Studie: Plädoyer für die Dorfschule
Eine der wichtigsten Aussagen der Studie ist ebenso logisch wie banal: Ohne die Dorfschule auch mit altersübergreifenden Klassen ist die Provinz verloren. Auf den ersten Blick auffallend in der Studie ist zudem: In den Städten erreicht ein weit höherer Anteil der jungen Menschen die Hochschulreife, als in ländlichen Regionen. Das sind Zahlen aus der Studie des Aktionsrats Bildung, die heute offiziell in Gänze präsentiert wird. Die wichtigsten Schlaglichter liegen aber schon vor.
Aber ist wegen des selteneren Abiturs die Bildung der Menschen auf dem Land wirklich schlechter? Nein, auf keinen Fall. Denn die Studie räumt gleichzeitig mit dem Mythos auf, es gebe in der Bildung ein Stadt-Land-Gefälle. Vielmehr gebe es nur sehr unterschiedliche Herausforderungen zwischen Stadt und Land. Hauptaufgabe auf dem Land müsse sein, "alle Möglichkeiten für den Erhalt von Grundschulen" auszuschöpfen. So steht es wörtlich in dem Gutachten. Die Experten warnen davor, dass der Trend der vergangenen Jahre, auf geringere Kinderzahlen mit Schulschließungen zu reagieren, fortgesetzt wird. Gerade bei Grundschülern seien kurze Wege wichtig.
Darum muss die Dorfschule erhalten bleiben
Der Unterricht muss laut dem Gutachten auch mit wenigen Schülern fortgesetzt werden. "Vorbild kann die alte Dorfschule sein", so die Gutachter. Pro Schule soll ein Angebot für alle Altersstufen der Primarstufe aufrecht erhalten werden, fordern die Professoren deutlich. Es sei dabei überhaupt nicht problematisch, wenn auch zwei Stufen altersübergreifend unterrichtet werden. Die Form der Dorfschule habe sich schon früher bewährt. Wichtig sei nur, diese Dorfschulen in Netzwerke mit anderen Schulen einzubinden, so der Aktionsrat. Das bedeutet dann auch für die Lehrer, dass sie schulübergreifend zuständig sind. "So kann ein möglichst großes Angebot und eine hohe Qualität des Unterrichts gewährleistet werden", heißt es. Gerade in den Dorfschulen können aus Sicht der Forscher auch digitale und mobile Angebote nützlich sein.
Die Forscher brechen bei der Gelegenheit gleich noch eine Lanze für mehr kommunale Autonomie in den Schulen. "Was am besten geeignet ist, kann vor Ort von den lokal Verantwortlichen besser konzipiert werden als am grünen Tisch", heißt es. Damit bestätigen sie nicht zuletzt eine Forderung, die auch wir bei KOMMUNAL schon mehrfach aufgesellt haben, nämlich die komplette Verantwortung für Budget und Einstellung der Lehrer von der Landesebene auf die kommunale Ebene zu verlagern. HIER finden Sie eine ausführliche Begründung dazu.
Warum auf dem Land seltener das Abitur abgelegt wird - und das gut für die Regionen ist
Die Studie sagt aber auch, dass nach der Grundschule auf dem Land weniger Kinder auf ein Gymnasium wechseln, als in der Stadt. Entsprechend niedriger ist die Abiturquote in ländlichen Regionen. In den Städten liegt diese inzwischen bei 42 Prozent, Tendenz steigend. In ländlichen Regionen sind es "nur" 28 Prozent. Zum Nachteil wird das für die Schüler aber nicht. Denn die Forscher haben herausgefunden, dass ein wichtiger Grund für die niedrigere Abiturquote die Tatsache ist, dass auf dem Land das Handwerk bei der Berufswahl eine viel größere Rolle spielt als in den Städten. Dort orientieren sich die Berufswünsche sehr viel stärker auf eine Ausbildung im Öffentlichen Dienst und auf ein Studium. Gerade das Handwerk vor Ort in den Regionen hat also eine große Chance, hier in der Region selbst Nachwuchskräfte zu finden. Daher empfiehlt die Studie auch eine Verstärkung der Bildungsberatung in ländlichen Regionen. Nötig seien noch mehr Informationen über alle regional und überregional verfügbaren Bildungsangebote sowie zu den daran anschließenden beruflichten Optionen.
So zitiert die Tageszeitung Welt heute den Präsidenten der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, Wolfram Hatz nicht umsonst ob der Studie mit den Worten: "Wir brauchen trotz regionaler ein weitgehend gleichwertiges Bildungsangebot in Stadt und Land". Denn gerade für Mittelständlier sei eine gute Schuldbildung der Kinder vor Ort wichtig, um Fachkräfte zu gewinnen und zu halten.
Die Schulen in den Städten haben ganz andere Herausforderungen
Ethnische und soziale Unterschiede sind derweil die Herausforderungen in den Städten. Schülerspezifische Probleme wie Disziplin, Sicherheit und Fehlzeiten spielten hier eine wesentlich größere Rolle - entsprechend müssten die Lehrer hier stärker vorbereitet werden. Zudem ist für jedes Dritte Schulkind in einer Stadt Deutsch nicht die Muttersprache. In ländlichen Gebieten ist das nur bei jedem siebten Kind der Fall. In Städten wächst zudem jedes fünfte Kind mit nur einem Elternteil auf, in ländlichen Regionen ist es jedes Achte. Entsprechend ist auch der Anteil der Schüler mit sozialpädagogischem Sonderbedarf in den Städten doppelt so hoch wie auf dem Land.