Die Kommunenvertreter waren - wie traditionell jedes Jahr im Januar - zu Gast in der Bundespressekonferenz in Berlin, um ihren Ausblick vorzustellen
Die Kommunenvertreter waren - wie traditionell jedes Jahr im Januar - zu Gast in der Bundespressekonferenz in Berlin, um ihren Ausblick vorzustellen
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Ausblick auf das Jahr 2024

Ohne Kommunen ist kein Staat zu machen

Angesichts immer größerer Finanzlöcher schlagen Deutschlands Kommunen Alarm. Vor allem die Sozialkosten explodieren. Auch in Sachen Migration und kommunaler Wärmeplanung sehen die Kommunen mehr Schatten als Licht am Horizont. Bilanz und Ausblick!

Er ist das neue Gesicht der deutschen Kommunen. André Berghegger ist seit dem 1. Januar neuer Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Der frühere Bürgermeister von Melle in Niedersachsen hat das Amt von Gerd Landsberg übernommen, der dem Städte und Gemeindebund seit mehreren Jahrzehnten vorstand. Was er bei seinem ersten Ausblick auf das Jahr 2024 im Gepäck hatte, dürfte vielen Bürgermeistern und Kommunalpolitikern in Deutschland aus dem Herzen sprechen, aber gleichzeitig die Sorgenfalten ins Gesicht tragen. 

Pro Minute fehlen Deutschlands Kommunen satte 19.000 Euro"

Uwe Brandl, Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes

10 Milliarden Minus und Kommunen, die nicht mal mehr ihre Pflichtaufgaben erfüllen können 

"Allein die Sozialkosten der Kommunen haben sich seit dem Jahr 2005 mehr als verdoppelt auf jetzt über 70 Milliarden Euro", nannte der Präsident des Städte- und Gemeindebundes, Uwe Brandl, bis vor kurzem selbst Bürgermeister einer Kommune in Bayern, aktuelle Zahlen. Daher müsse jedes beschlossene Gesetz von Bund und Ländern auf seine Effektivität hin überprüft werden und auch die Kosten genau berechnet werden. Es könne nicht sein, dass der Bund Geschenke verteile und die Kommunen diese dann zahlen müssten. Größte Kostenblöcke seien neben dem Bürgergeld inzwischen die Eingliederungshilfe und die Jugendhilfe. Er warnte davor, Leistungsversprechen zu machen, ohne aufzuzeigen, wie diese finanziert werden sollen.

"Bund und Länder suggerieren gerne Leistungsversprechen, die überhaupt nicht einlösbar sind. Solche Dinge sind völlig aus der Zeit gefallen", so Brandl. Unterm Strich erwartet er in diesem Jahr ein Defizit von 10 Milliarden Euro für die Kommunen. Brandl machte es plastisch: "Pro Minute fehlen Deutschlands Kommunen satte 19.000 Euro.. Minute für Minute steigt die Summe. Das Ergebnis sind bröckelnde Infrastruktur und stockende Investitionen." 

Der neue Hauptgeschäftsführer André Berghegger machte die Lage vieler Kommunen mit klaren Worten deutlich: "Wenn ich kein Geld mehr habe und deshalb als Kommune nicht mehr gestalten kann, ist das sehr problematisch. Wenn ich aber nicht mal mehr meine Pflichtaufgaben erfüllen kann, dann ist das desaströs", so Berghegger. 

Der Staat muss sich auf Kernaufgaben konzentrieren, Sparpotential ist vorhanden 

Eine Entlastung der Kommunen sei dringend nötig und unterm Strich auch an vielen Stellen sinnvoll, so der Kommunenverband. Als Beispiel nannte Berghegger die Herausforderungen in der Flüchtlingspolitik. "Eine Verteilung auf die Kommunen macht erst Sinn, wenn klar ist, dass jemand auch eine wirkliche Bleibeperspektive hat", so Berghegger. Nur dann seien Integrationsmaßnahmen sinnvoll anwendbar und die Kommunen könnten sich auf diese Personen konzentrieren. Bis zur Klärung, wie hoch die Bleibeperspektive ist, müssten Flüchtlinge und Asylbewerber daher in den Erstaufnahmezentren der Länder oder auch des Bundes untergebracht werden. 

Gleichzeitig wehrten sich die Kommunenvertreter gegen eine Lockerung der Schuldenbremse. "Wir werden alle fünf Minuten neue Gründe finden, wie aktuell beim Thema Hochwasser, um die Schuldenbremse für sinnvolle Maßnahmen zu lockern", so Präsident Brandl. Das helfe auf Dauer aber nicht weiter. "Wir müssen mit dem Geld haushalten, das wir haben", so Brandl.

Kommunale Wärmeplanung - Fristen sind völlig unrealistisch

Graue Theorie als Grundlage für Gesetze warf der Städte- und Gemeindebund auch der Bundesregierung vor. Die kommunale Wärmeplanung sei in dem engen Zeitfenster überhaupt nicht zu stemmen. "Auch hier gibt der Bund den Bürgern wieder Leistungsversprechen, die er nicht halten kann", so Brandl. Es werde mitnichten so sein, dass die Kommunen bis Mitte des Jahres 2026, beziehungsweise in kleineren Städten bis Mitte des Jahres 2028 fertige Pläne haben. "Das ist nicht machbar, dafür brauchen die Kommunen externe Büros, das Know-how ist in den meisten Kommunen intern gar nicht vorhanden. Wenn nun 11.000 Kommunen zeitgleich entsprechende Fachleute beauftragen, von denen es ohnehin viel zu wenige gibt, dann kann das nicht funktionieren", so Brandl. Schon bei der Auftragsvergabe würden viele Kommunen scheitern. Und das gelte erst recht, wenn es dann in die Umsetzungsphase geht. "Die Fristen sind viel zu starr, eine seriöse deutschlandweite Planung dauert deutlich länger", so Brandl.