Zensus
Die Bundesbürger werden befragt: Der Zensus 2022 ist eine große organisatorische Herausforderung.
© Statistische Ämter des Bundes und der Länder

Befragung

Zensus 2022: Das läuft bei der Volkszählung nicht rund

Seit 15. Mai führen die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder den Zensus 2022 durch. 30 Millionen Bürger sind verpflichtet, in den nächsten drei Monaten persönliche Auskünfte zu geben. Im Vergleich zur einstigen Volkszählung im Jahr 1987 steht die aktuelle Befragung weniger in der Kritik. Allerdings läuft offenbar nicht alles rund.

Wie viele Menschen leben in den Städten und Gemeinden Deutschlands? Gibt es genügend Wohnraum für alle Bürgerinnen und Bürger? Brauchen wir mehr Schulen, Studienplätze oder Altenheime? Wo muss der Staat zukünftig mehr investieren? Um diese und andere Fragen zu beantworten  zu können und dann Planungen darauf abzustimmen, wollen die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder von ausgewählten Bürgern Auskunft erhalten. Für die Kommunen kann das Ergebnis der Erhebung drastische Konsequenzen haben. Wer weniger Einwohner hat als bislang angenommen, bekommt möglicherweise weniger Geld zugewiesen oder verliert den Status etwa als Großstadt. Beim "Zensus 2022" läuft bislang nicht alles rund. Nicht nur, dass in zahlreichen Kommunen noch die notwendigen Befragungsbeauftragte fehlen, offenbar werden Menschen angeschrieben, die schon tot sind. Manche Auskunftspflichtige beschweren sich über unverständliche Fragen.

Zensus 2022: Erhebungsbeauftragte fehlen

Auf Anfrage von KOMMUNAL erklärte eine Sprecherin des Statistischen Bundesamtes: "Für den Zensus 2022 werden bundesweit etwa 100.000 Interviewerinnen und Interviewer unterwegs sein. Da diese sogenannten Erhebungsbeauftragten von den Kommunen rekrutiert werden, liegen uns Zahlen hierzu nicht vor." Sie sagte:  "Von den Statistischen Ämtern der Länder wissen wir, dass insbesondere in ländlichen Gebieten teilweise noch Erhebungsbeauftragte benötigt werden."  So sucht der Kreis Ostholstein dringend Interviewer.  Dort werden in  den kommenden Monaten knapp 45.000 Personen in rund 11.500 Haushalten befragt, die vom Statistischen Bundesamtes zufällig ausgewählt wurde. "Der Kreis sucht dringend rund 100 Ehrenhebungsbeauftragte und ruft zur ehrenamtlichen Mithilfe aus", heißt es in einer Mitteilung.

Aufwandsentschädigung für Interviewer

Für die Tätigkeit als Interviewer wird eine steuerfreie Aufwandsentschädigung gezahlt, die sich je nach Befragungsumfang auf 800 Euro bis 1.000 Euro beläuft. Die Interviewer werden zuvor geschult.  Bewerbungen sind online auf www.kreis-oh.de/zensus möglich. Im sächsischen Grimma, Wurzen und der Gemeinde Lossatal bekommen die Interviewer neben einer Aufwandsentschädigung von rund 450 Euro zum Beispiel ein Familien-Ticket für den Zoo Leipzig.

Welche Voraussetzungen müssen die sogenannten Erhebungsbeauftragte erfüllen? Die Interviewer müssen volljährig sein und in Deutschland wohnen. Neben guten Deutschkenntnissen sind Fremdsprachenkenntnisse von Vorteil, jedoch kein Muss. Sie müssen sich an die Schweigepflicht halten. Die Behörden warnen bereits vor Betrügern, die sich unbefugt Zugang zu den Häusern und Wohnungen verschaffen wollen. Interessierte können sich hier registrieren.  In der Zeiteinteilung sind die Interviewer frei. Sie können beispielsweise auch nach Feierabend oder am Wochenende Interviews durchführen.

Zensus 2022: Anfrage an toten Großvater

Doch schon in den ersten Tagen nach dem Start gibt es Kritik. In Berlin haben sich viele Leser an den Tagesspiegel gewandt. Eine Leserin wurde gefragt, ob sie Eigentümerin eines Hauses sei, das zwei Kilometer weit weg war, mit dem sie nichts zu tun hat. Der Tagesspiegel zitiert sie mit den Worten: "Bei den Fragen war nahezu nichts korrekt." Einen anderen Leser soll die Online-Anmeldung mit der Zugangsnummer und Aktivierungscode zu einer komplett falschen Adresse geführt haben. Eine andere Leserin beklagte sich über "völlig missverständliche Formulierungen". Bei einem Leser kam die Post für den bereits 2020 verstorbenen Vater an und auch noch für den Großvater, der bereits seit 1969 tot ist.

Die Leser berichteten, dass sie beim Amt niemand erreicht hätten. Es sei dauerbesetzt gewesen. Auf Anfrage des Tagesspiegel, wies  das Statistische Bundesamt darauf hin, dass "die Angaben zu den angeschriebenen Personen der Gebäude- und Wohnzählung generell aus verschiedenen Quellen der öffentlichen Verwaltung" stammen. Dazu gehören zum Beispiel Grundsteuerstellen und Vermessungsämter." Und weiter: "Da diese Stellen vielfältige Aufgaben erfüllen, kann es unter Umständen einige Zeit in Anspruch nehmen, bis Änderungen oder Aktualisierungen vorgenommen werden können."

Amt für Statistik: Gesetzliche Grundlage für Datenabgleich fehlt

Das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg teilte laut dem Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint  mit: Die Daten stammten aus den Ver- und Entsorgungsunternehmen sowie aus dem Amtlichen Liegenschaftskataster-Informationssystem. Das Problem offenbar: Für einen Abgleich von Daten mit dem Sterberegister existiere keine gesetzliche Grundlage und die persönlichen Angaben der Befragten müssten streng geheim gehalten werden. Es dürften zwar Daten von den Einwohnermeldeämtern übermittelt werden, aber nicht zurückfließen an die Ämter.

Wer muss Auskunft geben?

Wer für den Zensus 2022 ausgewählt wurde, findet in diesen Tagen Post in seinem Briefkasten. Darin enthalten ist ein Terminvorschlag. Sogenannte Erhebungsbeauftragten sind bundesweit vom 16. Mai bis etwa Anfang August im Einsatz, um die Befragungen für die „Volkszählung“ durchzuführen. Die Interviewer kommen dafür vorbei. Danach erhalten die meisten Teilnehmer noch Zugangsdaten für eine Online-Befragung. Dort werden weitere Angaben wie zur Erwerbstätigkeit abgefragt. Wer online nicht zurecht kommt, erhält auf Wunsch die Fragen auch per Post zugeschickt. Angaben zur Immobilie müssen online erledigt werden. Die Zugangsdaten dafür werden per Post zugeschickt.

Zensus 2022: Bußgeld bei Verweigerung

Wer sich weigert, Auskunft zu geben, kann mit einem Zwangsgeld bis zu 5000 Euro belegt werden. In den Bundesländern gelten unterschiedliche Strafen. In  Nordrhein-Westfalen beispielsweise beträgt dieses Zwangsgeld 300 Euro, in Sachsen mindestens 150 Euro.

Screenshot Zensus Ablauf

Weiteres Wissenswertes zum Zensus 2022

Die Erhebung wird alle zehn Jahre durch die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder gemeinsam durchgeführt. Der letzte Zensus fand 2011 statt. Wegen der Corona‐Pandemie wurde der geplante Zensus in das Jahr 2022 verschoben. Die Ergebnisse  werden voraussichtlich Ende 2023 vorliegen.  Der Zensus ist die bundesweite Zählung der Bevölkerung, Gebäude und Wohnungen.

  • Ziel des Zensus ist es,  die  Einwohnerzahlen in Deutschland  zu ermitteln und  zentrale Strukturdaten zu erheben. Viele Entscheidungen in Bund, Ländern und Gemeinden beruhen auf Bevölkerungs‐ und Wohnungszahlen.

  • Um verlässliche Basiszahlen für Planungen zu haben, ist eine regelmäßige Bestandsaufnahme der Bevölkerungszahl notwendig. Dafür werden vorwiegend Daten aus Verwaltungsregistern genutzt, so dass die Mehrheit der Bevölkerung keine Auskunft geben muss.
  • Für den Zensus arbeiten die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder zusammen. Sie bereiten die Befragung vor und sichern die termingerechte Durchführung. Vor Ort werden kommunale Erhebungsstellen eingerichtet, die die Befragungen koordinieren und gemeinsam mit ehrenamtlichen Erhebungsbeauftragten durchführen.
  • Anders als bei einer traditionellen Volkszählung, bei der alle Bürgerinnen und Bürger direkt befragt werden, stützt sich der Zensus auch im Jahr 2022 auf bestehende Verwaltungsregister. In erster Linie liefern die Melderegister der Kommunen die Ausgangsdaten. Um Über‐ und Unterfassung in den Melderegistern zu erkennen, wird in einer Haushaltsbefragung auf Stichprobenbasis ein Teil der Bevölkerung zusätzlich direkt befragt. Für die ausgewählten Haushalte besteht dabei Auskunftspflicht.
  • Bürger, die in Wohnheimen oder Gemeinschaftsunterkünften wohnen, sind über die Melderegister nicht vollständig zu erfassen. Deshalb wird bei allen Bewohnerinnen und Bewohnern in Wohnheimen, wie in Studentenwohnheimen, eine Vollerhebung durchgeführt.
  • In Gemeinschaftsunterkünften wie Justizvollzugsanstalten oder Krankenhäusern ist die Einrichtungsleitung stellvertretend auskunftspflichtig.
  • Für die Gebäude‐ und Wohnungszählung im Zensus 2022 werden alle privaten Eigentümer von Wohnungen oder Gebäuden mit Wohnraum befragt, ebenso gewerblich tätige Mehrfacheigentümer und Verwalter, sowie sonstige Verfügungs‐ und Nutzungsberechtigte von Gebäuden oder Wohnungen.

Häufig gestellte Fragen und die Antworten dazu finden Sie hier.

Zur Zensus-Homepage und zum Online-Fragebogen geht es hier.

Fotocredits: Zensus-Grafik (Screenshot): Statistische Ämter des Bundes und der Länder