Symbolbild Trendbarometer
© AdobeStock

Studie

Trendbarometer: Kommunalfinanzierung 2023

23. September 2023
Die TU Darmstadt hat 450 Finanzentscheider aus Kommunen befragt. Herausgekommen ist ein Trend zur finanziellen und wirtschaftlichen Situation der Kommunen und ihrer Planungen für das kommende Jahr. Die Autoren der Studie stellen die wichtigsten Ergebnisse im KOMMUNAL-Gastbeitrag vor.

Während gefühlt ganz Deutschland die letzten Monate in den Sommerferien verbracht hat, wurden in vielen Kommunen neue Arbeitsgruppen eingerichtet und bestehende mit Extraschichten beauftragt, um die Vorgaben des Gesetzes zur kommunalen Wärmeplanung umzusetzen. KOMMUNAL-Chefredakteur Christian Ehrhardt hatte dies im Sommer in dieser Zeitschrift detailliert ausgeführt. Damit kommt ein weiteres ressourcenzehrendes Großprojekt auch mit Finanzierungsnotwendigkeiten auf die Kämmereien zu, die bereits zuvor über Inflation, Zinsanstieg und Haushaltsbelastungen gestöhnt haben. Das „Trendbarometer Kommunalfinanzierung 2023“ von der TU Darmstadt hat etwa 450 Finanzentscheider aus Kommunen, kommunalen Unternehmen und Finanzinstituten befragt, um die wesentlichen aktuellen Herausforderungen auch der nachhaltigen Transformation bei den Finanzverwaltungen mit belastbaren Zahlen zu unterlegen.

Schulden werden ansteigen

Dabei liefert zur Abschätzung der Handlungsspielräume, die die Haushaltslage für weitere Investitionen bietet, die Entwicklung der Gesamtverschuldung eine erste Indikation. Hier lässt sich mit Blick zurück auf das Haushaltsjahr 2022 zwar eine leichte Entspannung beobachten, denn für die Hälfte der befragten 353 Kommunen war ihre Verschuldung gesunken und nur elf Prozent verzeichneten einen starken Anstieg. Diese Entwicklung wird sich gemäß der geäußerten Erwartungen in 2023 aber nicht fortsetzen, mehr als die Hälfte der Finanzverwaltungen gehen von einer wachsenden kommunalen Schuldenlast aus und nur jeder Vierte rechnet mit einem weiteren Rückgang.

Kommunale Haushaltsspielräume eingeschränkt

Zudem wird der Anstieg des Schuldenstandes von einem weitaus dramatischeren Anstieg der Zinskosten für die Neuschuldenaufnahme begleitet, so dass zusammenlaufend die kommunalen Haushaltsspielräume stark eingeschränkt werden. Für das laufende Jahr gehen die Kämmereien durchschnittlich von Zinssätzen bei einer Kreditlaufzeit über fünf Jahre von 3,63 Prozent aus, befürchten aber zugleich einen weiteren Anstieg bis 2027 auf 3,97 Prozent. Ihre Finanzierungspartner auf der Bankenseite erwarten dagegen zwar mittelfristig eher einen leichten Rückgang der Finanzierungssätze, gehen aber mit durchschnittlich 3,18 Prozent ebenfalls von Zinslasten aus, die deutlich oberhalb der Sätze von Anfang 2022 liegen.

Nachhaltige Finanzierung wird wichtiger

Dass in den letzten Jahren die Kommunen selbst nicht zufrieden mit ihren Investitionsvolumina gerade im Bereich Klimaschutz und Klimaanpassung waren, stellte in diesem Sommer bereits die Umfrage der Europäischen Investitionsbank unter 744 Kommunen aus der gesamten Europäischen Union fest. Als zentrale Restriktion zeigten sich dabei europaweit die mangelnden Möglichkeiten zur Finanzierung. Damit stellt sich auch für deutsche Kommunen die Frage nach dem Stellenwert des Themas Nachhaltigkeit bei der Finanzierung. Hier unterstreichen die Daten des Trendbarometers Kommunalfinanzierung über die letzten beide Jahre, dass für die Mehrheit der Befragten Nachhaltigkeit bislang noch keine Rolle spielt, aber zunehmend wichtiger wird. Nur etwa jede neunte Kommune berichtet heute schon einen hohen Stellenwert. Auf Seiten der Kreditgeber hat die Nachhaltigkeit bei der Kommunalfinanzierung bereits eine höhere Bedeutung erlangt. Mehr als jedes vierte Kreditinstitut misst der Nachhaltigkeit schon heute einen hohen Stellenwert bei.

Symbolbild grüne Kredite

Diese Diskrepanz mit einer recht verhaltenen Resonanz bei der Berücksichtigung von Nachhaltigkeit in der kommunalen Kreditnachfrage geht einher mit einer im Vorjahresvergleich allgemein sehr zurückhaltenden Abfrage von Informationen über Fördermittel über alle typischen Informationskanäle hinweg. Die insgesamt im Jahr 2022 vorherrschende hohe Unsicherheit und die nicht immer glückliche Kommunikation der Bundesregierung zu geplanten Maßnahmen im Energiebereich mögen diese Beobachtungen erklären können. Die hohe Bereitschaft der Kommunen, sich zeitnah der Nachhaltigkeit auch in Finanzierungsfragen verstärkt zu widmen, sollte von Banken, die verstärkt in kommunale Kredite investieren wollen, als Signal verstanden werden. Wenn es etwa digitalen Plattformen für Kommunalkredite gelingt, grüne Kreditprodukte sicherzustellen, ergeben sich für Banken, die ihre Green Asset Ratio im Blick haben, attraktive, weil schnell wachsende Anlagemöglichkeiten.

Kommunale Einlagen - kürzere Laufzeiten

Während beim Kreditgeschäft also durchaus unterschiedliche Sichtweisen zwischen Kreditgebern und Kommunen sichtbar werden, finden kommunale Einlagenanfragen ein stark verändertes Umfeld. Anfang des Jahres 2022 hatten noch 80 Prozent der befragten Kreditinstitute kommunale Einlagen zur Refinanzierung als uninteressant eingestuft, zwölf Monate später teilt diese Position nur noch jeder Fünfte. Zwei von drei Befragten klassifizieren die Verwaltung kommunaler Liquiditätsreserven dagegen als interessant oder sogar sehr interessant.

Die Dramatik dieses Perspektivwechsels unter den deutschen Kreditinstituten in der Folge gestiegener Zinsen erscheint insgesamt überaus bemerkenswert. Einhergehend mit dieser grundlegenden Neubewertung haben sich auch die Fristigkeitspräferenzen der Banken verschoben. Inzwischen beschränkt sich die gesuchte Einlagenlaufzeit der Banken nicht mehr auf Mindestzeiträume ab zwei Jahren, sondern es werden in erheblichem Umfang auch wieder gerne Einlagen über ein bis sechs Monate angenommen.

Digitale Plattformen bei Finanzbeschaffung

Die Kämmereien haben sich daher weniger auf der Einlagenseite nach attraktiven Alternativen umzusehen, sondern vor allem bei der Kommunalfinanzierung. Und hier zeigt sich eine über die Zeit hinweg große und wachsende Aufgeschlossenheit, digitale Lösungen einzubeziehen. So nutzen bereits 40 Prozent der Befragten heute schon digitale Plattformen bei ihrer Finanzbeschaffung. Neben der guten Transparenz und der Vergleichbarkeit der Kreditangebote spielen auch die attraktiven Kreditkonditionen und Zeitersparnis eine wichtige Rolle und mit Blick auf eine zunehmend kritischere Öffentlichkeit betont jede zweite Kommune die gute Dokumentation aller Vorgänge. Umgekehrt ist ein wesentliches Argument aus den Kämmereien, warum sie aktuell keine Kommunalkredit-Plattformen nutzen, der Eindruck, dass es zu viele Plattformen zur Auswahl gibt. Die weitestgehende Konsolidierung im Bereich der digitalen Plattformen zur Kommunalfinanzierung über die letzten 12 Monate hat dieses Argument obsolet werden lassen, was für eine noch dynamischer voranschreitende Digitalisierung in der kommunalen Kreditaufnahme in der näheren Zukunft spricht.

Thomas Eitenmüller ist Geschäftsführer der komuno GmbH. Zuvor arbeitete er 20 Jahre als Managing Partner bei LPA.

Dirk Schiereck lehrt Unternehmens­finanzierung an der Technischen Universität Darmstadt.