Lebensmittel in Kisten von der Frankfurter Tafel
"Lebensmittel retten. Menschen helfen." - die Kernidee der Frankfurter Tafel
© Frankfurter Tafel e.V.

Fehlende Lebensmittel

Ukraine-Krieg: Dramatische Folgen für die Tafel

Bei der Frankfurter Tafel wird sichtbar, welch dramatische Folgen die Ukraine-Krise auch für die Bedürftigen in Deutschland hat. Während die Nachfrage und die Preise steigen, fehlen die Lebensmittel. Auch in anderen Städten beklagen die Hilfsorganisationen, die Lebensmittel verteilen: Die Spenden sind massiv zurückgegangen.

Der Hilferuf ist eindringlich: „Unser Lager ist leer und etwa 25.000 bedürftige Mitmenschen brauchen uns. Die Spendenbereitschaft für die Ukraine ist natürlich wichtig und toll, leider werden hierbei die Probleme vor der Haustür unbewusst vergessen. Die Lebensmittelspenden für die Frankfurter Tafel sind um cirka 80 Prozent zurückgegangen.“

Weniger Lebensmittelspenden an die Tafel

Diese dramatischen Auswirkungen der Ukraine-Krise hat die Frankfurter Tafel vor wenigen Wochen auf ihrer Website veröffentlicht. Dabei wurde ganz konkret offenbar, wie heftig und folgenreich sich der Krieg in Europa auch auf die hiesigen Bedürftigen auswirkt und Ehrenamtliche an ihre Grenzen bringt. Die Ursache der Notsituation: Während mit den ukrainischen Flüchtlingen in Frankfurt am Main die Zahl jener wuchs, die um Lebensmittel von der Tafel ansuchten, gingen gleichzeitig die Lebensmittel-Spenden zurück. So fuhren die Mitarbeiter zwar weiterhin die Supermärkte an, um dort die übriggebliebene Ware mitzunehmen.Einen deutlichen Einbruch aber gab es bei den großen Lebensmittel-Sponsoren, die ihre Ware, zum Beispiel Güter aus Rücksendungen, normalerweise in Pallettengrößen an die Tafel lieferten. Sie spendeten sie stattdessen nun für die Ukraine. „Die Lage war wirklich dramatisch“, erzählt Rainer Häusler, der als 1. Vorsitzender seit 1996 ehrenamtlich für die Tafel arbeitet. „Unsere Regale waren leer, gleichzeitig wurde die Tafel quasi überrannt von Bedürftigen und wir mussten vor den Ausgabestellen die Kunden abweisen.“

Kernarbeit der Frankfurter Tafel in Gefahr

Die Kernarbeit der Frankfurter Tafel ist so direkt wie essentiell: Als eine der größten Tafeln in Deutschland ist es ihr Ziel, bedürftigen Mitmenschen, die in Frankfurter einen "Frankfurt-Pass" besitzen, mit guten Lebensmitteln zu helfen, die die Mitarbeiter wiederum vor der Entsorgung retten. Nachdem diese eingesammelt und sortiert worden sind, werden sie an 12 Lebensmittelausgabestellen im Stadtgebiet an die Kunden verteilt – im Monat sind das im Schnitt 230 bis 270 Tonnen Ware.

Über die Ausgaben bedient die Tafel so jeden Monat etwa 15.000 bedürftige Mitmenschen, hinzu kommen rund 12.300 Menschen, die über soziale Einrichtungen wie etwa das Jugendhaus oder Essensstellen für Obdachlose versorgt werden, die die Mitarbeiter der Tafel ebenfalls mit Lebensmitteln beliefern. Um diese Aufgaben Tag für Tag zu bewältigen, arbeiten für die Tafel 182 ehrenamtliche Mitarbeiter an den Lebensmittelausgabestellen und im Fahrdienst. Finanziert wird die Tätigkeit des gemeinnützigen Vereins ausschließlich über Spenden.

Steigende Nachfrage bei sinkendem Angebot

Schon immer war laut dem Vorsitzenden klar: „Die Tafel ist ein Zusatzangebot und nicht für die Grundversorgung der Menschen zuständig.“ Zudem richtete sich die Tafel explizit an die dauerhaft Bedürftigen in Frankfurt und war nicht für den Einsatz in akuten Notsituationen gedacht. Angesichts der aktuellen Lage ist dieser Ansatz ins Wanken geraten und gelangen die Ehrenämtler regelmäßig an ihre Grenzen. Rund 5.ooo ukrainische Flüchtlinge sind derzeit in Frankfurt und obwohl sie noch keinen offiziellen Status haben, kommen sie regelmäßig an die Ausgabestellen. Dass es hier kostenlose Lebensmittel gibt, spricht sich herum und so steigt die Zahl der zusätzlichen Kunden. „Das Problem wird ständig größer“, sagt Häusler, und auch wenn den Flüchtlingen eigentlich keine Lebensmittelausgabe zusteht, bringen die Ehrenamtlichen es kaum übers Herz, sie ohne etwas abzuweisen. „Wenn da zwei Frauen mit drei Kindern an der Hand in der Halle stehen und um Lebensmittel bitten, schicken wir sie natürlich nicht weg“, sagt Häusler.

Rainer Häusler, Vorsitzender der Frankfurter Tafel
Rainer Häusler engagiert sich seit 1996 für die Frankfurter Tafel

Frankfurter Tafel an ihren Grenzen

Mittlerweile hat sich die Lage etwas entspannt – etliche Lebensmittel-Sponsoren haben die Lieferungen wieder aufgenommen. „Der Notruf hat gewirkt und die Tafel wird wieder stärker beliefert. Wir haben zwar nach wie vor deutlich weniger Lebensmittel als zuvor zur Verfügung, aber die Situation ist nicht mehr akut dramatisch“, sagt Häusler. Allerdings: Die Zahl der Hilfsbedürftigen ist nach wie vor hoch, Tendenz steigend. Für den Augenblick lösen die Mitarbeiter der Tafel die Dilemma-Situation dadurch, dass sie schlicht weniger Lebensmittel pro Bedürftigen ausgeben. „Wir haben weniger Lebensmittel und mehr Bedürftige – das heißt, der Einzelne bekommt weniger“, so Häusler. Zudem kämpfen die Mitarbeiter der Tafel mit den weiteren Folgen der Ukraine-Krise, insbesondere den gestiegenen Spritpreisen. „Früher hatten wir 5.000 Euro Spritkosten im Monat, nun sind es 8.500 Euro“, sagt Häusler. Das sei mittelfristig ein großes Problem.

Keine Entspannung in Sicht

Auch wenn zumindest die Lebensmittel-Spenden mittlerweile wieder gestiegen sind, rechnet der Vorsitzende der Tafel für die kommenden Monate nicht mit einer Entspannung der Lage. Dauert der Ukraine-Krieg noch länger an, wird die Zahl der Bedürftigen noch einmal steigen – laut Häusler spätestens dann, wenn die ukrainischen Flüchtlinge nach längerer Aufenthaltszeit in Frankfurt offiziell gemeldet und als dauerhaft Bedürftige anerkannt sind und damit den „Frankfurter Pass“ erhalten. Ab diesem Moment haben sie auch offiziell Anspruch auf Güter der Frankfurter Tafel. „Dann werden die Zahlen der Bedürftigen vor unseren Türen nochmal deutlich steigen“, ahnt Häusler. Im Moment ist noch völlig offen, wie die Tafel das stemmen wird.

Fotocredits: 123rf.com sowie Frankfurter Tafel