"Game over für Kommunen" durch makabere Regulierungswut - Christian Erhardt zu neuen Gesetzen beim Glücksspiel
"Game over für Kommunen" durch makabere Regulierungswut - Christian Erhardt zu neuen Gesetzen beim Glücksspiel
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Kommentar

Änderungen beim Glücksspiel: Die Verlierer sind die Kommunen

Nicht nur in Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern dürften in Kürze Tausende Arbeitsplätze verloren gehen. Und gleichzeitig verlieren in ganz Deutschland viele Kommunen Millionen an Steuereinnahmen. Grund sind Änderungen beim Thema Glücksspiel. Spielhallen sollen es in mehreren Bundesländern künftig deutlich schwerer haben, Geld zu verdienen. Gleichzeitig soll das Online-Glücksspiel ausgebaut werden. Aus kommunaler Sicht absurd, meint Christian Erhardt.

Glücksspiel kann süchtig machen - das ist nicht neu und darum ist auch in Kommunen das Thema Spielerschutz zu Recht ein wichtiges Anliegen. Die seriösen Anbieter am Markt haben seit langem ein Sperrsystem. Mit biometrischen Merkmalen filtern diese Spielhallen Menschen, die sich haben sperren lassen, bei der Einlasskontrolle heraus. Vor Gericht wollte der Dachverband der Betreiber vor vier Jahren sogar durchsetzen, dass Spielsüchtige zum Eigenschutz ein Hausverbot von Betreibern einfordern können. Das scheiterte aber mal wieder am Datenschutz, das Gericht lehnte das Vorhaben ab, denn es hätte Ausweiskontrollen zur Folge gehabt. In Folge gründete sich der Verband "Gesellschaft für Spielerschutz und Prävention" - Spielhallen können hier Mitglied werden und verpflichten sich zu hohen Jugend- und Spielerschutz - Standards. 

Zwischen 200 und 400.000 Euro im Jahr an Einnahmen erzielen wir pro Spielhalle im Ort"

Oberbürgermeister Roland Klenk
 

Der Glücksspiel-Staatsvertrag sieht trotzdem deutliche Verschärfungen beim Thema Spielhallen vor. So soll der Mindestabstand (Luftlinie) zwischen zwei Spielhallen künftig 500 Meter betragen, zudem sind Mehrfachkonzessionen schwerer zu bekommen. Einige Bundesländer haben diese Vorgabe in ihren Landesgesetzen weicher formuliert und geben den Kommunen die Hoheit, auch geringere Abstände zu beschließen. Dazu zählt etwa Niedersachsen. Rheinland-Pfalz hat eine Übergangsfrist von sieben weiteren Jahren beschlossen, Bayern knüpft die Mindestabstände und die Konzessionen an Qualitätskriterien wie Mitarbeiterschulungen und Prüfzertifikate. In anderen Bundesländern derweil laufen nun auch immer mehr Bürgermeister Sturm, denn sie fürchten nicht nur Einnahmeverluste in Millionenhöhe sondern auch mehr illegale Spielhallen und weniger Spielerschutz. Zu Recht! 

Glücksspiel vor dem Aus - Tausende Arbeitsplätze und Millionen-Einnahmen für Kommunen fallen weg 

16 Euro und 90 Cent gibt jeder Deutsche rein statistisch betrachtet im Monat für Glücksspiel aus. Da ist Lotto ebenso erfasst wie der Besuch in der Spielhalle oder das Online-Glücksspiel. Für Spielhallen vor Ort erhebt die jeweilige Kommune eine Vergnügungssteuer, übrigens eine der ganz wenigen Steuern, über deren Höhe die Stadt oder Gemeinde selbst entscheiden kann. "Zwischen 200 und 400.000 Euro im Jahr an Einnahmen erzielen wir pro Spielhalle im Ort", rechnet etwa der Oberbürgermeister von Leinfelden-Echterdingen, Roland Klenk aus Baden-Württemberg vor. Er ist einer von zahlreichen Bürgermeistern, die von der Landesregierung bis zuletzt einen Stopp der neuen Regeln im Land gefordert hat. Denn er fürchtet nebenher den Verlust vieler Arbeitsplätze. Vor allem aber fordert er, dass die Städte bei den Spielhallen im Land mehr mitreden dürfen. Doch aller Protest verhallte an der neuen Landesregierung, ab dem 1. Juli soll es ein striktes Abstandsgebot von 500 Metern Luftlinie geben. Glücksspiel auf legalem Wege wird damit massiv eingedämmt. Der Verband der Automatenwirtschaft fürchtet, dass rund die Hälfte der Arbeitsplätze wegfallen wird. Das wären allein in Baden-Württemberg 8000 Arbeitsplätze. Ganz ähnlich die Situation in Mecklenburg-Vorpommern, dort soll ein ähnlich starres Gesetz heute durch den Landtag gepeitscht werden, trotz massiver Kritik selbst der Linkspartei, die einen geringeren Abstand von 300 Metern fordert. 

Rechtlich sind die beiden Landesgesetze übrigens eine Katastrophe. Denn es ist völlig unklar, welche Geschäfte denn mit Inkrafttreten der neuen Regeln schließen müssen. Überall, wo die 500 Metern nicht eingehalten werden, müssten die Behörden willkürlich Geschäfte schließen. Die Betreiber und vor allem deren Mitarbeiter werden von der Politik im Regen stehen gelassen, Klagen vor Gericht sind vorprogrammiert. 

Doch das alles stört die Gesetzgeber in den Bundesländern offenbar nicht. Schon in der Corona-Pandemie waren die Spielhallen wohl nicht zufällig die Letzten, die wieder öffnen durften und unter massiven Auflagen zu leiden hatten. In Mecklenburg-Vorpommern hatten Mitglieder der Landesregierung hinter vorgehaltener Hand in der Pandemie gesagt: "Wir werden die Öffnung der Spielhallen so lange hinauszögern, wie es irgend geht". Das zeigt die Geisteshaltung dahinter.

Server an, Menschen aus. Mit dem Online-Glücksspiel wandert das Thema in die Hinterzimmer ab, wo es keinerlei Kontrollmöglichkeiten mehr gibt.

Christian Erhardt

Glücksspiel findet so oder so statt - legal oder illegal 

Was passiert, wenn die Länder das Glücksspiel zwangsweise Stillegen wollen, lässt sich in Berlin leider ebenso dramatisch wie anschaulich beobachten. Dort gibt es inzwischen mehr nicht konzessionierte Spielhallen als welche, die mit Konzession betrieben werden. Es begann mit Regelungen, die den Spielhallen das Leben schwer machen sollten. Etwa durften beim Glücksspiel in den Hallen keine Getränke mehr angeboten werden. "Wir wollen den Besuch der Spielhalle möglichst unangenehm werden lassen", hatten mehrere Politiker damals offen ihre Verachtung für das Glücksspiel zum Ausdruck gebracht. Die Auswirkungen sind fatal. Das Gesetz konzentriert sich auf die großen Wettanbieter, große Spielhallen. Bis zu drei Geräte pro Lokal hingegen sind erlaubt. Es brauchte also nur einige findige Geschäftsleute, die auf folgende Idee kamen: Man biete ein wenig zu trinken an und stelle drei Geräte auf. Direkt nebenan bietet ein Geschäft mit gleichem Geschäftsführer ebenfalls Getränke und drei Automaten an. Man schalte die Geschäfte in Reihe und schon entsteht ein illegales Spielcasino. Vor den Augen der Behörden, denen die Hände gebunden sind. Das Ergebnis: Genau dort, wo die Spielhallen bekämpft werden sollen entstehen fast täglich neue Spielcasinos. 

Anders gesagt: Die seriösen Geschäfte mussten schließen, windige Geschäftemacher machen den Reibach. Suchtprävention, Spieler- und Jugendschutz: Für diese Geschäftemacher kein Thema! 

Game over" möchte man da rufen, wenn es nicht so makaber wäre."

KOMMUNAL-Chefredakteur Christian Erhardt

Nahezu pervers - das Online-Glücksspiel wird gleichzeitig rechtlich gestärkt 

Ganz ähnlich läuft es nun bei den neuen Regelungen in den Bundesländern ab. Denn nahezu pervers wirkt die Regelung, zeitgleich mit der Schließung der Spielhallen das bisher illegale Online-Glücksspiel zu legalisieren. Während Spielhallen eine Bannmeile bekommen, kann auf dem Smartphone jeder und jederzeit überall spielen. Anders gesagt: "Server an, Menschen aus". Mit dem Online-Glücksspiel wandert das Thema in die Hinterzimmer ab, wo es keinerlei Kontrollmöglichkeiten mehr gibt. "Während es in einer Spielhalle noch eine Aufsicht oder zumindest Schließzeiten gibt, kann online rund um die Uhr gezockt werden. Das passt nicht zusammen“, sagt daher auch Oberbürgermeister Klenk aus Leinfelden-Echterdingen. Gehör fand er bei der Landesregierung bisher nicht.



Und so gilt ab dem 1. Juli in Deutschland einheitlich: Online-Poker und Roulette im Internet sind künftig erlaubt, je nach Bundesland müssen die klassischen Daddelhallen, streng überwacht und teils sogar mit Psychologen ausgestattet, die problematische Spieler ansprechen, zwangsweise schließen. Der Einfluss der Kommunen liegt nahe Null. Jene Kommunen, denen nun wohl wieder durch neue Landesgesetze Millionen an Einnahmen verloren gehen, weil sie einen ihrer wichtigen Hebel, die Glücksspielsteuer, zwar weiter erheben können, die Länder ihnen aber viel strengere Vorgaben machen. 

Und im Internet: Da verdienen sich die Anbieter künftig vermutlich eine goldene Nase. Glück für Kommunen, wenn ein Online-Anbieter ausgerechnet in ihrer Stadt ansässig ist, dann verdienen sie immerhin noch mit. Die Konzentrationswelle im Internet lässt aber wohl nur sehr wenige Kommunen darauf hoffen. Es ist also wie so oft: Die Länder beschließen über die Köpfe der Kommunen hinweg, diese müssen die Folgen aber alleine tragen. Und die künftigen Arbeitslosen Beschäftigten aus den Spielhallen dürfen die örtlichen Arbeitsagenturen dann auch noch betreuen. "Game over" möchte man da rufen, wenn es nicht so makaber wäre. 

Wie Sie erkennen, ob ihre Spielhalle sich um den Schutz von Süchtigen kümmert!