Das historische Rathaus von Bocholt - hier gegen die Morddrohungen fast täglich per Mail ein
Das historische Rathaus von Bocholt - hier gegen die Morddrohungen fast täglich per Mail ein
© Von Gouwenaar - Selbst fotografiert, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7187839

Terror in Kleinstadt

Morddrohungen: Bürgermeister setzt Belohnung aus

Anonyme Absender terrorisieren seit Jahren eine Kleinstadt im Münsterland. "Zecke Kerkhoff, wir töten dich", ist nur eine Mail, die in den vergangenen Tagen in der Stadtverwaltung ankommen. Gemeint ist in dieser Mail Thomas Kerkhoff, der Bürgermeister der Stadt. Und das geht seit Jahren so. Die Polizei kann die Mails bis heute nicht nachverfolgen. Jetzt geht der Bürgermeister der Stadt im Westmünsterland in die Offensive - mit einem bewegenden Video und einer Belohnung von 10.000 Euro für sachdienliche Hinweise.

"Sollte ein Kanacke ab November den Keller oder Terassentür meines Großvaters aufbrechen, werden Kerkhoff und (hier wird der Name eines Mitarbeiters der Stadtverwaltung gennant) abends vor der Haustüre erschossen." Mit diesem Zitat aus einer E-Mail beginnt der Bürgermeister von Bocholt, Thomas Kerkhoff, sein Video, das er unter anderem auf dem Kanal Instagram eingestellt hat. Es folgen zahlreiche weitere Auszüge aus Mails der vergangenen Wochen und die Botschaft von Kerkhoff: "Ich habe Angst, dass sich bald keine Mitarbeiter mehr für meine Verwaltung und erst recht keinen Ehrenamtlichen für den Stadtrat mehr finden". 

Die anonymen E-Mails verfolgen die Stadt seit fast 10 Jahren. Schon im Jahr 2016 hatte KOMMUNAL die Todesdrohungen an den damaligen SPD-Ortsvorsitzenden und die Stadt öffentlich gemacht. Ende des Jahres 2016 zog der damals 35 jährige Thomas Purwin in Bocholt die Notbremse. Er trat von allen Ämtern zurück. 15 Mails pro Tag hatte er teilweise erhalten - mit wüsten Beschimpfungen, Morddrohungen, der Abbildung eines Galgens. Ab Herbst 2016 wurden auch seine Frau und seine Tochter in den Mails mit dem Tode bedroht. „Mit den Angriffen gegen meine Familie ist für mich die Grenze überschritten, ich habe als Familienvater eine besondere Verantwortung“, erklärte der junge Kommunalpolitiker damals im Gespräch mit KOMMUNAL seinen Rückzug. 

Hier lesen Sie den Original-Artikel vom Rücktritt des Bürgermeisters aus dem Jahr 2016

Zum Verständnis: Der Rücktritt erfolgte wenige Wochen nach dem dramatischen Anschlag auf den ehrenamtlichen Bürgermeister des 800 Einwohner Dorfes Oerdorf bei Bad Seegeberg - er wurde von einem Unbekannten vor einer Sitzung des Bauausschusses mit einem Kantholz niedergeschlagen, lag eine Woche lang mit einem Schädel-Hirn-Trauma im Krankenhaus. „Aus Knüppel wird Hammer, aus Hammer wird Axt“ – nur einen Tag nach der feigen Tat ging ein Schreiben mit diesem Text in der Gemeindeverwaltung ein. Zuvor war im Sommer 2016 der Regierungspräsident Walter Lübke ermordet worden. 

Kommunalpolitiker treten ab- Mordrrohungen bleiben

In Bocholt fand sich mit Thomas Kerkhoff ein mutiger Mann, der trotzdem als Bürgermeister antrat. Doch zur Ruhe kam die Kleinstadt mit ihren gut 70.000 Einwohnern nie. So sollte vor wenigen Tagen eine Bombendrohung per Mail den Neujahrsempfang der Stadt verhindern. Die Stadt hat inzwischen weit über Hundert Strafanzeigen gestellt - alle vergeblich. Der oder die Täter sind technisch offenbar gut informiert - bisher ist es Ihnen laut der Polizei stets gelungen, die Absenderadressen zu verbergen. Die Mails werden über Computer-Adressen aus dem Ausland verschickt. 

Thematisch werden in den Mails immer wieder aktuelle Ereignisse der Stadtpolitik aufgegriffen. Mal geht es um die Flüchtlingshilfe, mal um Parkplätze oder um die Wohnungspolitik. Naziparolen, antisemitische Sprüche und Todesdrohungen sind Teil nahezu jeder Mail. 

Und immer wieder werden ehrenamtliche Kommunalpolitiker oder Mitarbeiter der Verwaltung auch mit Namen genannt und bedroht. Polizei und Stadtverwaltung vermuten daher, dass der oder die Täter aus Bocholt stammen und dort wohnen. 

Bürgermeister veröffentlicht bewegendes Video und setzt eine Belohnung aus 

In den sozialen Medien hat Kerkhoff nun eine Auswahl von ekelhaften Mails per Video vorgelesen. "Damit die Leute sehen, was da so geschrieben wird", erklärt er den Grund. "Zecke Kerkhoff - wir töten dich" ist etwa eine solche Mail. 

Kerkhoff und die Mitarbeiter im Rathaus wollen endlich wissen, wer der oder die Täter sind. Der Bürgermeister hat daher nun eine Belohnung über 10.000 Euro ausgesetzt, die zur Ergreifung der Täter führen. Dazu schrieb er wörtlich: "Diese und noch viele weitere solcher Mails haben uns in diesem Jahr erreicht. Wir müssen unsere Ehrenamtlichen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung endlich besser vor solchen Hassmails schützen und die Absender ausfindig machen! #bocholt

Hinweis: In einer früheren Version dieses Artikels hatten wir fälschlicherweise den früheren SPD-Ortsvorsitzenden Thomas Purwin als Bürgermeister von Bocholt betitelt - das war falsch! Wir haben den Artikel korrigiert! Wir bitten um Entschuldigung!