In Walldorf dürfen Katzen ihre Wohnung nur noch an der Leine zum "Gassigehen" mit Frauchen oder Herrchen verlassen
In Walldorf dürfen Katzen ihre Wohnung nur noch an der Leine zum "Gassigehen" mit Frauchen oder Herrchen verlassen
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Katzen-Lockdown in Walldorf

Hausarrest für Katzen in der zweiten Runde

Artenschutz versus Tierschutz - in Walldorf im Rhein-Neckar-Kreis ist der umstrittene Katzen-Lockdown in die zweite Runde gegangen. Bis Ende August dürfen Hauskatzen die Wohnung der Herrchen und Frauchen nicht mehr verlassen. Grund ist eine Allgemeinverfügung des Landkreises. Der Bürgermeister von Walldorf und Tierschützer sind massiv dagegen - die Maßnahme aber rechtskräftig.

In Sachen Hausarrest für Katzen in Walldorf gibt es inzwischen sogar ein erstes Zwangsgeld. Anfang März bereits hatte das Landratsamt das Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro gegen einen Katzenbesitzer erlassen. Der Fall stammt allerdings schon aus dem vergangenen Jahr, so das Regierungspräsidium als höhere Naturschutzbehörde. Die Freigängerkatze habe sich wiederholt im Gefahrenbereich der im Süden von Walldorf lebenden Haubenlerche befunden. Seit wenigen Tagen gilt das Verbot nun erneut - dieses Mal bis Ende August. Aber der Reihe nach...

Hausarrest für Katzen - das ist der Grund für die Allgemeinverfügung des Landkreises 

Im Süden von Walldorf leben einige vom Aussterben bedrohte Haubenlerchen. Das hat bis zum Jahr 2013 niemanden gestört, bis in direkter Nähe zwischen dem Stadtzentrum und der SAP-Siedlung ein neues Wohngebiet entstand. Ein Umsiedlungsprojekt scheiterte und so zählten die Behörden im Jahr 2021 nur noch zwei Brutpaare der seltenen Vögel in dem Gebiet. Der Rhein-Neckar-Kreis sah sich daher zum Handeln gezwungen. Es erließ eine Allgemeinverfügung, wonach Katzen noch bis zum Jahr 2025 zwischen April und August nur unter strengen Auflagen das Haus der Frauchen und Herrchen verlassen dürfen. Die Ausnahmen laut der Allgemeinverfügung: Entweder das Anleinen der Katzen, also eine Art "Gassigehen" oder die Ausstattung der Tiere mit einem GPS-Sender. Mit dem Sender wiederum müssen die Halter dann nachweisen, dass die Katzen sich nicht in das Brutgebiet begeben. Sollte das doch passieren, müssen die Halter die Tiere dort sofort "einfangen". Insgesamt also wenig praktikabel, weshalb dem Landratsamt auch bisher nur zwei Anträge auf Befreiung vom Katzen-Hausarrest mittels GPS Tracker vorliegen. Außerdem sind die Tracker fast so groß wie ein kleines IPAD, die Tiere können sich damit nur schwer bewegen. 

Desbalb werden beide Varianten von Katzenhaltern und Tierschützern auch massiv kritisiert. Beim Hausarrest sprechen sie ohnehin davon, dass die Tiere einen "Lagerkoller" bekommen. Katzen müssten wahlweise durch eine solche Verordnung entweder aggressiv oder depressiv werden. In den sozialen Medien fragen Nutzer, ob Marder und Füchse jetzt auch "im Bau" bleiben müssen. Andere berichten schon wenige Tage nach Inkrafttreten der Verordnung von "blutenden Beinen durch die Freigeister". 

Hausarrest für Katzen - die Gerichte müssen entscheiden 

Das erste Zwangsgeld ist inzwischen erlassen - insgesamt liegen rund 40 Einsprüche gegen den Katzen-Hausarrest vor. Der Bürgermeister und der lokale Tierschutzverein waren im vergangenen Jahr noch zuversichtlich, die Allgemeinverfügung (wir haben Sie Ihnen am Ende des Textes im Original zum Herunterladen als pdf angehängt) auf dem Rechtsweg anfechten zu können. Inzwischen liegen die Hoffnungen auf einem Katzenbesitzer. Er ist inzwischen als direkt Betroffener gegen den Katzen-Hausarrest vor das Verwaltungsgericht gezogen. Zumindest für dieses Jahr kommt die Klage aber ohnehin zu spät. 

Der Deutsche Tierschutzbund macht ebenfalls weiter gegen den Lockdown mobil. "Wer Katzenschutz missachtet, der ist kein Tierschützer, nicht einmal Artenschützer" sagt etwa ihr Präsident Thomas Schröder. Beim Naturschutzbund Nabu heißt es: "Entscheidender Faktor für die Stabilität der Vogelpopulationen ist nicht die Zahl ihrer Feinde, sondern die Lebensraumqualität.“ Sofern es ausreichend Futter, Nist- und Versteckmöglichkeiten gebe, hätten Katzen kaum Auswirkungen auf das Ökosystem.

Zudem verweisen Tierschützer darauf, dass die Haubenlerche zwar in der Tat vom Aussterben bedroht ist. Allerdings haben Statistiken zufolge mehr als 95 Prozent aller Haubenlerchen in Deutschland ihr Brutrevier in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Im Rhein-Neckar-Kreis ist somit das Vorkommen solcher Tiere die absolute Ausnahme. 

Übrigens steht das Tier nicht nur bei Katzen sondern etwa auch bei Mardern, Elstern, Füchsen und Krähen auf dem Speiseplan. Füchse und Elstern sind in Walldorf daher nun auch zum Abschuss freigegeben. 

Das Landratsamt derweil fühlt sich in seiner Meinung bestätigt. Im ersten Katzen-Lockdown im vergangenen Jahr habe der Hausarrest mit dazu geführt, dass acht Jungtiere flügge geworden seien. 

Hausarrest für Katzen - das ist die Allgemeinverfügung im Original 

Besonders für Kritik sorgen einige Passagen in der Allgemeinverfügung des Kreises. Dort heißt es unter anderem wörtlich: "So kann der – temporäre – Freiheitsentzug u.a. zu einer erhöhten Unruhe und Aggressivität, zum Zerkratzen von Tür- und Fensterrahmen oder zur Beschädigung von Mobiliar sowie Unsauberkeit (Nichtnutzen der Katzentoilette) führen. Die Tiere können sich aber auch zurückziehen und depressiv werden und möglicherweise auch das Fressen verweigern."

An anderer Stelle empfiehlt die Allgemeinverfügung den Haltern, ihre Katzen während des Lockdowns doch in einer Tierpension außerhalb der Sperrzone unterzubringen. 

Wir stellen Ihnen die Allgemeinverfügung an dieser Stelle im Original zum Herunterladen zur Verfügung: