Städte-Ranking
Wirtschaftspolitik: Deutschlands erfolgreichste Kommunen
In Sachen Wirtschaftspolitik hat Ingelheim am Rhein alles richtig gemacht. Die Stadt hat alles, was es aus wirtschaftspolitischer Sicht braucht. Das ist das Ergebnis einer groß angelegten Studie mit 67 Indikatoren aus dem Bereich der Wirtschaftspolitik. Aber der Reihe nach...
Schon im achten Jahrhundert befand sich in der Stadt in Rheinland-Pfalz die Ingelheimer Kaiserpfalz, die den Kaisern und Königen bis ins elfte Jahrhundert als Aufenthalts- und Regierungsort diente. Wirtschaftspolitik oder besser Finanzpolitik war auch damals schon ein Thema im Ort, schon weil auch auf dem alten 100 D-Mark Schein ein Ingelheimer zu sehen. Sebastian Münster, der Autor der Cosmograhia zierte die Banknote viele Jahre. Heute nun ist die 35.000 Einwohner-Stadt Sitz eines Pharmaunternehmens und bekannt für den Anbau von sehr gutem Rotwein, weshalb Ingelheim am Rhein auch gerne als „Rotweinstadt“ bezeichnet wird.
Diese Faktoren aus dem Bereich Wirtschaftspolitik haben wir bewertet
Doch diese Faktoren allein hätten wohl nicht gereicht, um von KOMMUNAL und Contor-Regio die Auszeichnung „erfolgreichste Mittelstadt Deutschlands“ zu bekommen. Wir haben mit dem Analyseunternehmen insgesamt 67 Indikatoren in rund 600 Städten verglichen. In die Wertung kamen alle Städte mit maximal 75.000 Einwohnern und mindestens 20.000 Einwohnern. Zu zwei Dritteln flossen langfristige Komponenten ein. Dazu zählen etwa ein hohes Niveau bei demografischen Daten wie etwa Altersdurschnitt der Bevölkerung, die Bevölkerungsentwicklung oder der Arbeitslosenanteil. Dazu kommen Sozioökomische Daten wie etwa die Entwicklung der Insolvenzverfahren, die Steuereinnahmen pro Einwohner oder die Zahl der Einfamilienhäuser. Auch die Lebensqualität haben wir mit statistischen Daten untermauert, etwa das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner, der Beschäftigtenanteil und vieles mehr.
Mit einem Drittel ist zudem die Entwicklung der Städte in den vergangenen fünf Jahren eingeflossen. Während die langfristigen Faktoren eher die Früchte jahrzehntelanger Arbeit sind, wollten wir über diese Faktoren die Dynamik der Städte erfassen. In Kombination ergeben sich aus diesen Zahlen Punktwerte, die dann zu diesem Ranking führten. Dabei ergab sich, dass die ersten Plätze sehr eng beieinander liegen. Entsprechend muss sich Bürgermeister Adnan Shaikh in Eschborn keinesfalls grämen, dass es für seine Heimatstadt „nur“ für die Silbermedaille im Ranking gereicht hat. Denn auch Eschborn in Main-Taunus-Kreis nahe Frankfurt kann sich mit allen Daten sehen lassen. Der Beschäftigtenanteil liegt faktisch bei 100 Prozent, beim Bruttoinlandsprodukt ist Eschborn weit überdurchschnittlich und auch der Anteil junger Menschen und 20 Jahren ist auffallend hoch.
Platz 3 in Sachen Wirtschaftspolitik ist der Aufsteiger des Jahrzehnts! Und liegt in Sachsen...
Beide Städte profitieren jedoch vor allem von der Gewichtung der langfristigen Komponenten. Ganz anders der Drittplatzierte. Hier ist es vor allem die Entwicklung der vergangenen fünf Jahre, die diese Stadt in Sachsen auf das Siegerpodest gehoben hat. Die Bronze-Medaille geht an die Stadt Döbeln in Mittelsachsen. Bekannt ist sie auch als „Stiefelstadt“. Gut 23.000 Menschen leben hier in 38 Ortsteilen und neun Stadtteilen. Döbeln hat eine traditionelle Innenstadt, deren zentraler Teil auf der Muldeninsel liegt und von zwei Flussarmen umschlossen ist. Sie wurde im Jahr 2002 auf traurige Weise sehr berühmt, als das Hochwasser die historische Innenstadt völlig überflutete und zahlreiche Häuser zerstörte. Inzwischen sind die Muldeninsel und die anderen überfluteten Gebiete restauriert. Schaut man in die Analysedaten, so hat sich Döbeln in den vergangenen fünf Jahren besonders dynamisch entwickelt. Ein sehr positives Wanderungssaldo führt etwa dazu, dass die Stadt in den vergangenen zehn Jahren um fast 4000 Einwohner gewachsen ist. Einzig der Anteil junger Menschen weist noch deutliches Verbesserungspotential auf. Dafür ist die Arbeitslosigkeit in der Stadt stark gesunken, das verfügbare Einkommen hat sich deutlich erhöht, die Investitionen im verarbeitenden Gewerbe steigen.
Und auch Platz vier geht noch einmal nach Mitteldeutschland. In Thüringen befindet sich die Universitätsstadt Ilmenau mit ihren 38.000 Einwohnern. Fast 5500 Studenten sind hier aktuell an der Technischen Universität eingeschrieben, der tragende Wirtschaftszweig, der Maschinenbau, hat ebenfalls zu dem guten Gesamtergebnis beigetragen. Trotzdem ist Ilmenau insofern ein besonderer Aufsteiger, weil die Stadt historisch betrachtet relativ unbeutend war. Erst mit der Industrialisierung entwickelte sich Ilmenau überhaupt, nach dem Zusammenbruch der DDR-Diktatur war die Stadt von einem massiven Strukturwandel in der Industrie betroffen. Vor der Wiedervereinigung lebten fast 30.000 Menschen in der Stadt, kurz danach sank die Zahl auf gut 25.000. Durch zahlreiche Eingemeindungen und die hohe Zahl der Studenten ist die Einwohnerzahl inzwischen aber auf Rekordniveau.
Wenn die Wirtschaftspolitik von einzelnen Unternehmen dominiert wird....
Platz fünf unserer Rangliste hat da eine weniger wechselvolle Geschichte hingelegt und glänzt eher wieder mit langfristigen Komponenten und vor allem seiner starken Wirtschaftsmacht, die vor allem durch zwei große Unternehmen dominiert wird. Neckarsulm in Baden-Württemberg landete im großen KOMMUNAL-Städteranking auf Platz 5. 25.000 Menschen leben hier in der Kernstadt und den drei Stadtteilen im Norden des Bundeslandes. Eine Vergleichszahl: Neckarsulm bietet rund 30.000 Arbeitsplätze. Somit ist sie die größte und wirtschaftlich wichtigste Stadt in der Region Heilbronn-Franken. Allein das Audi-Werk bietet hier 14.000 Beschäftigten einen Arbeitsplatz, hinzu kommt die Zentrale des größten europäischen Handelskonzerns, der Schwarz-Gruppe, die unter anderem Lidl und Kaufland betreiben.
Wie sehr Städte von solchen Großunternehmen abhängen können, zeigt auch Platz sechs unserer Liste. Herzogenaurach im Kreis Erlangen in Bayern dürften die allermeisten wohl mit gleich zwei Sportschuhherstellern verbinden. Adidas und Puma wurden hier gegründet, zusätzlich hat die Schaeffler-Gruppe hier ihren Sitz. Neben den Dassler-Brüdern, die die Sportmarken gegründet haben, stammt auch Lothar Matthäus aus der Stadt in Mittelfranken. Die Plätze sieben bis zehn gehen dann allesamt an Kommunen in Bayern. Platz sieben belegt die Gemeinde Haar mit ihren 19.000 Einwohnern vor Coburg in Oberfranken, Unterhaching bei München und Ottobrunn, ebenfalls in Oberbayern.
Alle Daten und Fakten der 600 untersuchten Städte in der Übersicht
KOMMUNAL hat über unseren Partner Contor Regio für Sie alle Daten aller untersuchten Städte (knapp 600 Orte, alle Kommunen zwischen 20.000 und 75.000 Einwohner sind dabei) zusammengestellt. Sie finden in einer übersichtlichen PDF für jede Stadt jeden statistisch erfassten Wert und eine Gesamtauswertung mit der Platzierung. Zu dem ausführlichen PDF geht es über diesen Link auf Contor-Regio: https://www.contor.org/studien/kommual/erfolg/