Der Wahlzettel in einigen Berliner Wahlbezirken ist aufgrund der Teil-Wiederholung häufig kurios
Der Wahlzettel in einigen Berliner Wahlbezirken ist aufgrund der Teil-Wiederholung häufig kurios

Wahlrecht Aktuell

Kuriose Wahlwiederholung: Ex-Bürgermeister steht als amtierender Bürgermeister auf dem Wahlzettel

Wer in diesen Tagen die Hauptstadt besucht, findet an den Straßenlaternen der Stadt kuriose Situationen vor. In einigen Straßenzügen hängen Wahlplakate, danach ist wieder entlang der Hauptstraßen kein einziges Plakat zu sehen. Bürgerinnen und Bürger, die seit der Wahl im vergangenen Jahr umgezogen sind, erleben ebenfalls kuriose Situationen. Ein Überblick!

"Mehr als 10.000 Berliner Bürger verlieren bei der Wahlwiederholung ihr Stimmrecht". Das ist nur eine von vielen Schlagzeilen, die in diesen Tagen in Berliner Zeitungen zu lesen ist. Hintergrund: In 455 der insgesamt knapp 2300 Wahlbezirke muss die Bundestagswahl wiederholt werden. Etwa jeder sechste Berliner ist somit betroffen. Wahlwiederholung bedeutet aber, dass der Zustand der Original-Wahl im September 2022 gilt. Und dieses einmalige Vorgehen führt zu vielen kuriosen Situationen, die aber im Wahlgesetz festgeschrieben sind. Da heißt es: „Wahlberechtigt bei der Teil-Wiederholungswahl sind diejenigen, die einen Wohnsitz in einem von der Wiederholungswahl erfassten Berliner Wahlbezirk haben.“ Das heißt: Es wird nicht das Wahlverzeichnis der letzten Wahl genommen, denn auch das würde zu Ungerechtigkeiten führen. Und so verlieren zwar einige Menschen ihr Stimmrecht, aber die Stimme war - so sagen Juristen zur Begründung - ja trotzdem in den vergangenen zwei ein halb Jahren wirksam. Denn die Teil-Wiederholung der Wahl führt ja nicht dazu, dass Entscheidungen des Bundestages rückgängig gemacht werden müssen. Insgesamt dürfte die Wiederholung  - auch bei deutlich anderem Wahlergebnis - die Zusammensetzung des Bundestages kaum verändern. Einzig einige Direktkandidaten müssen um ihren Wiedereinzug bangen. Auswirkungen auf die Fraktionsstärken und die Regierungsmehrheiten hat das aber nicht. 

Was die Teil-Wiederholung für die Parteien bedeutet 

Einzelne Personen müssen derweil schon bangen beziehungsweise sie können hoffen. Und das nicht nur in Berlin, sondern in ganz Deutschland. Das hängt mit der bundesweiten Gewichtung der Stimmanteile zusammen. Rein theoretisch ist es möglich, dass nach der Wahl ein Berliner Bundestagsabgeordneter sein Mandat verliert, aber jemand anderes aus einer anderen Region nachrückt. Das alles ist sehr komplex und eher unwahrscheinlich, weil eben nur etwa ein Sechstel der Wähler erneut an die Urne gerufen werden. Aber für einzelne Personen ist es dann ein Szenario, wenn die Ergebnisse beim letzten Mal sehr knapp waren. So gewann im Bezirk Reinickendorf die CDU Kandidatin Monika Grütters mit nur 1800 Stimmen Vorsprung das Direktmandat. Dort wird in mehreren Wahllokalen erneut gewählt. 

Wenn aus einem Ex-Bürgermeister ein regierender Bürgermeister wird 

Und auch der frühere Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller könnte theoretisch betroffen sein. Er gewann in Charlottenburg-Wilmersdorf mit 3,5 Prozentpunkten Vorsporung gegen die aktuelle Bundesfamilienministerin Lisa Paus. Das eigentlich kuriose ist hier aber: Auf dem neuen Wahlzettel für die Teil-Nachwahl am 11. Februar steht als Berufsbezeichnung bei Michael Müller "Regierender Bürgermeister von Berlin". Der regierende Bürgermeister ist aber seit der Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl in Berlin Kai Wegner von der CDU. Müller hatte den Posten aber von 2014 bis zum Jahr 2021 inne. 

Der Grund ist auch hier ganz einfach: Das Wahlrecht sagt eindeutig, dass die selben Wahlvorschläge antreten müssen wie bei der Hauptwahl im Jahr 2021. Die Bild-Zeitung hat das zum Anlass genommen und fragte bei der Landeswahlleitung in Berlin nach. Die Zeitung zitiert die Wahlleitung mit den Worten: "Die Stimmzettel wurden nur soweit angepasst, wie es unbedingt nötig war. Eine Änderung war wegen der Kurzfristigkeit nicht möglich."  Zudem werde von der Landeswahlleitung nicht ermittelt, sondern von den Kandidaten selbst eingereicht. 

Unter unbedingt nötig versteht die Landeswahlleitung zum Beispiel Kandidaten, die im Jahr 2021 auf dem Wahlzettel standen, aber inzwischen verstorben sind. Schon aus Pietätsgründen werden sie vom Wahlzettel gestrichen. 

Ansonsten dürfen nur die gleichen Kandidaten und Parteien antreten, die auch 2021 kandidierrt haben. Eine Besonderheit gibt es noch bei der rechtsradikalen Mini-Partei NPD. Sie hat sich inzwischen in "Die Heimat" umbenannt und erscheint daher jetzt auch so auf dem Wahlzettel. 

Wer nun genau wählen darf 

Insgesamt sind 550.000 Berliner aufgerufen, ihre Stimme neu abzugeben. Im sozialen Medien schreiben immer mehr Menschen, sie hätten bei der letzten Wahl Partei XY gewählt und hätten jetzt die einmalige Gelegenheit, das zu korrigieren. "Ich habe nie Partei XY gewählt" spotten viele. Ein Zeichen dafür, dass viele die Wahl nutzen könnten, um etwa die aktuelle Regierung abzustrafen. Und das, ohne dass es wirkliche Auswirkungen hätte. 

Wählen dürfen alle Menschen die mindestens 18 Jahre alt sind und jetzt in den betroffenen Wahlbezirken mit Hauptwohnsitz leben - zusätzlich bestimmte Deutsche, die im Ausland leben. 

Es darf somit auch wählen, wer im Jahr 2021 noch in einer anderen Stadt oder einem anderen Bezirk von Berlin gewohnt hat, jetzt aber in einem betroffenen Wahlbezirk gemeldet ist. Wer bei der Wahl 2021 in Berlin gewohnt hat, jetzt aber nicht mehr in Berlin lebt, darf hingegen nicht mehr wählen. Und auch alle, die nach dem 26. September 2021 ihren 18. Geburtstag gefeiert haben, sind nun als Wähler eingeladen, mitzubestimmen. Im Gegenzug können Verstorbene logischerweise nicht mehr wählen, für sie können aber auch Erben keine Stimme abgeben - ein stellvertretendes Wahlrecht gibt es in Deutschland in der Form nicht.