Screenshot Autobahnschild zur weltgrößten Rosensammlung
Zu teuer: Sangershausen will die Schilder zur weltgrößten Rosensammlung nicht erneuern lassen.
© screenshot von MDR-Foto

Teure Ausschilderung

Wucher? Kommunen verzichten auf Autobahnschilder

Die alten touristischen Schilder müssen weg. Die Autobahn GmbH verlangt für neue Schilder aber hohe Summen. Kommunen weigern sich, so tief in die Kasse zu greifen. Sie können die Preise nicht nachvollziehen. Nun reagiert das bundeseigene Unternehmen auf Kritik.
Aktualisiert am 10. April 2024

Wer auf den deutschen Autobahnen unterwegs ist, kann sie nicht übersehen: die Schilder am Straßenrand, die auf touristische Attraktionen hinweisen. 3.500 solcher Hinweisschilder soll es bundesweit geben. Eigentlich sind sie nicht mehr wegzudenken. Doch es gibt Kommunen, die künftig darauf verzichten wollen. Nicht, weil die Städte und Gemeinden nichts Sehenswertes mehr zu bieten haben, es geht ums Geld. Die Autobahn GmbH des Bundes verlangt für die Erneuerung der Schilder nach Ansicht von Städten und Gemeinden horrende Summen.

Autobahnschilder für Kommunen zu teuer

"Die Autobahn GmbH möchte für die Erneuerung von zwei touristischen Unterrichtungstafeln 181.000 Euro von der Stadt Sangerhausen haben", zeigt sich Oberbürgermeister Sven Strauß erstaunt. "Also mehr als 90.000 Euro pro Schild." Die Summe erscheine ihm nicht angemessen, sagte er dem MDR. Die beiden Tafeln an der A38 bei Sangerhausen im Kreis Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt sind verblichen, "Europa-Rosarium" ist kaum noch lesbar. Das Rosarium gilt als größte Rosensammlung der Welt.

Autobahn GmbH: Folie erneuern - das reicht nicht

Der Oberbürgermeister betonte: "Letztendlich würde es uns sogar genügen, wenn wir als Stadt die Erlaubnis bekommen, eine neue Folie aufzubringen auf das Schild, sodass das wieder lesbar ist. Das würden wir für wenige 100 Euro hinbekommen und dann wäre alles gut." Die Autobahn GmbH geht aber bislang davon aus, dass die Schilder nach einer Nutzungsdauer von 15 Jahren ersetzt werden müssen.  "Nicht nur die Folie, sondern das ganze Schild mitsamt Aufstellvorrichtung", wie die aktuelle Anfrage von KOMMUNAL bei der Autobahn GmbH ergab.

Sangershausen und Straubing lehnen ab

Die hohen Preise, die aufgerufen werden, sind kein Einzelfall. Bei Straubing in Bayern kostet ein neues touristisches Autobahn-Schild 40.000 Euro, am Bodensee  35.000 Euro, bei Bonn 28.000 Euro, so der MDR. Vor 15 bis 20 Jahren hätten die Schilder in der Regel nur ein Zehntel gekostet, schreibt der MDR. Die Autobahn GmbH schreibt die Aufträge für die Schilder aus. Bundesweit gebe es knapp 20 private Schilderwerke, die die touristischen Autobahnschilder herstellen und oft auch aufbauen, so der MDR.

Unternehmen: Produktionskosten erhöhten sich nur leicht

Sind diese Unternehmen schuld an den gigantischen Preisen? Tim Kieß, Chef des Schilderwerks Beutha bei Chemnitz, weist die Verantwortung laut MDR-Bericht zurück. Die Produktionskosten hätten sich in den vergangenen Jahren nur leicht erhöht. Der Unternehmer sagte: "Wir stehen ganz klar im Wettbewerb untereinander, und der am billigsten anbietet, der bekommt den Zuschlag von der Autobahn GmbH." Daher könnten sie es sich gar nicht erlauben, horrende Preise aufzurufen. Was die Autobahn GmbH daraus mache, darauf hätten die Schilderwerke keinen Einfluss mehr, sagte Kieß.

Kommunen sollen sofort für Abbau bezahlen

Zockt die Autobahn GmbH die Kommunen ab, fragt MDR Aktuell mit Verweis auf hohe Rechnungen. Für ein Schild, das 28.000 Euro kostet, verlange die Bundes-GmbH rund 4.400 Euro Verwaltungsgebühren. Außerdem bittet sie die Kommunen schon jetzt für den Abbau der Schilder in 15 Jahren zur Kasse, so der MDR. Auf KOMMUNAL-Anfrage teilte die Autobahn GmbH mit, es entspreche den einschlägigen Vorschriften, dass die Kosten für Bestandteile der Straße, die "zulasten Dritter" gehen, mit einem einmaligen Betrag abgegolten werden. Dies minimiere unter anderem den Abrechnungs- und Inkassoaufwand für alle Beteiligten.

Vergaben und Verfahren werden überprüft

Die Stadt Sangerhausen hatte schon im vergangenen Sommer im Bundesverkehrsministerium nachgefragt und wollte wissen, warum genau sich die Schilder so extrem verteuert haben. Sie warte immer noch auf Antwort, heißt es. Auf Anfrage von KOMMUNAL teilte die Autobahn GmbH jetzt mit: "Wir unterziehen derzeit Vergaben und Verfahren der touristischen Hinweisschilder einer kritischen Revision." Für Sangershausen sei neu europaweit ausgeschrieben worden. Die Prüfungen seien noch nicht abgeschlossen, so die Autobahn GmbH. Das Ergebnis wird den künftigen Oberbürgermeister interessieren. Am kommenden Wochenende wählt Sangershausen einen neuen Rathauschef, Amtsinhaber Strauß tritt nicht mehr an.

Tiger in Zoo von Straubing

Auch die bayerische Straubing verzichtet künftig auf die touristischen Autobahnschilder. Seit 2001 werben Tiger und Tukan für den Tiergarten in Straubing. Der Stadtrat hat jetzt aber parteiübergreifend beschlossen, die Schilder nicht erneuern zu lassen und sie abzumontieren. Die Autobahn GmbH hatte die Stadt aufgefordert, die Schilder entfernen oder erneuern zu lassen, berichtet Oberbürgermeister Markus Pannermayr. Die zwei neuen Schilder hätten rund 83.000 Euro gekostet, der Abriss soll etwa 10.000 Euro kosten. Sie entsprächen nicht der neuen Richtlinie für touristische Beschilderungen an Autobahnen und müssten aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht entfernt werden, begründete die Autobahn GmbH ihr Vorgehen. Juristisch könne die Stadt dagegen nichts machen, so Pannermayr.

Straubing gegen teure Autobahn-Schilder

Zwei neue Schilder sind der Stadt eine so hohe Summe nicht wert, berichtet die Bayerische Staatszeitung. "Es ist ja keine Weltraummission, die wir machen. Es geht um zwei Schilder. Das müsste eigentlich für 15.000 bis 20.000 Euro machbar sein", betonte der Oberbürgermeister laut dem Bericht.

Es ist ja keine Weltraummission, die wir machen. Es geht um zwei Schilder."

Markus Pannermayr, Bürgermeister von Straubing

Der Rathaus-Chef zog einen Vergleich zu einem anderen touristischen Highlight der Stadt: dem Gäubodenvolksfest. Wäre da der Bierpreis seit 2001 so gestiegen wie die Kosten für die Schilder, rechnete er vor, hätte die Maß Bier zuletzt gut 75 Euro gekostet.