Nachhaltigkeit Symbolbild Menschen tragen die Erdkugel
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Studie

Wie nachhaltig kann Deutschland werden?

Wie können die Menschen bei dem Ziel mitgenommen werden, Deutschland zukunftsfähig und klimaneutral zu gestalten? Eine neue Studie gibt darüber Auskunft. Sie untermauert: Klimaschutz kann nur dann umgesetzt werden, wenn die Menschen die Maßnahmen mittragen. Eine der Erkenntnisse der vom Institut für Zukunftspolitik in Auftrag gegebenen forsa-Studie: Die ökologische Debatte als reine Verzichts-, Verbots- und Verlust-Debatte zu führen, bringt keinen Erfolg.

Die Menschen in Deutschland haben große Zukunftsängste. Sie sorgen sich angesichts der Krisen und Herausforderungen vor einer Überforderung der Politik. Diese Angst steht bei 80 Prozent der für die Studie Befragten an erster Stelle. Was sind die Ursachen für diese pessimistische Sicht? Und was kann Politik tun, damit eine Zukunft der Nachhaltigkeit möglich wird? Die vom Institut für Zukunftspolitik in Auftrag gegebene forsa-Studie wurde, legt offen: Die ökologische Debatte als reine Verzichts-, Verbots- und Verlust-Debatte zu führen, bringt Deutschland nicht weiter. Doch es gibt Wege, die Deutschen mitzunehmen bei der anstehenden Transformation. Die Ergebnisse der Studie werten die Auftraggeber insgesamt positiv. Ihr Fazit: Eine große Mehrheit der Bundesbürger ist bereit für eine nachhaltige Zukunft.

Studie im Auftrag des Zukunftsinstituts

Die Kurzstudie soll eine aktuelle Bestandsaufnahme sein  - und ein Beitrag für eine aufgeklärte Debatte über die Zukunft Deutschlands. Dafür wurden im Mai dieses Jahres vom Meinungsinstitut forsa 1503 Interviews mit Bürgern ab 18 Jahren geführt, zehn Teilnehmer wurden einzeln interviewt, dazu kamen neun Einzelinterviews mit Vertretern aus der Politik, der Wissenschaft und dem unabhängigen und überparteilichen think Tanks, der Denkschmiede des Instituts für Zukunftspolitik re:republik. Gegründet wurde das Institut von dem Zukunftsforscher Daniel Dettling.

Was erwarten die Bürger vom Staat?

In Einzelinterviews wurde von Bürgern die Erwartung formuliert, dass der Staat die Weichen für eine nachhaltige Zukunft stellt und dafür die Rahmenbedingungen schafft. Das Leben soll bezahlbar bleiben, die Inflation bekämpft werden und der Staat soll ausreichend in Wohnungsbau, Infrastruktur, Bildung und ein gutes Gesundheitssystem investiert wird. Fast 90 Prozent (88 Prozent) der Bundesbürger sind nach der repräsentativen Bevölkerungsbefragung der Ansicht, dass jeder Einzelne zumindest „etwas“ zur Entwicklung und Veränderung in unserer Gesellschaft beitragen kann. Welche Einflussmöglichkeiten hat der einzelne Bürger? Dabei werden nicht nur politisches Bewusstsein, Engagement und die Teilnahme an Wahlen genannt, sondern vor allem ein respektvolles Miteinander und ein gesellschaftliches und soziales Engagement im Alltag.

Die spannenden Ergebnisse zusammengefasst:

- Die große Mehrheit der Bundesbürger sieht der Zukunft Deutschlands (72 Prozent) und der Welt (79 Prozent) eher mit Sorge als mit Zuversicht entgegen.

 - Bei den Zukunftssorgen steht die Sorge der Bürger vor der Überforderung der Politiker an erster Stelle. Danach folgen Themen wie soziale Ungleichheit, Kriegsgefahr und Gesundheits- und Pflegesystem (78 Prozent), Inflation und hohe Preise (75 Prozent), schlechte Schulen (72 Prozent), unsichere Renten (69 Prozent). Es folgen Spannungen wegen Zuwanderung (65 Prozent) und Klimakrise (63 Prozent). Jeder Zweite (50 Prozent) sorgt sich, dass Deutschland durch rechtsradikale Kräfte gefährdet wird.

- Die Verantwortung dafür, dass kommende Generationen in Deutschland leben können, sieht eine große Mehrheit beim Staat (71 Prozent), bei der Wirtschaft und den Unternehmen (42 Prozent) und bei den Bürgern mit 35 Prozent.

- Jeder Dritte ist der Ansicht, dass der Einzelne großen Einfluss auf die Entwicklung und Veränderung der Gesellschaft. Bei den Anhängern der AfD glaubt das nur knapp jeder Vierte.

- Knapp vier von zehn der Befragten (37 Prozent) können mit dem Begriff Nachhaltigkeit nichts anfangen. Wer doch, bringt den Begriff fast ausschließlich mit Umwelt und Ökologie in Verbindung.

- Was sind die Nachhaltigkeitsziele? Als prioritär werden genannt: ein gutes Bildungssystem (76 Prozent), ein gutes Gesundheitssystem (69 Prozent), die Bekämpfung von Armut und sozialer Ungleichheit (52 Prozent) sowie Umwelt- und Klimaschutz (48 Prozent).

- Das Ziel der Klimaneutralität halten 65 Prozent für sehr wichtig beziehungsweise wichtig, 34 Prozent hingegen halten das Ziel für weniger wichtig oder gar unwichtig. Damit Deutschland klimaneutral wird, werden technologische Innovationen für am wirkungsvollsten gehalten. 75 Prozent sagen das. Danach folgen staatliche Anreize und Förderung (63 Prozent), und individueller Konsumverzicht (51 Prozent). Staatliche Regulierungen und Verbote halten nur 26 Prozent für wirkungsvoll. Anders sieht es bei den Anhängern der Grünen aus. Dort sind 67 Prozent der Befragten für solche einschränkenden Maßnahmen.

- Eine große Mehrheit (74 Prozent) glaubt nicht, dass die meisten Menschen zu Veränderungen bereit sind.

- Mehr als zwei Drittel - 68 Prozent - können mit dem Begriff Soziale Nachhaltigkeit nichts anfangen. Am ehesten verbinden sie mit dem Begriff arbeitnehmerfreundliche Unternehmenskultur (18 Prozent), faire Bezahlung (9 Prozent), soziales Engagement (8 Prozent) und umweltfreundliches Wirtschaften (6 Prozent):

- Eine große Mehrheit hält die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse für grundsätzlich richtig (80 Prozent). Die Finanzierung der steigenden Kosten für die sozialen Sicherungssysteme sollen über Steuerzuschüsse (63 Prozent), eine stärkere Eigenbeteiligung (36 Prozent) sowie durch höhere Beiträge (22 Prozent) und neue Staatsschulden (12 Prozent) erfolgen.

Symbolbild Klimaschutz Hände Weltkugel

Sieben nötige Konsequenzen und Erfolgskriterien

- Ein "weiter So" ist der falsche Weg. Gefragt sind Visionen und nicht bloßes Verwalten.

- Die Transformation kann gelingen, wenn die in Gang gesetzten Veränderungen als positiv wahrgenommen werden und die Bürger das Gefühl haben, selbst mitwirken zu können.

- Treiber des Wandels sind nicht in erster Linie Verzicht und Verbote, sondern technologische Innovationen, politische Regularien und Anreize. Im Wechselspiel führen sie zu neuen politischen Mehrheiten.

- Notwendig sind Argumente und Aufklärung, die den konkreten Nutzen für die Menschen in den Mittelpunkt stellen. Abstrakte Begriffe und Slogans wie "grüne Gründerzeit" und "nachhaltiges Wachstum" helfen nicht.

- Das Konzept der Nachhaltigkeit enthält ein altes Zukunftsversprechen: "Wir hinterlassen den eigenen Kindern und Enkelkindern einen Planeten, auf dem sie ein gutes Leben führen können."

- Die Zukunft der Nachhaltigkeit entscheidet sich im Dreieck aus ambitioniertem Klimaschutz, sozialer Gerechtigkeit und ökonomischer Wettbewerbsfähigkeit.

Klimaschutz Grafische Darstellung mit Menschen

Warum Deutsche den Politikern wenig zutrauen

Zu Wort kommen in der Studie Politiker und Wissenschaftler. Sie ordnen die Ergebnisse ein.  Als Ursache für die gefühlte Überforderung der Politik werden konkrete Alltagserfahrungen der Menschen gesehen: Eine als schlecht empfundene Infrastruktur, zu lange Genehmigungs- und Bauzeiten oder ein Mobilfunknetz, das schlechter sei als in manchen Entwicklungsländern. Ein Wirtschaftsethiker kritisiert die politische Selbstblockade: "Wir haben kein Diagnoseproblem, wir haben einen Mangel an Fähigkeiten und Kompetenzen, unsere Probleme selbst zu lösen - und zwar parteiübergreifend von der Sicherheitspolitik über unsere Verschuldung bis zum Versuch einer nationalen Klimapolitik."

Eine befragte Landespolitikerin sieht in der wahrgenommenen Überforderung der Politik und der hohen Staatserwartung der Bürger einen gewissen Widerspruch und fordert eine neue Aufgabenteilung. Staat, Wirtschaft und Bürger müssen mehr Verantwortung übernehmen. Sie findet es ermutigend, wenn viele Bürger aber auch ihren Einfluss auf gesellschaftliche Veränderung hoch einschätzen. 

Drei Voraussetzungen für den Erfolg

Die Autoren der Studie verweisen auf ein internationales Forscherteam, das die Einstellungen der Menschen zum Klimaschutz in Deutschland und 19 anderen Ländern untersucht hat. Die Experten kamen zu dem Ergebnis: Ob Maßnahmen akzeptiert werden, hängt vor allem von drei Kriterien ab: Die Bürger müssen daran glauben, dass die Maßnahmen wirklich helfen. Sie müssen überzeugt sein, dass sie auch gut für ärmere Haushalte sind. Und sie müssen davon ausgehen können, dass sie selbst unter den Maßnahmen nicht allzu sehr leiden. Wichtig sind auch Visionen und positive Zukunftsbilder: Wie wollen wir leben? Und was können wir dafür tun?

Hier können Sie die Studie herunterladen.