Dramatische Vertrauenskrise auch in Bürgermeister und Kommunalpolitiker - Umfragen sind alarmierend!
Dramatische Vertrauenskrise auch in Bürgermeister und Kommunalpolitiker - Umfragen sind alarmierend!
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forsa-Umfrage

Dramatische Vertrauenskrise in kommunale Ebene

Die insgesamt schwächelnden Sympathiewerte der Deutschen für Parteien und Institutionen wirken sich aktuell besonders stark auf das Vertrauen auf Bürgermeister, Gemeindevertreter und Stadtverwaltungen aus. Das zeigt die jährliche Analyse des Meinungsforschungsinstituts Forsa. Ein Grund: Die Energiekrise wird zur allgemeinen Vertrauenskrise. Ein Überblick!

Die Vertrauenskrise ist vor allem dem Vertrauensverlust auf Bundesebene geschuldet. Und doch sind die Umfragewerte auch für die kommunale Ebene erstmals seit Jahrzehnten ebenfalls dramatisch. Seit fast 20 Jahren erhebt das Meinungsforschungsinstitut Forsa immer zu Jahresbeginn das sogenannte Vertrauens-Ranking für mehr als 30 Institutionen. Darunter wird auch das Vertrauen in Bürgermeister, Gemeinderäte und Stadtverwaltungen erhoben. So schlecht wie in diesem Jahr waren die Werte aber noch nie. Doch der Reihenfolge nach: 

Dramatische Vertrauenskrise in den Bund 

Am größten fiel der Vertrauensrückgang bei den beiden Institutionen der Exekutive auf Bundesebene – der Bundesregierung und dem Bundeskanzler – aus: Das Vertrauen zur Bundesregierung sank um 22 Prozentpunkte auf 34, das zur Institution Kanzler um 24 Prozentpunkte auf 33 Prozent. Das Vertrauen zum Bundestag ging um 13 Prozentpunkte auf 37 Prozent zurück. Und selbst das Vertrauen zur Institution Bundespräsident sank – obwohl eine Mehrheit der Bundesbürger nach wie vor mit der Arbeit des amtierenden Präsidenten zufrieden ist – um 12 Prozentpunkte auf 63 Prozent. 

Die Zahlen sind - so Forsa-Chef Manfred Güllner - vor allem deshalb auffallend, weil "In der Vergangenheit das Vertrauen in die Spitzen des Staates in Krisenzeiten immer stieg". Das war zuletzt auch in der Corona-Krise zu beobachten. Zur Begründung schreibt Manfred Güllner: "Die große Mehrheit der Bürger honorierte in der Corona-Krise, dass die politischen Akteure bei der Bekämpfung der Krise zwar in Nuancen unterschiedliche Meinungen hatten, letztlich aber doch Lösungen im Konsens suchten."

Bleibt die Frage, warum das dieses Mal anders ist. Auch darauf hat Forsa-Chef Güllner die Zahlen analysiert und kommt zum Ergebnis: "Verantwortlich dafür dürften gleichermaßen die schlechte „Performance“ der Regierung wie die zu konfrontative und zu wenig auf Konsens bedachte Strategie des Oppositionsführers Merz sein."

Auch Vertrauenskrise auf kommunaler Ebene ist erstmals extrem besorgniserregend 

Das erklärt aber noch nicht, was offenbar auf der kommunalen Ebene im vergangenen Jahr passiert ist. Denn noch nie waren die Werte auch für Bürgermeister, Gemeinderäte und Rathäuser so schlecht, wie bei dieser Umfrage. 

Beginnen wir bei den Bürgermeistern. In den Jahren vor der Corona-Krise vertrauten rund 50 Prozent ihren Bürgermeistern in den Umfragen. Während der Corona-Krise stiegen diese Werte auf 58 Prozent (im Jahr 2020) und 55 Prozent (im vergangenen Jahr) an. Jetzt, zu Beginn des Jahres 2023 vertrauen "nur" noch 44 Prozent der Deutschen ihrem jeweiligen Bürgermeister. Verglichen etwa mit dem Bundeskanzler immer noch ein guter Wert, aber der schlechteste, den Forsa je gemessen hat.

Ganz ähnlich die Werte für die Gemeindevertreter. Auf "nur noch" 43 Prozent Vertrauen kommen die gewählten Ehrenamtlichen. Ein sattes Minus von 9 Prozent innerhalb eines Jahres. Vor der Corona-Krise lagen die Werte für die Gemeindevertreter jahrelang um 50 Prozent, während der Corona-Krise zwischen 52 und 56 Prozent.



Genau die gleichen Werte hat Forsa übrigens für die jeweilige Stadt- oder Gemeindeverwaltung ermittelt.  

Auffällig: Auf der kommunalen Ebene gibt es KEIN West-Ost-Gefälle 

Eine spannende, vielleicht etwas beruhigende Analyse, hat das Meinungsforschungsinstitut Forsa jedoch für die kommunale Ebene zu bieten. Anders, als auf der Bundesebene gibt es bei der kommunalen Wahrnehmung kein Ost-West-Gefälle. Während die Differenz zwischen den alten und den "neuen" Bundesländern bei den Institutionen auf Landes- und Bundesebene fast überall im zweistelligen Bereich liegen, gibt es bei der Befragung zu Bürgermeistern, Gemeinderäten und Stadtverwaltungen faktisch keine Unterschiede. 

In Zahlen ausgedrückt: Dem Bundespräsidenten vertrauen 65 Prozent der Westdeutschen, aber nur 53 Prozent der Ostdeutschen. 

Der Institution Bundestag vertrauen 39 Prozent der Westdeutschen, aber nur 28 Prozent der Ostdeutschen.

Der Europäischen Union vertrauen 33 Prozent der Westdeutschen, aber nur 20 Prozent der Ostdeutschen. 

Insgesamt ist das Vertrauen in die "politischen Institutionen" oberhalb der kommunalen Ebene also in Mitteldeutschland sehr viel schwächer ausgeprägt. 

Anders sieht das auf kommunaler Ebene aus. Einen spürbaren Unterschied gibt es nur beim Bürgermeister oder Oberbürgermeister. Ihm vertrauen in Westdeutschland 45 Prozent der Menschen, in Ostdeutschland 40 Prozent. Der Unterschied ist also schon mal geringer als bei den "großen Institutionen". 

Deutlicher wird das, wenn Forsa nach den Vertrauen in die Gemeindevertreter fragt. 43 Prozent der Westdeutschen vertrauen ihren ehrenamtlich gewählten Stadtverordneten, gar 44 Prozent der Ostdeutschen tun dies ebenfalls. Ein marginaler Unterschied, der eher im Bereich der Fehlertoleranz liegt. 

Das zeigt sich auch bei der Stadt- oder Gemeindeverwaltung. 43 beziehungsweise 42 Prozent der West- beziehungsweise Ostdeutschen vertrauen ihrem Rathaus und den dortigen Mitarbeitern. 

Auf kommunaler Ebene spielen die Parteien eine untergeordnete Rolle 

Spannend ist auch, schaut man sich das Vertrauen der verschiedenen Anhänger der Parteien an. Zeitgleich mit der Umfrage hat Forsa wieder gefragt, welche Partei die jeweiligen Personen wählen würden. Schaut man sich deren Antworten an so zeigt sich, dass Wähler der SPD mit Abstand das höchste Vertrauen in Institutionen haben, während AfD Wähler die Institutionen grundweg ablehnen. Ein Beispiel: Dem Bundespräsidenten vertrauen 88 Prozent der SPD-Anhänger, 64 Prozent der CDU-Anhänger, 79 Prozent der Grünen-Wähler und 63 Prozent der FDP-Wähler. Bei den Anhängern der AfD vertrauen nur 12 Prozent dem Bundespräsidenten. Diese Werte ziehen sich ganz ähnlich bei allen weiteren Institutionen durch. 

Beispiel Landesregierung: Ihr vertrauen 60 Prozent der SPD-Anhänger, 80 Prozent der CDU Anhänger, 57 Prozent der Grünen-Wähler, 49 Prozent der FDP-Wähler aber nur 11 Prozent der AfD-Wähler. 

Deutlich geringer fallen die Unterschiede jedoch auf der kommunalen Ebene aus. Dem Bürgermeister vertrauen über alle Parteien hinweg zwischen 60 Prozent (CDU/CSU-Anhänger) über 59 Prozent (SPD) und 54 beziehungsweise 57 Prozent der Grünen und FDP-Wähler. Einzig bei der AfD fällt auch dieser Wert mit 27 Prozent deutlich ab. Kurz gesagt lehnen AfD Anhänger jegliche Institutionen grundsätzlich ab, während die Anhänger aller anderen Parteien sehr deutlich zwischen den Ebenen unterscheiden. Auf der kommunalen Ebene spielt die Parteipolitik dabei offenbar keine nennenswerte Rolle, die Werte liegen über alle Parteien hinweg sehr nah beeinander. Ähnlich fallen die Ergebnisse für die Gemeindevertretung (Vertrauen liegt bei allen "demokratischen Parteien zwischen 53 und 58 Prozent) und für die Stadt-Gemeindeverwaltung ( zwischen 59 und 49 Prozent) aus. Bei den AfD-Anhängern liegen die Werte unter 30 Prozent. 

Kommentar: Was die Zahlen für Kommunalpolitiker bedeuten

KOMMUNAL-Chefredakteur Christian Erhardt fasst die Ergebnisse wie folgt zusammen: 



Die Zahlen zeigen, dass die massive Vertrauenskrise auf Bundesebene und in die EU sich nun auch auf die Kommunalpolitik auswirkt. Der Vertrauensvorschuss aus der Zeit der Corona-Krise ist verspielt. Hier waren es vor allem die Bürgermeister vor Ort, die immer wieder für einen Diskurs geworben haben. Die versucht haben, die unterschiedlichen Interessen  - zwischen Schutz und Freiheit, zwischen Corona-Hardlinern und Andersdenkenden - auszugleichen. 

In der Energiekrise nun aber gelingt es auch der Kommunalpolitik nicht, den Bürgern klar zu machen, warum sie bestimmte Maßnahmen ergreifen. Die ausgeschaltete Straßenlaterne und der nicht beleuchtete Weihnachtsmarkt wird auch dem Bürgermeister  und der Stadtverwaltung direkt angelastet. 

Wenn die kommunale Ebene eine positive Erfahrung aus der Corona-Krise mitnehmen sollte, dann die, dass es immer des Ausgleichs der Interessen bedarf. So falsch es war, Corona-Kritiker direkt in eine "rechte Ecke der Leugner" zu stellen, so falsch ist es jetzt, die Maßnahmen in der Energiekrise als "alternativlos" darzustellen. Politik muss weiter erklären, mit den Menschen reden und nach Lösungen suchen. Das Abschalten der Straßenlaterne ist nicht "alternativlos". Die Bürger erwarten zumindest von den "greifbaren Mitmenschen und ehrenamtlichen und hauptamtlichen Politikern vor Ort", dass sie die Maßnahmen diskutieren und gemeinsam nach Lösungen suchen.

Ein "parteipolitisches" Denken in Schubladen will in der Kommunalpolitik kein Bürger. Nicht jeder Kritiker ist gleich "rechts" oder ein "Schwurbler", er will gehört werden und hat das Recht darauf. Kritik und Ängste etwa nach der Silvesternacht abzubügeln mit "warmen Worten, ohne konkret Ross und Reiter zu nennen" führt zu noch mehr Resignation. So verlieren wir immer weitere Teile der Bevölkerung auch für die kommunalen Belange. Es sollte uns zu denken geben, dass in der jüngste Allensbach-Umfrage aus der vergangenen Woche nur noch 48 Prozent der Deutschen sagen, dass man noch "frei reden darf". Nicht einmal mehr die Hälfte der Deutschen traut sich also, seine Meinung frei zu sagen oder hat das Gefühl, dass das nicht ohne Konsequenzen möglich ist.  Im Osten geht davon sogar nur noch jeder Dritte (34 Prozent) aus. Vor fünf Jahren glaubten noch 66 Prozent der Deutschen an eine uneingeschränkte Meinungsfreiheit, im Jahr der Wiedervereinigung (1990) waren es sogar 78 Prozent. Umkehren können diesen Trend nur die "Gesichter" vor Ort, wir, die Kommunalpolitiker.

Mein Wunsch für 2023 an Sie: Hören wir endlich wieder allen zu! Halten wir auch andere Meinungen aus! Diffamieren wir vor Ort nicht Andersdenkende immer gleich als Schwurbler, Rechte oder Anti-Demokraten. Nur so können wir die Demokratie retten!