Bundesverfassungsgericht
Das Bundesverfassungsgericht stürzt die Ampelkoalition mit seinem Urteil in eine Krise.
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Bundesverfassungsgericht

Nach Karlsruher Urteil: Förderprogramme gestoppt

Das Bundesverfassungsgericht hat den zweiten Nachtragshaushalt 2021 für nichtig erklärt. Damit entsteht eine finanzielle Lücke von 60 Milliarden Euro im Sondervermögen für Klimaausgaben. Für den Bund, die Länder und die Kommunen und am Ende auch für die Wirtschaft und die Bürger bedeutet die Schlappe für die Ampel-Regierung, dass damit vieles auf dem Prüfstand steht. Als Folge des Urteils verhängte die KfW jetzt einen vorläufigen Antrags- und Zusagestopp für mehrere Förderprogramme im Bereich Wohnen und Bauen. Was kommunale Vertreter fordern.
Aktualisiert am 22. November 2023

Das Geld war eigentlich für die Folgen auf die Corona-Pandemie gedacht, dann aber wurde die Kreditermächtigung von 60 Milliarden Euro rückwirkend auf den Klima- und Transformationsfonds (KTF) übertragen. So wollte die Ampel-Regierung den zunächst doch nicht benötigten Kredit in diesem Umfang in weiteren Haushaltsjahren nutzen. Abgeordnete der CDU/CDU-Fraktion im Bundestag hatten gegen dieses - ihrer Meinung nach unzulässigen - Vorgehen geklagt - und Recht bekommen. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist und damit nichtig. Seither sucht die Ampelkoalition nach einer Lösung, um die geplanten Investitionen nicht absagen zu müssen.

Förderprogramme nach dem Urteil

Was die aktuellen Förderprogramme betrifft, kam zunächst Entwarnung: "Die Förderprogramme des Bundesbauministeriums, wie zum Beispiel der klimafreundliche Neubau oder die Wohnungseigentumsförderung für Familien, sind durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in diesem Jahr nicht betroffen. Anträge dazu können bei der KfW gestellt werden", sagte Bundesbauministerin Klara Geywitz nach dem Urteil. Jetzt teilte die Förderbank KfW mit: Mit sofortiger Wirkung können bis Weiteres in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen keine Anträge mehr für bestimmte Förderprogramme gestellt werden.

Förderprogramme im Bereich Wohnen und Bauen

Von dem Antragsstopp betroffen sind mehrere Programme, etwa zur Förderung genossenschaftlichen Wohnens, der Investitionszuschuss für den altersgerechten Umbau von Immobilien und zur energetischen Stadtsanierung. Die Förderbank stellt heraus, dass bereits zugesagte Förderdarlehen und Investitionszuschüsse von der haushaltswirtschaftlichen Sperre in diesen genannten Programmen nicht betroffen seien. Mehr Infos dazu auf der Homepage der Kfw.

Haushaltssperre - Beratungen verschoben

Das Bundesfinanzministerium hat die für den Klima- und Transformationsfonds verfügte Haushaltssperre fast auf den gesamten Bundeshaushalt ausgeweitet. Bestehende Verbindlichkeiten würden weiter eingehalten, es dürften nur keine neuen eingegangen werden, heißt es. In Ausnahmefällen könnten Verpflichtungsermächtigungen entsperrt werden.

Die Ampelkoalition hat die für diesen Donnerstag geplante Beratung über den Haushalt 2024 im Haushaltsausschuss des Bundestags abgesagt. Man brauche mehr Zeit, um eine tragfähige Lösung zu finden.

Was Experten raten

Von dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist auch der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) betroffen. Jens Südekum, Professor an der Universität Düsseldorf, rät dazu, den Etat 2023 durch einen Nachtragshaushalt verfassungsrechtlich abzusichern. Der Rechtswissenschaftler Alexander Thiele sprach sich in einer Expertenanhörung dafür aus, für das laufende Jahr eine Notlage zu beschließen und die Ausnahmeregelung der Schuldenbremse zu nutzen, berichtete die WELT.

Landsberg: Investitionen dauerhaft finanzieren

"Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war absehbar", kommentierte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, das Urteil gegenüber KOMMUNAL. Er forderte:  "Die Politik muss jetzt einen Weg finden, um Investitionen in Infrastruktur, Klimaschutz und Klimaanpassung dauerhaft zu finanzieren. Das ist eine Generationenaufgabe."

Schuldenbremse anpassen oder Sondervermögen

Doch wie? "Aus dem laufendem Bundeshaushalt sind die über 60 Milliarden Euro nicht aufzufangen. In Betracht kommt daher eine Modifizierung der Schuldenbremse oder auch ein Sondervermögen nach dem Vorbild Bundeswehr", sagte Landsberg. In jedem Fall müssten die Maßnahmen konkret beschrieben werden, die daraus finanziert werden können. "Zusätzlich wird man auch über die Erhöhung der CO₂-Preise nachdenken müssen", betonte er. Das werde aber nur gelingen können, wenn es zu einem Schulterschluss von Regierungsparteien und der CDU/CSU-Opposition kommt.

Sager: Kindergrundsicherung aufgeben

Der Deutsche Landkreistag fordert, dass die Bundesregierung nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts stärker priorisiert. Vor allem, wenn es um kostenintensive Vorhaben geht. Präsident Reinhard Sager veröffentlichte auf der Seite des Landkreistages eine Stellungnahme: „Die Koalition wird gezwungen sein, eigentlich bereits gesetzte Vorhaben wie die Kindergrundsicherung einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Es wäre richtig, dieses verkorkste Projekt fallen zu lassen. Es bringt bedürftigen Familien keinen Mehrwert und wird sie durch den Aufbau neuer Bürokratie sogar zusätzlich belasten.“ Nach dem Urteil müsse in Berlin ein Kassensturz stattfinden, so Sager.

Energie- und Wasserwirtschaft fordert Klarheit

„Die Bundesregierung muss jetzt schnellstmöglich Klarheit darüber schaffen, wie die geplanten Vorhaben für Klimaschutz und Erneuerbaren-Ausbau in Zukunft verlässlich und stetig finanziert werden können", sagte Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft. "Das Urteil wirkt sich auf die gesamte Klimaschutz- und Energiepolitik aus: So sind beispielsweise die Finanzierung des Wasserstoffhochlaufs, der Elektromobilität und der Entlastungsmaßnahmen für die Industrie betroffen. Unsere Branche braucht dauerhafte Investitionssicherheit."

Die Erklärung des Bundesverfassungsgerichts zum Urteil:

Informationen zum Energie- und Klimafonds EKF, der zum Klima- und Transformationsfonds KTF umbenannt wurde.