Flüchtlinge beim Sprachunterricht für die Integration
Sprachunterricht in Kommunen gehört zu den freiwilligen Aufgaben.
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Flüchtlinge

Studie: Integration soll zur kommunalen Pflichtaufgabe werden

Sollte die Integration für die Kommunen verpflichtend werden - was können sie leisten? Eine neue, jetzt vorgestellte Studie hat das untersucht. Eine Verpflichtung zur Integration könnte für die Städte, Gemeinde und Landkreise auch Vorteile haben, so das Ergebnis der Analyse. Zudem liefert die Studie einen Überblick über die Rolle des Bundes, der Ländern und der Kommunen bei der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen.

Bei der Integration von Flüchtlingen leisten die Städte und Gemeinden enorm viel. Sie sind zuständig für die Unterbringung von Asylsuchenden und müssen zusätzliche Kita- und Schulplätze bereitstellen. Doch noch ist die umfassende Integrations-Aufgabe rein rechtlich gesehen freiwillig. Ein Forscherteam an der Universität Hildesheim und Erlangen-Nürnberg hat jetzt untersucht, wie eine Pflichtaufgabe Integration für die Kommunen aussehen könnte - und ob sie überhaupt leistbar ist.

Integration als Pflicht für Kommunen statt "Saisonprodukt"

Dabei klingt einiges auch sehr provokant: Derzeit habe Integration in den Städten und Gemeinden „die Wertigkeit wie die Weihnachtsbeleuchtung“, zitiert das Autorenteam, die Migrationsforscher Boris Kühn und Hannes Schammann sowie Petra Bendel, einen Dezernenten einer Kommune. Die Autoren stellen in ihrer Studie heraus, wie wichtig die Kontinuität von Integration ist. Sie sei "kein Saisonprodukt, das sich mal eben an- und ausknipsen lässt". Derzeit sei die Situation so: Integration muss sich eine Kommune leisten wollen und können, so die Wissenschaftler. Das betreffe Deutschkurse, Migrationsberatung, die psychosoziale Versorgung sowie Arbeitsmarktprojekt.  Zu den freiwilligen Integrationsaufgaben der Kommunen zählen Deutschkurse, ergänzend zu den Integrationskursen, die Migrationsberatung, psychosoziale Versorgung, Beratung von Unternehmen, Arbeitsmarktprojekte, auch Schulungsangebote für die Verwaltung, Antirassismusarbeit und die Koordination des Ehrenamts.

Verpflichtung für Kommunen: die Vorteile

Die Experten warnen: "Wird eine aktive Integrationsarbeit nur dann als kommunale Aufgabe begriffen, wenn es die lokale Stimmung opportun erscheinen lässt, bleiben Teilhabe und Zusammenhalt weitgehend dem Zufall überlassen.“ Außerdem bestehe die Gefahr, dass die Träger für die Pflichtaufgaben der Integrationsmaßnahmen, die Bund und Länder finanzieren, und freiwillig Engagierte aneinander vorbeiarbeiten. Doppelstrukturen seien programmiert. Würden Integration zur Pflichtaufgabe werden, würden  einheitlichere Strukturen die bisher unübersichtliche Integrationsförderung und Integrationsarbeit von Ländern und Kommunen übersichtlich und transparent gemacht. Für die Studie führten die Experten unter anderem 28 leitfadengestützte Interview mit 32 Experten und Expertinnen durch - überwiegend Integrationsfachleute, die in Kommunen, Ländern, dem Bund und kommunalen Spitzenverbänden tätig sind.

Wie ist die Integration derzeit rechtlich geregelt?

Der Bund ist vor allem verantwortlich für die Gesetzgebung in integrationsrelevanten Bereichen, etwa das Staatsangehörigkeitsrecht, das Asylrecht und das Aufenthaltsrecht und das Asylbewerberleistungsgesetz. Das Zuwanderungsgesetz von 2005 enthält Maßnahmen, die als Kernaufgaben der Integration benannt und lokal wirksam werden, wie das Aufenthaltsgesetz und das Asylbewerberleistungsgesetz. Das Zuwanderungsgesetz von 2005 enthält Maßnahmen, die als Kernaufgaben der Integration benannt und lokal wirksam werden. Der Bund wird selbst vor Ort tätig, beziehungsweise fördert die Arbeit freier Träger - zum Beispiel bei Integrationskursen.

Die Bundesländer haben im Bereich der Integration weitreichende Spielräume, die sie sehr unterschiedlich nutzen, so die Verfasser der Studie. Auch wenn die Kommunen am Ende die größte Integrationsleistung vollbringen müssen, so seien die Länder mehr als nur Mittler. Gerade die Gestaltung und Finanzierung von unmittelbaren Integrationsaufgaben jenseits der bundesgesetzlich vorgegeben Aufgaben sei nicht ohne aktives Zutun der Länder vorstellbar, ihre Rolle würde unterschätzt. 

Und die Kommunen? Sie gelten seit jeher als Orte der Integration. Wenn Kommunen in den Debatten Zweifel an der eigenen Verantwortung anmelden, dann liege das vor allem daran, dass sie die Ressourcen dafür nicht haben. Zu den Pflichtaufgaben der Kommunen gehören die Bereiche Aufenthalt, Staatsangehörigkeit, unbegleitete Jugendliche. Nur Hessen und Rheinland-Pfalz sind Kommunen mit mehr als 1000 nicht-deutschen Einwohnern dazu verpflichtet, Integrationsbeiräte einzurichten, in Nordrheinwestfalen sind solche Beiräte in Kommunen ab 5000 nicht-deutschen Einwohnern vorgeschrieben. Im Saarland werden Kommunen mit einem Ausländeranteil von mehr als zehn Prozent mit einer "Soll-Vorschrift" dazu angehalten, einen entsprechenden Beirat oder Ausschuss einzurichten. In den Bundesländern mit einer "Kann-Vorschrift" seien die Migrationsbeiräte kaum auf Kreisebene eingesetzt. In Bayern und Baden-Württemberg sind Integrationsbeiräte vielfach auf Gemeindeebene vorhanden. Hessen und Nordrhein-Westfalen sind deutschlandweit Spitzenreiter bei Integrationsbeiräten auf Gemeindeebene. In Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen verfügen mehr als die Hälfte der Landkreise eigene Integrationsbeiräte, in Hessen immerhin ein Dritte, so die Ergebnisse der Studie.

Vorbildliches Förderprojekt zur Integration in NRW

Als Vorbild wird das Förderprogramm „Kommunales Integrationsmanagement“ (KIM) in Nordrhein-Westfalen genannt, mit dem Menschen von „der Einreise bis zur Einbürgerung“ begleitet werden. „Eine Fallberatung ließe sich an einen individuellen Rechtsanspruch koppeln, wodurch eine Pflichtaufgabe mit hoher Verbindlichkeit entstünde. Als Anknüpfungspunkt schlagen sie die im November 2023 ausgehandelte „Kopfpauschale“ für Geflüchtete vor. Dabei geht es um einen Sockelbetrag von bundesweit einer Milliarde Euro für die Unterbringung und Versorgung der Menschen. Dieser Betrag könne erhöht werden, um „zusätzlich auch nachhaltige Strukturen kommunaler Integrationsarbeit aufzubauen bzw. abzusichern“, heißt es in der Studie.

Kommunale Integrationsexperten fordern stabile Strukturen

In den Interviews, die für die Studie geführt wurden, verwiesen die Gesprächspartner, dass die Kontinuität und Planbarkeit der lokalen Integrationsarbeit erschwert seien. Sie bräuchten Personal, das nicht nur befristet eingesetzt sei und eine dauerhafte Finanzierung kommunaler Integrationsmaßnahmen - etwa durch feste Budgets. "Vor diesem Hintergrund sind Forderungen an eine übergreifende Pflichtaufgabe im Integrationsbereich auch mit der Hoffnung verbunden, Strukturen zu sichern", so die Studienverfasser. Als freiwillige Aufgabe liefe Integrationsarbeit Gefahr, zurückgefahren oder gar komplett eingestampft zu werden. Zumindest aber müssten Kommunalvertretungen abwägen zwischen Integrationsarbeit und anderen freiwilligen Aufgaben wie dem Betrieb von Schwimmbädern - mit unklarem Ausgang.

Fazit der Forscher: Eine Integrationspflicht für Kommunen sei kein Allheilmittel, wenn das Land dann aber den Kommunen zusätzliches Geld im Rahmen der Konnexität zur Verfügung stellt, könnten Personalstellen unbefristet eingerichtet werden, was Planungssicherheit schaffe.