Junge springt im Freibad ins Wasser
Der Freibadspaß wird mancherorts getrübt durch Attacken und Randale.
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Randale

Freibad: Blitz-Umfrage unter Kommunen

Schlägereien, Beschimpfungen, Bedrohungen im Freibad - Berlin reagiert mit Ausweiskontrolle, diskutiert werden Forderungen nach schnellerer Bestrafung. KOMMUNAL hat in einer Blitz-Umfrage Kommunen befragt. Wie sieht die Situation in den deutschen Freibädern aus?

Die Sommerdebatte 2023 betrifft ausgerechnet die Freibäder: Vorfälle in Berlin und anderen Städten trüben den Badespaß bei hohen Temperaturen. Wer in Berlin ins Freibad will, muss jetzt einen Ausweis dabei haben und ihn vorzeigen. Akzeptiert werden auch der Führerschein und der Schülerausweis. Außerdem sind eine Videoüberwachung an den Eingängen sowie mobile Polizei-Wachen am Neuköllner Columbiabad und dem Prinzenbad in Kreuzberg geplant. Immer wieder müssen in Berlin Freibäder wegen Schlägereien und Tumulten geräumt und geschlossen werden. Auch in Düsseldorf oder einigen Städten im Ruhrgebiet war es in den vergangenen Jahren zu Tumulten, Schließungen und Polizeieinsätzen gekommen. In Mannheim gab es in diesem Sommer eine Massenschlägerei.

Blitz-Umfrage in Kommunen zum Freibad

KOMMUNAL startete eine Blitz-Umfrage bei Badebetreibern und Kommunen. Wie sicher sind die Freibäder, wie sieht die Personalsituation aus?

Kleinmachnow: Mehr Störungen, keine Randale

In der brandenburgischen Gemeinde Kleinmachnow, die an Berlin-Zehlendorf angrenzt, ist die Lage "gut, an heißen Tagen etwas angespannter, jedoch nicht gefährlich", sagte Markus Schmidt, Geschäftsführer der Freibad Kietzberge GmbH zu KOMMUNAL.  Die Hausordnung sehe Verbote und die Inanspruchnahme des Hausrechtes vor. In der Saison von Mai bis September werden etwa zehn Hausverbote durch den diensthabenden Schwimmeister ausgesprochen. "Verbale Beleidigungen gibt es immer wieder mal, jedoch auch jede Menge positives Feedback", so Schmidt. "Zu körperlichen Übergriffen kam es bislang nicht." Die Störungen hätten aber in den letzten fünf bis sechs Jahren zugenommen. Dazu gehören das Springen vom Beckenrad und Essen und Trinken an den Beckenumläufen. Auch komme es immer wieder vor, dass Nichtschwimmer im Sport- und Springerbecken sind und Sprungtürme von mehreren Personen gleichzeitig betreten werden. Eingeschritten werden müsse  auch bei Foto- und Videoaufzeichnungen, die nicht erlaubt sind. Schmidt betont: "Konflikte können, wenn man sich damit auseinandersetzt, im Vorfeld meister beseitigt werden." Zur Haus- und Badeordnung.

Nürnberg: Rund 50 Hausverbote im Schwimmbad

In Nürnberg haben aktuell 51 Personen ein Hausverbot im Schwimmbad, teilte Matthias Bach, operativer Geschäftsleiter von NürnbergBad, dem Eigenbetrieb der Stadt, auf Anfrage mit. "Bis auf wenige heiße Tage ist die Lage im Bad friedlich. Schwierige, uneinsichtige und unvernünftige Badegäste gab es schon immer und gibt es auch heute", sagte Bach. Eine Zunahme von Konflikten sei "eher nicht festzustellen".  Körperliche Attacken  gegenüber dem Personal habe  es in der jüngeren Vergangenheit nicht gegeben, Beleidigungen und Bedrohungen kämen im Eifer des Gefechts aber vor. Störungen seien allein deshalb problematisch, weil es einen Personalmangel gebe und die Anspruchshaltung vieler  Gäste und auch ihr Benehmen sich verändert habe, dazu kämen oft Verständigungsschwierigkeiten durch Sprachprobleme. Was sind die meisten Probleme? "Verstöße gegen die Badeordnung, Konflikte unter den Badegästen und fehlende Rücksichtnahme", so Bach. Er machte deutlich: "Für uns entscheidet nicht die Härte der Strafen sondern die Wirksamkeit der Maßnahmen: Was wirkt präventiv? Was erzeugt Einsicht oder ein Umdenken?"

Tübingen: 10.000 Gäste im Freibad

In Tübingen wurden im vergangenen Jahr drei längerfristige Hausverbote erteilt, in diesem Jahr bislang zwei. Dazu kamen 2023 tageweise Hausverbote gegenüber vier Jugendliche, teilte ein Sprecher der Stadtwerke, Ulrich Schermaul, auf Anfrage von KOMMUNAL mit. "Die Stadtwerke Tübingen haben in ihren Bädern bislang keine größeren Vorfälle zu verzeichnen. Dies führen wir darauf zurück, dass Tübingen eine sehr schwimmbegeisterte Stadt ist und die allermeisten Badegäste zum Schwimmen kommen - auch wenn das Tübingen Freibad einen der größten Sport- und Erholungsbereich in der Region zu bieten hat." Er fügte hinzu: "Kleinere Vorfälle sind nichts Außergewöhnliches, vor allem wenn bedenkt, das im Tübinger Freibad an Spitzentagen bis zu 10.000 Gäste auf dem Gelände sind." Störungen hätten nicht zugenommen, so der Stadtwerke-Sprecher. Zu den häufigsten Fällen von "Fehlverhalten" gehöre das Springen vom Beckenrand oder auf der Rutsche. Das Bäderpersonal sei geschult, gerade hinsichtlich deeskalierender Verhaltungsweisen in Konfliktsituationen. "Bislang reicht die vorhandene Sanktions-Palette in Tübingen", sagte der Sprecher.

Freibad Böblingen: Sanktionen reichen bisher aus

"Zu verbalen Entgleisungen gegenüber dem Personal kommt es immer mal - vor allem, wenn das Bad sehr voll ist und die Temperaturen hoch", sagte eine Sprecherin der Stadtwerke Böblingen. Konflikte entstünden meist zwischen "halbstarken" männlichen Jugendgruppen oder Besuchern neben dem Becken und auf der Liegewiese. "Bisher können wir über eine normale Freibadsaison mit hohen Besucherzahlen aufgrund des guten Wetters berichten", sagte sie. Die Hausordnung sieht auch in Böblingen vor, dass Nutzer, die gegen die Haus- und Badeordnung verstoßen, des Hauses verwiesen werden können.

In diesem Jahr gab es im Freibad in Böblingen bisher zwei Hausverbote für zwei Jugendliche. "Das ist vergleichbar mit den Vorjahren", erläutert die Sprecherin. Böblingen setzt "aktuell kein Security-Personal ein, wie es in anderen Bädern teilweise erforderlich ist". Wenn es die Situation erfordere, arbeite man auch mit der örtlichen Polizei zusammen.  Auch Böblingen sieht keinen Bedarf für weitere Sanktionen, die über die Regelungen der Haus- und Badeordnung hinausgehen. "Wir hoffen, dass dies so bleibt", sagt sie. "Wenn sich die Situation jedoch ändert, können wir nicht ausschließen, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen."

Sindelfingen: Personal im Freibad gespuckt

Die Stadt Sindelfingen verzeichnet zunehmend Beleidigungen. "Wir können einen Wandel im Verhalten unserer Gäste wahrnehmen", sagte Christian Keipert, Leiter des  Sport - und Bäderamts. "Derzeit ist es dank unserer Strategien - Mitarbeiterschulungen und Zusammenarbeit mit Security noch zu bewältigen." 

An gut besuchten Tagen müssten immer häufiger Hausverbote ausgesprochen werden. "Die verbalen Störungen nehmen zu. Attacken äußern sich aktuell darin, dass Kolleginnen und Kollegen geschubst und bespuckt  werden." Dass die Situation eskaliere, konnte bislang mit Hilfe anderer Kollegen vermieden werden. Zu den meisten Problemen zähle, dass Absperrungen ignoriert werden, etwa wenn der Sprungturm geschlossen ist, den Anweisungen des Fachpersonals nicht Folge geleistet wird, Gelände und Becken zum Betriebsschluss nicht verlassen werden.

Die verbalen Störungen nehmen zu. Attacken äußern sich aktuell darin, dass Kolleginnen und Kollegen geschubst und bespuckt werden."

Christian Keipert, Leiter des Sport - und Bäderamts Sindelfingen

Auch Sindelfingen hat immer wieder mit Nichtschwimmern im Schwimmerbecken zu tun. Als ein weiteres Problem benennt Keipert Sprachbarrieren. "Alle unsere Aufsichtsmitarbeiter und -mitarbeiterinnen sind in Deeskalationsmaßnahmen geschult", so der Amtsleiter. Was er von drastischeren Strafen hält? "Wir als öffentlicher Betreiber sehen uns als Dienstleister für alle Bürgerinnen und Bürger und versuchen, unseren Kunden ein bestmögliches Badevergnügen zu bieten", betonte Keipert. "Aufgrund des Wandels im Verhalten vieler Gäste müssen jedoch auch wir über Sanktionen für die Zukunft nachdenken."

Aggressivität gegenüber weiblichem Personal zugenommen

Der Bürgermeister der Stadt Waldkirchen im Bayerischen Wald, Heinz Pollak, beklagt: "Die Aggressivität insbesondere bei Jugendlichen hat zugenommen. Leider haben vor allem weibliche Bademeisterinnen oft Probleme mit jungen Erwachsenen - meist mit Migrationshintergrund." In diesem Sommer bleibt das Waldkirchner Freibad geschlossen -  wegen Baumaßnahmen.

Nach Einschätzung der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen, einem Verband der auch rund 2800 Freibäder vertritt, ist Respektlosigkeit einer der Gründe für mehr Konflikte. „Das Problem wird garantiert nicht abnehmen. Ob es ein zunehmender Trend wird, zeigt sich in dieser Sommersaison. Aber wir rechnen eher mit mehr Fällen“, sagt Sprecherin Ann-Christin von Kieter laut Kölner Stadtanzeiger der Deutschen Presse-Agentur. Nicht nur Schwimmbäder seien betroffen. „Aggressives Verhalten nimmt zu, sogar gegen Polizisten oder Feuerwehrleute.“ Randale gebe es auch in Stadien, Parks oder Einkaufszentren.

Gerd Landsberg, Deutscher Städte und Gemeindebund: Schnellere Strafen

Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, sagte auf Anfrage zu KOMMUNAL: "Die Vorfälle in Berlin müssen ernst genommen werden. Vereinzelt wird auch aus anderen Städten von ähnlichen Zwischenfällen berichtet. In Schwimmbädern, wo sich diese Ereignisse wiederholen, kann es sinnvoll sein, dass geschultes Sicherheitspersonal die Angestellten in den Bädern unterstützt. Ein flächendeckendes bundesweites Problem sehen wir jedoch nicht."

Strafbares Verhalten schneller sanktionieren

In der Debatte um Strafen sagte Landsberg: "Strafbares Verhalten muss schnell sanktioniert werden. Wir brauchen hier auch aufsuchende Sozialarbeit, um gezielt Missständen vorbeugen und ihnen begegnen zu können. Leider müssen wir feststellen, dass in vielen Bereichen des täglichen Lebens der gegenseitige Respekt abnimmt. Dies betrifft Polizei, Feuerwehr, Rettungskräfte und eben auch das Badpersonal. Gesellschaftlichen Zusammenhalt kann man nicht verordnen, aber es ist notwendig, für mehr Respekt im Umgang miteinander zu sensibilisieren. Unsere Gesellschaft funktioniert auf der Basis von Regeln des Zusammenlebens, die für alle Menschen gelten." In Brennpunktschwimmbädern sei auch die Bestreifung durch die Polizei ein wichtiger Baustein, durch Sichtbarkeit das Gewaltpotenzial zu reduzieren, so Landsberg.

Leider müssen wir feststellen, dass in vielen Bereichen des täglichen Lebens der gegenseitige Respekt abnimmt."

Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes

Personal fürs Freibad gesucht

Wie viele Arbeitgeber haben auch viele Kommunen Schwierigkeiten, geschulte Kräfte am Arbeitsmarkt zu finden.  "Wir brauchen hier auch ein verstärktes Engagement aus Sport und Zivilgesellschaft, damit Menschen gefunden werden, die sich zu Fachangestellten für Bäderbetriebe aus- oder umbilden lassen. Gleiches gilt für die Rettungsschwimmer, die es sowohl im Haupt- als auch im Ehrenamt braucht", fordert der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes.