Nicht alle Gesundheitsämter arbeiten mit Sormas
Das Programm Sormas zum Pandemiemanagement wird nicht in allen Gesundheitsämtern genutzt.
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Corona-Bekämpfung

Sormas-Verweigerung: Gesundheitspolitiker droht Kommunen mit Sanktionen

Inzwischen haben 295 der rund 400 Gesundheitsämter in Deutschland das vom Bund geförderte Programm Sormas installiert. Doch nur wenige von ihnen nutzen sie auch. Die Software soll den Datenaustausch in der Corona-Pandemie bundesweit ermöglichen und die Kontaktnachverfolgung erleichtern. Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag, Erwin Rüddel, will nun, dass die zögerliche Verwendung Konsequenzen hat. "Wenn die Kommunen Sormas nicht einsetzen, dann sollten die betroffenen Gesundheitsämter auch keine weitere finanzielle Unterstützung mehr vom Bund bekommen", sagte er zu KOMMUNAL.

Die Ansage klingt brachial: Nur noch Geld, wenn die Gesundheitsämter endlich die vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI), entwickelte und vom Bund geförderte Software Sormas nutzen? Erwin Rüddel, der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag, scheint es durchaus ernst mit seiner Forderung zu meinen: Wenn die Kommunen die Vorteile von Sormas nicht einsetzen, dann sollten die betroffenen Gesundheitsämter auch keine weitere finanzielle Unterstützung mehr vom Bund bekommen. "Weitere Finanzierungszusagen sollten an die Verwendung von Sormas geknüpft werden" betonte Rüddel gegenüber KOMMUNAL. Der Gesundheitspolitiker zeigt sich davon überzeugt: "Wir wären schon viel weiter, wenn die Kommunen das Programm nicht nur herunterladen, sondern auch noch nutzen würden."

 Alle Gesundheitsämter sollten Sormas-ÖGD anwenden

Die "Sormas-ÖGD"  ist eine spezialisierte Version zum Kontaktpersonenmanagement im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) in der Corona-Pandemie. Das Programm soll die Gesundheitsämter darin unterstützen, die Kontaktpersonen zu identifizieren und in Hinblick auf die Quarantänebestimmungen zu kontrollieren. Bund und Länder hatten bei einem Corona-Gipfel mit Bundeskanzlerin Angela Merkel  im vergangenen Herbst beschlossen, dass alle rund 400 Gesundheitsämter mit dem vom Helmholtz-Institut entwickelten Programm arbeiten sollen. Aktuell haben 295 der Gesundheitsämter Sormas zwar installiert, doch weitaus weniger wenden sie auch an.

Erwin Rueddel Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Bundestag

Seit einem halben Jahr wirbt der Bund für den Einsatz von Sormas, doch die Kommunen lassen uns am langen Arm verhungern."

Erwin Rüddel, Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Bundestag

Rechtlich habe der Bund keine Handhabe, das Programm durchzusetzen. Dabei erhoffe er sich davon eine wesentliche Verbesserung bei der Nachverfolgung der Kontakte im Fall einer Corona-Infektion. "Das Programm Sormas stellt die dringend notwendige Vernetzung zwischen den Gesundheitsämtern, den Ländern  und dem bundeseigenen Robert-Koch-Institut sicher", sagte Rüddel. Sormas sei auch die Basis, um beispielsweise die neue Corona-App Luca nutzen zu können. "Luca" macht das Ausfüllen von Adressbögen überflüssig, es wird nur ein QR-Code verwendet. Die App könnte die bisherige Zettelwirtschaft ablösen und macht  die Kontaktnachverfolgung, etwa nach einem Restaurant- oder Konzertbesuch einfacher. "Seit einem halben Jahr wirbt der Bund für den Einsatz von Sormas, doch die Kommunen lassen uns am langen Arm verhungern", so Rüddel weiter zu KOMMUNAL.

Der Bund habe nicht nur die Entwicklung von Sormas finanziert, er sorge auch personell dafür, dass das Programm installiert wird, wirbt Rüddel für das Programm. Auch die Schulung der Mitarbeiter werde vom Bund bezahlt  "Innerhalb von nur zwei Tagen kann alles umgesetzt werden", zeigt  sich der Gesundheitsexperte überzeugt.

Kommunen: Umstellung auf Sormas zu aufwendig

Viele Kommunen sehen das anders. Sie argumentieren, dass die Umstellung auf Sormas zu aufwendig sei. "Wir müssten alle 140 Mitarbeiter jetzt komplett umschulen, alle Prozesse neu anpassen, das ist im Moment einfach nicht durchführbar", sagte Stephan Ott, Leiter des Krisenstabs des Kreises Rendsburg-Eckernförde (Schleswig-Holstein) jüngst dem NDR. Daher arbeite der Landkreis lieber mit einer selbst entwickelten Datenbank, die an die eigenen Bedürfnisse angepasst worden sei. Auch im Landkreis Plön betont eine Sprecherin der Verwaltung: "Das Gesundheitsamt des Kreises Plön war und ist unabhängig von Sormas softwaremäßig gut ausgerüstet, da die bereits vorhandene Software-Lösung auf die Anforderungen der Pandemiebewältigung angepasst wurde."

Erwin Rüddel kritisiert unterschiedliche Software-Systeme in Pandemie

Genau dieses Flickwerk kritisiert Rüddel: "Im  Laufe der Pandemie ist ersichtlich geworden, dass vielfach unterschiedliche  Software-Lösungen eingekauft wurden und die Systeme nicht untereinander kompatibel seien, führt er dagegen an.

Digitalisierung war fast ein Fremdwort in deutschen Gesundheitsämtern - bis zur Corona-Pandemie. Dabei hatten der öffentliche Gesundheitsdienst immer wieder auf den Modernisierungsstau und fehlendes Personal aufmerksam gemacht, weitgehend vergebens. Inzwischen investiert der Bund kräftig: Über den sogenannten ÖGD-Pakt will er den Gesundheitsdienst mit 4 Milliarden Euro stärken. Das Geld ist für Personal, Digitalisierung und moderne Strukturen gedacht. "Es war dringend notwendig, dass die Ämter mehr Personal bekommen und dieses auch besser bezahlen können", unterstreicht der Gesundheitspolitiker. "Vor allem kann jetzt die Digitalisierung vorankommen."

Gesundheitsdienst soll nach Pandemie mehr Präventionsarbeit leisten

Rüddel spricht sich dafür aus, den öffentlichen Gesundheitsdienst weiter zu stärken. "Doch dies darf keine Einbahnstraße sein", appelliert er an die Kommunen. Aus seiner Sicht ist es nicht notwendig, ein Bundesgesundheitsamt - wie es das bereits gab -  zu schaffen. Vielmehr gehörten die örtlichen Strukturen gestärkt und die digitale Vernetzung untereinander ermöglicht. 

"Der Öffentliche Gesundheitsdienst hat in den vergangenen Jahren zu Unrecht ein Schattendasein geführt", sagte Rüddel. "Er wurde jahrzehntelang von den Ländern ausgehungert, weil man ihm nicht die Bedeutung zugemessen hat, die er verdient." Nach der aktuellen Corona-Pandemie dürfe der ÖGD nicht wieder in seiner Bedeutung fallen, warnt er. "Der öffentliche Dienst soll verstärkt Präventionsaufgaben übernehmen, wie das auch in früheren Jahren üblich war", schlägt Rüddel vor.  "Das muss der Bund dann auch mitfinanzieren." Das Know-how, das der ÖGD sich in der Corona-Pandemie erworben habe, könne er in vielen Bereichen einsetzen - etwa bei Impfkampagnen."

Für den Gesundheitspolitiker steht eins fest: "Wenn die Inzidenzen über 50 pro Woche bei 100.000 Einwohnern steigen, dann ist mit herkömmlichen analogen Mittel eine Kontaktnachverfolgung über die Gesundheitsämter kaum noch möglich." Solange Sormas nicht von den Kommunen genutzt werde, erschwere das die Bekämpfung der Pandemie. Die Installation sei auch wichtig für eventuelle künftige Pandemien.

Sormas zur Eindämmung von Ebola entwickelt

Das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI), hatte Sormas  im Zuge der westafrikanischen Ebola-Epidemie entwickelt.  Mittlerweile wurde das Programm nach Angaben des Instituts für weltweit mehr als 270 Millionen Menschen genutzt.  In Europa wird Sormas neben Deutschland vor allem in der Schweiz und Frankreich eingesetzt. Derzeit kann die Software zum Management von 37 Infektionskrankheiten eingesetzt werden, heißt es. Das HZI ist auch für das Datenschutzkonzept verantwortlich.