Wenn die Trinkwasserversorgung ausfällt, kommt diese Feuertruppe ins Spiel.
Wenn die Trinkwasserversorgung ausfällt, kommt diese Feuertruppe ins Spiel.
© Berufsfeuerwehr Mülheim an der Ruhr

Notversorgung

Diese Feuerwehr-Truppe hilft bundesweit

Eine Kommune im Ruhrgebiet stellt ein Feuerwehrteam zur Verfügung, wenn irgendwo in Deutschland die Trinkwasserversorgung zusammenbricht. Der stellvertretende Amtsleiter fordert: "Wir brauchen eine solche Eingreiftruppe in jedem Bundesland."

Vieles ist in Deutschland noch immer eine selten hinterfragte Selbstverständlichkeit. Etwa die Tatsache, dass trinkbares Wasser zu jeder Tages- und Nachtzeit aus den Hähnen strömt. Es braucht nicht erst eine Umweltkatastrophe wie im Ahrtal, um diese Gewissheiten nachhaltig zu erschüttern. In einem sauerländischen Dorf war das Trinkwasser in der Weihnachtszeit so verunreinigt, dass es nur noch abgekocht verwendet werden konnte und im westfälischen Coesfeld sorgte ein Rohrbruch im November vergangenen Jahres dafür, dass zwei Ortschaften komplett von der Versorgung abgeschnitten waren. Ohne den Einsatz eines in Deutschland einzigartigen Trinkwassernotversorgungssystems wären die Einwohner auf Flaschenwasser angewiesen gewesen.

Trinkwasserprobleme - Feuerwehrtruppe aus Mülheim an der Ruhr

In Mülheim an der Ruhr ist eine Feuerwehrtruppe - die einzige deutschlandweit - stationiert, die in Notfällen angefordert werden kann. Auf LKWs mit Anhängern werden sogenannte Wechsellader-Behälter mit einem Hakensystem huckepack genommen und in die Krisenregion gefahren. 10 bis 15 speziell geschulte Feuerwehrmänner und -frauen stehen für einen Einsatz zur Verfügung. Zur Ausrüstung gehören:

  • Drei 15.000-Liter-Tankmodule
  • Zwei 15.000-Liter-Faltbehälter
  • Diverse 600-Liter und 1.000-Liter-Faltbehälter - die gesamte Transportkapazität betragt 55.000 Liter Trinkwasser
  • Eine 24.000 Liter fassende Mulde für Not- oder Löschwasser
  • Ein sich selbst aufrichtender Waldbrandbehälter mit 55.000 Litern Fassungsvermögen
  • Spezialausrüstung zur Druckerhöhung in Wasserleitungen
  • UV-Desinfektionsanlagen zur Wasseraufbereitung
  • Sechs zusammenschaltbare Aggregate mit einer Gesamtleistung von etwa 4,1 Megawatt. Damit lässt sich in der Not ein ganzes Wasserwerk wieder ans Laufen bringen.

Trinkwasserversorgung: Notfälle gibt es immer wieder

Michael Lülf ist stellvertretender Amtsleiter der Berufsfeuerwehr in Mülheim an der Ruhr. Der Diplom-Ingenieur ist seit 20 Jahren dabei und hat schon viele Einsätze mitgemacht. Die Flutwasserkatastrophe im Ahrtal mit dem Zusammenbruch von Infrastruktur und Versorgung gehörte zu den schwersten Einsätzen: "Wir waren damals 52 Tage mit unserem Gerät im Einsatz, haben Trinkwasser an die Bevölkerung ausgeteilt und Hochbehälter befüllt." Aber er kennt auch andere, weniger spektakuläre Fälle. "2019 gab es in Heidelberg ein anderes Problem: Die Trinkwasserversorgung an sich war nicht gefährdet, aber das Wasser war aus erstmal ungeklärter Ursache blau verfärbt. Bevor Kommunen in solchen Fällen sensible Umgebungen -  etwa Kliniken - evakuieren, ist ein Anruf bei uns die bessere Lösung. Wir können vermutlich helfen, bis die Ursachen geklärt sind."

Entladen von Einsatzgeräten zur Trinkwassernotversorgung in Rosendahl (Kreis Coesfeld)

Bundesweite Einsätze - kommunale Kosten

Als das Projekt 2016 aus der Taufe gehoben wurde, erhielt die Kommune Bundesmittel, weil das Bundesamt für Bevölkerungsschutz darin ein unterstützenswertes Modellprojekt sah. Die Investitionen waren hoch, weil es am Markt keine geeigneten Gerätschaften gab. Bei der Sicherstellung der Trinkwasserqualität der Einsatzgeräte sorgt der regionale Wasserversorger, mit dem die Feuerwehr eng und gut zusammenarbeitet. Die Kosten für die Abstellung der Kolleginnen und Kollegen im Notfall trägt zunächst die Kommune.

Michael Lülf unterstreicht: "Die ein oder andere Rechnung stellen wir den betroffenen Kommunen natürlich auch, aber verglichen mit den Gesamtkosten kommen wir da nur auf eine Art Taschengeld." Das Land Nordrhein-Westfalen hat der schnellen Einsatztruppe kürzlich 4,2 Millionen Euro Fördergelder bereitgestellt. "Das Geld wird gut angelegt. Die Katastrophe im Ahrtal hat gezeigt, dass es auch in Zukunft Situationen geben wird, wo die zerstörte Infrastruktur es zum Beispiel notwendig macht, geländegängige Fahrzeuge einzusetzen", sagt Lülf.

Notsystem Trinkwasser: Wenn Brunnen keine Lösung sind

Was passiert, wenn flächendeckend der Strom ausfällt? Über dieses Szenario machen sich viele Menschen Gedanken. Anders sieht es mit dem stets verfügbar scheinenden Trinkwasser aus. Michael Lülf: "Ich halte viele Vorträge und meistens habe ich die Aufmerksamkeit der Menschen, wenn ich sie frage, wie viele von ihnen zu Hause ein mit Trinkwasser aus dem Hahn arbeitendes Soda-Stream-Gerät haben, dann gehen viele Hände hoch. Deutlich weniger sind es, wenn ich frage, wie viele einen Notvorrat mit Flaschenwasser haben. In Bezug auf unser Trinkwasser leben die meisten Menschen noch in einer Wohlfühlblase und auch viele politischen Entscheidungsträger haben das Thema nicht auf dem Schirm." Zwar gibt es im Rahmen des Wassersicherstellungsgesetzes (WasSiG)  Vorgaben zur Trinkwassernotversorgung, aber die darin vorgeschriebenen Notbrunnen kann nicht jede Kommune garantieren. Michael Lülf erklärt: "In einigen Regionen sind aufgrund geologischer Gegebenheiten Trinkwassernotbrunnen gar nicht umsetzbar." 

Es braucht ein bundesweites Netz

Er plädiert für ein bundeseinheitliches Trinkwassernotversorgungskonzept und weitere Trinkwassernotversorgungssyteme - mindestens eines in jedem Bundesland. Immerhin: langsam bewege sich etwas. Michael Lülf: "Mit Bremerhaven als Kommune und dem Land Brandenburg stehen wir in engem Kontakt. Sie haben das Mülheimer System ebenfalls beauftragt und werden zukünftig mit uns zusammenarbeiten. Bis es in anderen Bundesländern so weit ist, fahren meine Kolleginnen, Kollegen und ich im Notfall natürlich auch bis Bayern und Sachsen."   

Fotocredits: Berufsfeuerwehr Mülheim an der Ruhr