Bürgermeister Matthias Egert
Der Bürgermeister von Zörbig, Matthias Egert engagiert sich auch in der Kirche.
© Benjamin Lassiwe

Porträt

Bürgermeister setzt auf Schulterschluss mit Wirtschaft

Von der Solaranlage auf dem Dach bis zum Einsatz von Windrädern, die der heimischen Landwirtschaft zugute kommen – der Bürgermeister von Zörbig in Sachsen-Anhalt, Matthias Egert, will Zukunftspotentiale in seiner Stadt heben. Er will die lokale Wirtschaft stärken.

Wer in den Sitzungssaal des Stadtrats im anhaltischen Zörbig kommt, ist zunächst einmal überrascht. Wo in anderen Kommunen die Wappen der Ortsteile oder historische Stadtansichten an der Wand hängen, haben die Zörbiger Bilderrahmen angebracht, in denen sich Kurzportraits der örtlichen Gewerbebetriebe finden – vom Fleischermeister bis zur Versicherungsagentur. „Es geht darum, dass die Stadträte nicht den Bezug verlieren zu denen, die uns die Mittel geben, um kommunal tätig zu sein“, sagt Bürgermeister Matthias Egert. „Manche der Unternehmen, die hier noch aufgeführt sind, existieren schon nicht mehr – das führt dann vor Augen, wo der Weg hingehen kann, wenn auf der Bundes-, der Landes- oder auch unserer kommunalen Ebene die falschen Entscheidungen getroffen werden.“ Für den Bürgermeister der ältesten Stadt im Landkreis Anhalt-Bitterfeld ist das ein wichtiger Punkt: Denn das erstmals 961 urkundlich erwähnte Zörbig, das heute rund 10.000 Einwohner zählt, bemüht sich an vielen Stellen um eine enge Zusammenarbeit mit der örtlichen Wirtschaft.

Wirtschaft - enge Zusammenarbeit

„Wir haben zum Beispiel eine Sekundarschule, deren Schüler früher als anderswo damit anfangen, in lokalen und regionalen Handwerksbetrieben Praktika zu absolvieren“, erzählt Egert. „Damit gelingt es uns, fast alle Schüler mit einem Haupt- oder Realschulabschluss sofort in eine Ausbildung in der Region zu bringen.“Am Rande des Bitterfelder Chemiestandorts gelegen, setzt die Kommune dazu auf neue Formen der Energiegewinnung. „Wir investieren in regenerative Energien der Zukunft, wollen Standort für grünen Wasserstoff werden.“ Die Kommune sei schon immer landwirtschaftlich geprägt gewesen. Das ist für die Kommune nicht nur für den Ackerbau wichtig: „Heute brauchen wir Fläche für regenerative Energien.“

Viel Potential für Photovoltaik

Doch die Bereitschaft, Flächen dafür bereitzustellen, ist auch in Zörbig nicht immer groß. Denn die Bürger wissen, was es bedeutet, Windräder vor der Haustür zu haben: Wer die Hauptstraße des Ortes entlang läuft, sieht, wie sich hinter den Dächern am Ortsausgang die riesigen Rotoren drehen. „Wir wollen die erneuerbaren Energien nutzen, um für die Bürger hier vor Ort etwas zu schaffen“, sagt der Bürgermeister. Dazu zählt er zum Beispiel regionale Netze, über die der vor Ort erzeugte Strom günstig an die Einheimischen verkauft werden kann. Oder die Solaranlagen auf dem Dach: „Wenn auf einer Dachfläche eine Photovoltaikanlage steht, spare ich an anderer Stelle Ackerflächen und kann dem Bürger noch ein lukratives Angebot machen. Wer sein Dach für die Stromerzeugung hergibt und an einen Energieerzeuger verpachtet, kann davon profitieren – zum Beispiel dadurch, dass ihm bei seiner Stromrechnung ein gewisser Betrag gutgeschrieben wird.“ Gerade in Zörbig gebe es durch die vielen alten Höfe in der Stadt und die großen Hallen landwirtschaftlicher Betriebe ein enormes Potential für Photovoltaik. „Das wollen wir als Stärke für uns entwickeln.“

Konservativ und vorausschauend

Wenn man Egert über solche Themen reden hört, denkt man unwillkürlich an einen Politiker der Grünen. Doch der Bürgermeister von Zörbig ist sogar Landesvorsitzender des „Konservativen Kreises“ in der CDU Sachsen-Anhalt. Konservatismus und erneuerbare Energien – wie passt das zusammen? „Konservativ sein heißt ja nicht, sich bloß auf das zu beziehen, was mal war“, sagt Egert. „Es heißt nicht, die Augen zuzumachen vor dem was kommt.“ Aus Sicht des Bürgermeisters bedeutet konservativ zu sein, sich seine Heimat anzusehen, „und da etwas Sinnvolles rauszuholen“. Die Bauern der Region hätten beispielsweise festgestellt, dass die Trockenheit in der Region mittlerweile so stark ist, dass man selbst mit guten Ackerflächen nicht mehr viel anfangen kann. „Die brauchen ein Zukunftsmodell. Man kann zwar aus der Vergangenheit und aus Ideen der Vergangenheit Dinge lernen für die Gegenwart, aber die Zukunft denkt man nur von der Vergangenheit und der Gegenwart aus, und nicht zurückgewandt.“



 

Zörbig
Zörbig in Sachsen-Anhalt.

Persönlich ist es Egert wichtig, mit den Bürgern im Gespräch zu bleiben. „Ich glaube, das Hauptproblem heutzutage ist es, dass sich schnell eine Wut aufbaut, weil man nicht mehr miteinander spricht und über soziale Medien nur noch gewisse Informationen wahrnimmt“, so der Bürgermeister. Eine Kommune könne da nur versuchen, auf allen Kanälen ihr Handeln zu erklären und so transparent wie möglich zu sein. „Und wenn wir das tun, hören uns die Leute auch zu“, so seine Erfahrung. Auch er wird im Ort nach eigenen Angaben schon einmal „angepflaumt“. „Aber dann bleibt man eben einmal kurz stehen und redet miteinander“, sagt der Bürgermeister.Selbst ist Matthias Egert deswegen viel unterwegs: Er besucht die Vereine und redet mit den Menschen auf der Straße. Und: Der Bürgermeister von Zörbig engagiert sich in der katholischen Kirchengemeinde vor Ort.

Bürgermeister leitet Gottesdienst zuweilen

Manchmal ministriert er in der Heiligen Messe, manchmal leitet er auch selbst den Gottesdienst. „Ich habe neben Politologie auch Theologie studiert und darf Wort-Gottes-Feiern leiten“, sagt Egert. So heißen katholische Gottesdienste, für die kein Priester zur Verfügung steht und in denen keine Eucharistie gefeiert wird. So kommt es, dass der Bürgermeister mehrmals im Jahr auch zu den Bürgern predigt. Obwohl er eigentlich beruflich aus einem ganz anderen Bereich kommt. Vor seiner Zeit als Bürgermeister war er als Assistent der Geschäftsführung eines großen Unternehmens in der Region tätig.

Er würde sich wünschen, dass sich noch mehr Christen in der Politik engagieren, sagt Egert. „Denn deren Engagement kann für eine Stadt nur gut sein.“ Regelmäßig trifft sich Egert deswegen mit den katholischen und evangelischen Pfarrern der Stadt. Nach der Neuwahl des Bürgermeisters und des Stadtrats fand in Zörbig ein ökumenischer Gottesdienst statt. „Da sind auch die Stadträte der Linken gekommen, denn das war der offizielle Beginn der neuen Legislaturperiode“, sagt Egert. Aus seinem Glauben leitet der Bürgermeister auch Dinge für den Alltag ab, etwa die Art, die er „entwaffnende Freundlichkeit“ nennt. „Man wird angepöbelt, geht aber trotzdem auf den anderen zu und sagt: Okay, dann erklärt mir noch ein bisschen“, so Egert. „Aber so ist das, wenn man einen Weg zueinander findet: Plötzlich wird das Verhältnis anders, man kann miteinander reden – und genau das braucht man in der Politik.“