilige CO2-Verbrauch fest. „Mehr Kultur, weniger CO2“ sollte folglich das Motto sein, durchexerziert anhand einer konkreten Veranstaltung.

Zusammenarbeit zwischen Stadt und Hochschule

Um diesen Ansatz auch wissenschaftlich begleiten und systematisch analysieren zu lassen, hat sich Reineke-Reiprich an den Campus Burghausen der Fachhochschule Rosenheim gewandt und Professoren und Masterstudierende der Fachrichtung Betriebswirtschaft für eine Kooperation gewonnen. Bis heute läuft die Zusammenarbeit und ist das gemeinsame Ziel die Entwicklung einer detaillierten Toolbox und darauf aufbauend eines Praxis-Leitfadens, der städtischen wie externen Veranstaltern eine Hilfe sein soll für mehr Nachhaltigkeit bei Veranstaltungen aller Art.

Festival „Kultur im Zelt“ als erster Testlauf

Um möglichst praxisnah und realistisch zu arbeiten, brauchte es laut Reineke-Reiprich einen „konkreten Anlass, um die Nachhaltigkeit spürbar nach außen hin zum Thema zu machen und zu testen, was sich umsetzen lässt“. Dieser wurde mit dem Festival „Kultur im Zelt“ gefunden, einem Musik-, Kabarett- und Artistik-Festival mit insgesamt zehn Veranstaltungen und rund 6.000 Besuchern mitten in Burghausen, das im Sommer 2023 nach zehnjähriger Pause wieder durchgeführt wurde. „Kultur im Zelt war für uns ein idealer Startpunkt. Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, den CO₂--Ausstoß bei diesem Festival so gering wie möglich zu halten und konnten gleichzeitig auch die Besucher über den Nachhaltigkeits-Gedanken informieren und sie konkret einbinden“, so Reineke-Reiprich.

Fahrradständer
Neue Fahrradständer auf dem Gelände sollten die Besucher zu einer Anreise mit dem Rad motivieren.

Verpflegung und Mobilität im Fokus

Im Einsatz für mehr Nachhaltigkeit im Kulturbereich haben das Kulturamt, die Klimamanagerin der Stadt, das Umweltamt und die Fachhochschule Rosenheim ein erstes Konzept für das Festival erarbeitet. Basierend auf den Erfahrungswerten des CO₂-Rechners des MODULAR Festivals Augsburg, laut dem die Bereiche Verpflegung und Mobilität für rund 80 Prozent des Treibhausgasausstoßes verantwortlich sind, standen auch in Burghausen diese beiden Felder im Fokus.

„Im Bereich Verpflegung haben uns die Caterer sehr unterstützt“, sagt Reineke Reiprich und so gab es neben den üblichen Festivalessen nun auch ein großes Angebot an vegetarischen und veganen Speisen sowie ausschließlich regionalen Getränke, begleitet von Hinweisplakaten mit detaillierten Informationen zur Herkunft der Lebensmittel und den CO2-Emissionen der einzelnen Speisen. Im Bereich der Mobilität warben die Veranstalter für eine klimafreundliche Anreise zum Veranstaltungsort, sorgten für eine gute Beleuchtung der Fußwege, stellten Fahrradständer auf und installierten einen kostenfreien Kulturbus. Auch in den weiteren Bereichen wurde auf Nachhaltigkeit gesetzt: Die Printwerbung wurde auf ökologischem Papier gedruckt, zudem verwendete das Festival zu 100 Prozent Burghauser Ökostrom und produzierte weniger Müll aufgrund der Verwendung von Mehrweggeschirr.

Fahrradrikscha
Eine andere Anreisemöglichkeit: die Fahrradrikscha.

Festivalbesucher befragen

Wie sind Sie angereist? Hätten Sie ein Problem damit, wenn es nächstes Jahr nur vegetarische Speisen gäbe? Haben Sie weitergehende Vorschläge, um die Treibhausgas-Bilanz des Festivals zu verbessern? Diese und weitere Fragen wurden den Festivalbesuchern gestellt. „Wir wollten das Thema Nachhaltigkeit auch direkt zu den Bürgern bringen, ihre Meinung erfahren und mit ihnen ins Gespräch kommen“, so Reineke Reiprich. Beim Festival sei dies erfolgreich gelungen und die Rückmeldungen der Bürger sind für das Projektteam wichtige Anhaltspunkte für die Zukunft. So bewerteten die Gäste etwa das gemischte Speisenangebot von vegetarischen und veganen Gerichten sowie klassischer Steaksemmel positiv und wünschten eine Fortführung davon in der Zukunft, aber keine Einschränkung des Angebots.

Infotafel
Tafeln auf dem gesamten Festivalgelände informierten die Besucher über Nachhaltigkeit

Motivation statt Zwang

„Als Stadt wollen wir zeigen, dass das Thema Nachhaltigkeit wichtig ist, aber auf keinen Fall jemanden zu einem bestimmten Verhalten zwingen“, betont Reineke-Reiprich. Dieser freiwillige Ansatz ist auch die Grundlage für die aktuelle Erarbeitung eines Praxispapiers, das in Folge gleich einer Checkliste bei jeder städtischen Veranstaltung verwendet werden kann und darüber hinaus auch an externe Veranstalter ausgegeben werden wird.

Für mehr Nachhaltigkeit in der Praxis

Noch wird das Praxis-Papier in Burghausen ausgearbeitet, doch schon jetzt gibt es auf Basis der Festival-Evaluierung durch die Hochschule verschiedene Anhaltspunkte, die auch für andere Kommunen hilfreich sein können, wenn diese eine Veranstaltung planen. Folgende Fragen können beim Bemühen um mehr Nachhaltigkeit helfen:

  • Welches Papier wird für die Einladungen, Flyer und Plakate verwendet? Kann auf Recyclingpapier umgestellt werden?
  • Wie kann dafür gesorgt werden, dass die Besucherströme emissionsarm zur Veranstaltung kommen und wieder nach Hause? Können öffentliche Verkehrsmittel verstärkt eingesetzt werden? Gibt es die Möglichkeit zur Bereitstellung von Leihfahrrädern und Shuttlebussen oder zur Organisation von Fahrgemeinschaften?
  • Wie können die Anfahrtswege und die Anzahl der Waren- und Materialanlieferungen insbesondere bei Großveranstaltungen optimiert werden?
  • Wie werden die Baumaterialien und die Teile der Innenausstattung nach Festivalende entsorgt? Gibt es eine Möglichkeit der Weiternutzung für andere Veranstaltungen, etwa durch Lagerung, Vermietung, Leasing oder Spenden?
  • Können wiederverwendbare, mindestens recycelbare Transportverpackungen genutzt werden, um Abfall zu vermeiden?
  • Welche Lebensmittel werden fürs Catering verwendet? Kann die Verwendung von saisonalen und umweltgerecht transportierten Lebensmitteln und hauptsächlich der Verzicht auf Ware aus beheizten Treibhäusern und Flugware vertraglich gesichert werden?
  • Werden für die Reinigung umweltgerechte Reinigungsmittel verwendet?
  • Sind die Mitarbeitenden über richtiges / energieeffizientes Lüften geschult?
  • Wie wird der Müll getrennt? Wo können Abfallinseln für getrennte Abfallsammlung, vor allem für die Fraktionen Papier, Biomüll, Glas und Leichtverpackungen aufgestellt werden? Und welche Beschriftung braucht es, damit die Trennkriterien verständlich sind (insbesondere bei internationalen Veranstaltungen)?

Arbeitsabläufe müssen neu durchdacht werden

Beim ersten Testlauf in Burghausen hat man laut Reineke-Reiprich die Erfahrung gemacht: „Eigentlich ist es gar nicht so viel aufwändiger, nachhaltig unterwegs zu sein, allerdings müssen neue Wege beschritten werden, die bisher nicht eingespielt sind und das kostet Zeit und manchmal auch Geld“. So gilt es, teilweise seit Jahrzehnten eingespielte und standardisierte Abläufe neu zu durchdenken und anders zu lösen. „Das ist erstmal herausfordernd und braucht den Willen zur Veränderung bei allen Beteiligten“, so die Kulturamts-Leiterin.

Beim „Kultur-im-Zelt“-Festival hat man das am deutlichsten im Bereich der Müllentsorgung gemerkt. „Bisher gab es da einfach große Container, die wurden am Festivalende von den Mitarbeitern des Bauhofs abgeholt und zur Müllverbrennungsanlage gefahren. Nun haben wir sehr auf Mülltrennung geachtet und viele gelbe Säcke am Festivalgelände verteilt. Diese müssen am Ende natürlich auch extra entsorgt werden und das läuft nicht automatisch“. Darüber hinaus führt mehr Nachhaltigkeit meist auch zu etwas höheren Kosten, wie Reineke-Reiprich feststellt. Flyer und Plakate auf Recycling-Papier kosten etwa 20 Prozent mehr und auch eine „Leberkas-Semmel für einen Euro“ sei nicht mehr tragbar, wenn man faire Essenspreise und regionale gute Produkte möchte. Seitens der Bürger würden die etwas höheren Preise aber bislang mitgetragen, schließlich sind die Gründe nachvollziehbar. Dies hat auch die Besucher-Befragung deutlich gezeigt, bei der der Grundtenor lautete: „Für mehr Nachhaltigkeit, aber gegen restriktive Vorgaben“.

Infos zum Verein STADTKULTUR hier

Fotocredits: Stadt Burghausen