Recht Aktuell
Parteien und Vereine: Wie umgehen mit der Jahreshauptversammlung?
Die Jahreshauptversammlung mit der Wahl des neuen Vorstands - eines der wichtigsten und festen Termine im Kalender fast jedes Kommunalpolitikers und jedes Vereinsvorstands. Denn Vereine müssen sich an Satzungen halten. Doch was tun, wenn der Lockdown persönliche Treffen weiter unmöglich macht? Vor allem bei Wahlen stellt sich die Frage: Bleibt der "alte" Vorstand einfach bis zur Neuwahl im Amt oder gibt es dann wohlmöglich keinen Vorstand mehr? Die Bundesregierung hat reagiert und hat diverse Veränderungen eingeführt. Dadurch wird es möglich, dass Vereine und Parteien auch neue Formen der Jahreshauptversammlung finden können.
Wann eine Verschiebung der Jahreshauptversammlung möglich und sinnvoll ist...
Ob eine Verschiebung rechtlich möglich ist in der Hoffnung, dass dann im Sommer endlich persönliche Treffen wieder möglich sind, hängt von der jeweiligen Satzung ab. In vielen Satzungen steht etwa der Satz "Die Mitgliederversammlung oder Jahreshauptversammlung soll alle zwölf Monate abgehalten werden". Dieses eine Wörtchen "soll" ist dann der Schlüssel zur Verschiebung. Denn "soll" stellt juristisch erstmal eine Kann-Bestimmung dar. In diesem Fall kann die Jahreshauptversammlung problemlos nach hinten geschoben werden.
Schwieriger wird es, wenn ihre Satzung etwa eine Formulierung beinhaltet, wie: "Die Mitgliederversammlung oder Jahreshauptversammlung muss alle zwölf Monate abgehalten werden". Auch dann ist es zwar theoretisch möglich, die Sitzung zu verschieben, in dem Fall sollten Sie vorher aber sehr genau schauen, welche Folgen das hat. Denn entsteht ein Schaden durch die Verschiebung (etwa finanziell), kann der Vorstand in besonderen Fällen haftbar gemacht werden. Ganz wichtig ist hier für Parteien: Schauen Sie unbedingt nicht nur in die Satzung ihres Kreisverbandes oder Ortsverbandes sondern auch in die jeweilige Landessatzung. Häufig ist hier genaueres geregelt. Die meisten Parteien haben hier eine Formulierung wie "soll oder muss im ersten Quartal stattfinden". In jedem Fall schlägt die Landessatzung ihre Orts/Unterbezirks oder Kreissatzung.
Die Jahreshauptversammlung virtuell? Was der Gesetzgeber sagt...
Was viele nicht mitbekommen haben - der Bund erlaubt es seit Neuestem, bedingt durch die Corona-Krise, dass Mitgliederversammlungen auch virtuell stattfinden können - das Gesetz gilt (vorerst) befristet bis Endes des Jahres (2021). Aber, keine Regelung ohne Ausnahme. Es ist theoretisch denkbar, dass ihre Satzung eine virtuelle Sitzung explizit ausschließt. Viele Kommunalparlamente hatten etwa damit zu kämpfen, weil oft von "Präsenzsitzung" die Rede ist. Dann greift das neue Bundesgesetz erst einmal nicht. In den meisten Fällen lässt sich das mit einem Vorstandsbeschluss zwar heilen, schwierig wird es aber, wenn die Satzung nur in einer Jahreshauptversammlung geändert werden kann - dann muss theoretisch ja erst eine Präsenzsitzung stattfinden, die dann beschließt, die Sitzung virtuell durchzuführen. Theoretisch kann auch das organisiert werden. So trafen sich im Oktober/November vergangenen Jahres einige Kreisverbände von Parteien zu Präsenzparteitagen und baten vorher die Mitglieder, gar nicht erst zu kommen, damit die Sitzung in sehr kleinem Kreis (etwa auf Vorstandsebene) stattfinden konnten. Dort wurde dann die virtuelle Sitzung beschlossen und anschließend unter Einhaltung aller Fristen abgehalten.
Voraussetzung, dass ihre Jahreshauptversammlung virtuell stattfinden darf sind in der Satzung mehrere Punkte. "Bild- und Tonübertragungen der Versammlung" müssen grundsätzlich erlaubt sein, die Stimmabgabe muss über Briefwahl (so hat es etwa der CDU-Parteitag zur Nominierung des neuen Vorsitzenden gemacht) oder durch die elektronische Teilnahme möglich sein und Teilnehmer müssen bei der Veranstaltung auch virtuell Fragen stellen können. Der Vorstand muss bei der virtuellen Konferenz zu SEHEN UND zu HÖREN sein. Video-Konferenzsysteme stellen das in aller Regel sicher. Es gibt auch diverse Systeme, bei denen eine geheime Abstimmung möglich ist, teils werden von Parteien und Vereinen dafür auch zusätzliche Tools genutzt, die kostenfrei im Netz verfügbar sind.
Zudem sind auch hier sogenannte Hybridsitzungen möglich. Das bedeutet, nur ein kleiner Teil der Mitglieder (etwa der Vorstand und/oder Personen, die keine Möglichkeiten haben, sich online zu beteiligen) sind in einem Raum versammelt (Achtung: Lockdown-Regelungen zur Zahl der Personen und Mindestabstände/Hygienekonzepte sind dann oft beim Gesundheitsamt vorher einzureichen) und die anderen Mitglieder sind per Video zugeschaltet.
Virtuelle Jahreshauptversammlung - worauf Sie achten müssen
Tools zur Nutzung gibt s zahlreiche, bewährt haben sich Zoom, WebEx, Jitsu und viele andere. Sie müssen einen digitalen Raum eröffnen und die Mitglieder entsprechend Ihrer Satzung fristgerecht dazu einladen. Die Mitglieder müssen sich mit Klarnamen anmelden und identifizierbar sein - etwa, indem sie zu sehen sind. Handelt es sich um "nichtöffentliche" Sitzungen (z.b. im Vorstand, wenn es um Finanzen geht) müssen Sie die Teilnehmer darauf hinweisen, dass sie auch im heimischen Zimmer die "Nichtöffentlichkeit" herstellen müssen - etwa durch Schließen der Zimmertür.
Wichtig ist auch, dass die Einladungen genauso versendet werden müssen, wie immer. Wenn das bei Ihnen laut Satzung schriftlich (per Brief) passieren muss, dann muss auch eine Einladung zur virtuellen Sitzung per Brief erfolgen, auch wenn das mitunter aberwitzig wirkt. Viele Satzungen erlauben inzwischen aber (teils nur mit Einverständnis der Mitglieder) die Einladung per Mail. Wenn das noch nicht der Fall ist, sollten Sie auch das in Ihrer Satzung unbedingt verankern, das spart nicht zuletzt Portokosten und Arbeit.
Fragen müssen auch virtuell ebenso möglich sein, wie sonst. Also entweder direkt in der Veranstaltung oder - wenn das üblich ist - vorher schriftlich. Ganz wichtig: Auch von virtuellen Sitzungen müssen Sie ein Protokoll erstellen! Das ist Teil der Jahreshauptversammlung. Im gleichen Stil wie immer!
Wie es mit Wahlen aussieht...welches Recht hier gilt
Immer davon ausgehend, Sie haben die Rechtsgrundlage für eine virtuelle Sitzung geschaffen, gilt: JA, Sie können auch ohne Versammlung Wahlen abhalten und Beschlüsse fassen. Alle Mitglieder müssen dazu rechtzeitig (wie in der Satzung formuliert) angeschrieben werden. Bis zum festgesetzten Termin müssen dann die Stimmen abgegeben sein, dann wird zu einem fixen (vorher definierten Termin mit Uhrzeit) der Wahlgang geschlossen.. Stimmen, die erst danach eingehen, dürfen nicht gewertet werden. Rechtlich zulässig sind Stimmen ohne Unterschrift auch per E-Mail oder über andere Textformen wie WhatsApp oder SMS. Es muss aber für alle möglich sein, die Stimme abzugeben. Ein Angebot z.b. NUR über WhatsApp dürfte schwierig werden, da man nicht voraussetzen kann, dass jeder das Programm installiert hat. Bieten Sie also möglichst verschiedene Möglichkeiten an. E-Mails sollten inzwischen überall möglich sein.
Findet eine virtuelle Sitzung statt, egal ob als Hybridsitzung oder komplett online, kann die Abstimmung auch direkt in der Sitzung erfolgen. Achten Sie hier darauf, dass Wahlen geheim sein müssen. Verschiedene Online-Tools bieten auch diese Möglichkeit an. eine Wahl per WhatsApp oder Mail wäre hier aber unwirksam, weil sie Rückschlüsse auf das Wahlverhalten der Personen zulässt. Oft muss dann eine schriftliche Wahl doch noch per Brief erfolgen. Einfacher ist es, die Video-Konferenz-Tools zu nutzen, hier gibt es diverse Lösungen, die auch sicherstellen, dass jeder nur eine Stimme abgeben kann. Das ist ohnehin eine Herausforderung bei hybriden Sitzungen. Sie müssen sicherstellen, dass niemand zuvor schriftlich und dann vor Ort noch einmal seine Stimme (doppelt) abgeben kann.
Und wenn die Jahreshauptversammlung erst zu spät stattfindet ist das auch kein Beinbruch...
Grundsätzlich gilt im Vereinsrecht: Ein Vorstandsmitglied bleibt auch nach Ablauf seiner Amtszeit im Amt, bis ein Nachfolger berufen wurde. In Parteien zum Beispiel kann ein Mitglied zwar seinen sofortigen Rücktritt vom Amt erklären. Rechtlich bleibt er trotzdem solange (Interims-) Vorsitzender, bis ein Nachfolger gewählt wurde. Daher übergibt ein Vorsitzender, der zurückgetreten ist, meist die Amtsgeschäfte an seinen Nachfolger. Im rechtlichen Sinne hat er aber weiterhin das volle Stimmrecht bis zur Wahl eines Nachfolgers.
Wichtig für Einladungen ist noch: Sie müssen genauso aussehen, wie immer, also mit Tagesordnung, Termin und Uhrzeit, Evtl. dann dem Link zum Tagungsraum statt der Adresse und auch der Hinweis auf die Wahlen darf nicht fehlen. Die Wahlen können dann auch abgekoppelt von der Veranstaltung schriftlich stattfinden, wenn die Satzung eine "Wahl im virtuellen Raum" nicht zulässt. Dabei muss dann die Frist zur schriftlichen Abstimmung unbedingt deutlich ersichtlich sein!
Virtuell oder real? Was KOMMUNAL empfiehlt...
Niemand kann im Moment mit Sicherheit sagen, wann Versammlungen mit vielen Menschen wieder möglich sind. Selbst wenn Sie keine Regelungen für virtuelle Sitzungen haben und Ihre Satzung ZWINGEND eine Präsenzsitzung bei Wahlen und Beschlüssen vorsieht: Wir empfehlen Ihnen in jedem Fall, mindestens ZUSÄTZLICH eine Jahreshauptversammlung (im Notfall dann ohne Wahlen) durchzuführen. Denn gerade das Vereinsleben leidet nach allen Berichten, die auch wir in den vergangenen Monaten ja immer wieder veröffentlicht haben, ganz besonders. Ein Treffen nach so langer Zeit erhöht in jedem Fall das Gemeinschaftsgefühl der Mitglieder. Denn unsere jüngste Forsa-Umfrage unter 2000 Bürgermeistern in Deutschland hat auch ergeben, dass fast jeder dritte Bürgermeister Sorge hat, dass das Vereinsleben unter dem Lockdown auch langfristig leidet. Das sollten Vereine und Parteien schon aus Eigeninteresse unbedingt versuchen zu verhindern. Gerade in diesen Zeiten, in denen viele Menschen sich durch Kontaktbeschränkungen auch einsam fühlen, ist das Gefühl, "gemeinsam etwas zu bewegen und sich auszutauschen" besonders wichtig. Wenn neben dem Austausch auf der Jahreshauptversammlung im Notfall vorher die Stimmen zu den Beschlüssen und Wahlen schriftlich eingesammelt wurden, kann die Sitzung in jedem Fall rechtssicher stattfinden. Denn Briefwahlen sind immer möglich. Lieber experimentieren - solange niemand gegen die Beschlüsse klagt, gibt es ohnehin keine Probleme. Wenn der Verein zusammenhält und auf juristische Auseinandersetzungen verzichtet, sind solche Grauzonen sogar möglich - im Sinne des Vereins. Es darf sich nur niemand "zurückgesetzt" fühlen. Ein Höchstmaß an Transparenz hilft dabei!
Und für die Zukunft gilt: Nehmen Sie die Möglichkeiten von Online-Jahreshauptversammlungen und Wahlen im virtuellen Format ebenso mit in ihre Satzung auf, wie die Möglichkeit, Einladungen per Mail oder auf anderen elektronischen Wegen zu verschicken. Das erleichtert für die Zukunft Vieles! Also auf der Tagesordnung der nächsten Jahreshauptversammlung diese Themen nicht vergessen!