Mobilität Wuppertal Umweltschutz
Diese Brennstoffzellen-Busse in Wuppertal sollen mit Wasserstoff fahren, der aus Müll produziert wird.

Interview mit Projektverantwortlichem

Brennstoffzellen-Busse mit Müll betreiben - geht das?

In Wuppertal startet ein spannendes Projekt: Aus Müll wird Wasserstoff produziert, der dann die Brennstoffzellen-Busse der kommunalen Flotte antreiben soll. Ein europaweit bislang einzigartiges Konzept. KOMMUNAL sprach mit Matthias Ohl, einem der Projektverantwortlichen.

KOMMUNAL Herr Ohl, Müll macht Wuppertal mobil. Was steckt hinter dem Slogan?

Matthias Ohl: Die Stadtwerke und die kommunale Abfallwirtschaftsgesellschaft planen, Wasserstoff zu produzieren, um damit unsere Brennstoffzellen-Busse zu betreiben. Damit wollen wir die Verbindung von Müllentsorgung, klimaschonender Stromerzeugung und emissionsfreier Mobilität konsequent zu Ende führen. Es soll ein idealer Kreislauf von der Abfallversorgung über die Energiegewinnung bis hin zum öffentlichen Nahverkehr entstehen. Dass wir dafür mit dem Stadtwerke-Award ausgezeichnet wurden, hat uns sehr gefreut.

Wer kam auf diese Idee?

Unsere ÖPNV-Schwestergesellschaft, die WSW Mobil GmbH, hat nach Möglichkeiten gesucht, die Busflotte nach und nach zu elektrifizieren. Dafür boten sich zwei Optionen: Die künftig eingesetzten Fahrzeuge werden über wiederaufladbare Batterien betrieben oder über Wasserstoff. Wir haben uns für letztere Möglichkeit entschieden. Die Kollegen aus der Bustechnik plädierten dafür.

Wie ging es dann weiter?

Das grundsätzliche Konzept entstand vor etwa fünf Jahren eigentlich in recht kurzer Zeit, ich würde sagen in wenigen Monaten. Kommunale Unternehmen verfügen über sehr viel Expertise in den einzelnen Sektoren. Und es hat sich wieder einmal gezeigt: Wenn man es dann schafft, übergreifend zu brainstormen und sich zu vernetzen, haben auch ungewöhnliche Ideen eine Chance, umgesetzt zu werden.

Hatten Sie bei dem Projekt Vorbilder?

Wir haben uns an keinem Vorbild orientiert. Wasserstoffbusse sind in manchen Städten zwar schon im Einsatz, das integrierte Gesamtkonzept aber ist meines Wissens nach einmalig. Da sind wir immer noch die ersten. Wir bekommen deshalb häufig Anfragen aus anderen Kommunen, die das interessant finden und sich mit uns austauschen wollen, was wir natürlich gerne machen.

Das Tolle ist: Sie schlagen mit ihrem Konzept zwei Fliegen mit einer Klappe. Sie verwerten den Müll und bringen die Busse in Bewegung.

Ja, das macht die Sache so interessant. In unserer Müllverbrennungsanlage verbrennen wir das ganze Jahr über den kommunalen Hausmüll für Wuppertal, sowie weitere sieben Städte und Kreise Nordrhein-Westfalens. Dabei wird rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr, Energie frei. Einen Großteil der Energie nutzen wir für Fernwärme. Uns steht quasi als Abfallprodukt der Müllverbrennung aber trotzdem noch ganzjährig Strom zur Verfügung, den wir bisher auch bei niedrigen Strompreisen an der Börse vermarkten.  Der Gedanke war: Wenn der Strom in manchen Phasen so wenig Geld einbringt, können wir aus ihm ja auch Wasserstoff machen.

Müll-Wasserstoff-Wuppertal
Matthias Ohl ist begeistert von den Einsatzmöglichkeiten im Bereich Wasserstoff





















 

Wie funktioniert das genau?

In einem sogenannten Elektrolyseur wird das Wasser in das H2 und das O gespalten, das wir zur Stromerzeugung brauchen. Die Energie stammt zu mehr als 50 Prozent aus biogenen Quellen und ist entsprechend zertifiziert. Der Wasserstoff wird so in einigen Stunden produziert. Der Elektrolyseur ist für eine Tageskapazität von 400 Kilogramm Wasserstoff ausgelegt. Das würde für den Tagesbedarf von 20 Bussen reichen.

Und wie arbeitet die Technik beim Bus?

Im Unterschied zum E-Auto wird im Fahrzeug eine Brennstoffzelle samt Wasserstofftank verbaut. Sie erzeugt während der Fahrt den Strom für den Antrieb. Eine kleine Batterie fungiert als Zwischenspeicher und deckt Lastspitzen ab, etwa beim Beschleunigen.

Wie kommen die Busse zu ihrer Tankfüllung?

Den Wasserstoff holen sich die Brennstoffzellenbusse an der Anlage ab. Der Elektrolyseur steht am Müllheizwerk. An der Tankstelle werden die Busse betankt. Wir werden einen Tank für knapp 450  Kilogramm Wasserstoff aufstellen. Ein Bus, so haben wir errechnet, verbraucht in Wuppertal pro 100 Kilometer 9 Kilogramm Wasserstoff. Und unsere Busse fahren pro Tag etwa 200 Kilometer. Es werden also 18 Kilogramm pro Bus am Tag benötigt. Der von der WSW mobil vorgegebene Wasserstoffbedarf für die ersten zehn Busse liegt pro Tag bei 180 Kilogramm.

Wie viele Busse sollen künftig über Wasserstoff betrieben werden?

Geliefert sind bereits zehn Busse, weitere zehn sind bestellt, so dass bis nächstes Jahr insgesamt 20 Busse aus der Flotte der 300 Dieselfahrzeuge ersetzt werden können. Wie es danach weitergeht, werden wir sehen.

Welchen konkreten Vorteil haben Brennstoffzellenbusse gegenüber batteriebetriebenen Fahrzeugen?

Der eine Vorteil ist die größere Reichweite. Da Wuppertal sehr hügelig ist – wir haben hier Höhenunterschiede bis zu 150 Metern – spielt das eine große Rolle. Die Reichweite beträgt bei einem wasserstoffbetriebenen Bus 350 Kilometer. Das ist vergleichbar mit einem Dieselbus. Ein batterieelektrischer Bus hingegen schafft bei unserer Topologie je nach Akkugröße nur Plus-Minus-150 km. Ein weiterer Vorteil ist die schnellere Betankung. Pro Bus sind etwa zehn Minuten Tankzeit einzuplanen. Bei einem elektrobetriebenen Fahrzeug wären es mehrere Stunden pro Bus. Aufgrund dieser Vorteile entschieden sich die Kollegen dafür, die Brennstoffzellenbusse auszuprobieren. Die sind für unsere Verhältnisse einfach besser geeignet

Ab wann werden die Busse eingesetzt?

Durch die Corona-Krise kommt es leider zu Verzögerungen. Auf den letzten Metern sind die Arbeiten an der H2-Produktionsinfrastruktur noch zum Erliegen gekommen. Die ersten zehn bereits gelieferten Busse werden derzeit zu Testfahrten eingesetzt. Wir lassen sie noch an der Wasserstofftankstelle außerhalb von Wuppertal betanken. Wir hoffen, den Elektrolyseur und die Tankstelle nach den Sommerferien nutzen zu können. Die Busse werden dann auch schnellstmöglich in den Linienbetrieb überführt. Die weiteren zehn Busse wollen wir im nächsten Jahr fahren lassen.   

Wie teuer war die Anschaffung?

Die bislang angeschafften Busse haben 6,5 Millionen Euro gekostet, der Elektrolyseur etwas mehr als 5 Millionen Euro. Für die fast 12 Millionen Euro-Anschaffung haben wir über die Hälfte an Fördermitteln erhalten. Unterstützt wurden wir durch die EU-Förderprogramme JIVE, MEHRLIN und JIVE2, das Förderprogramm des Bundes NIP2 sowie durch das Land NRW mit VRR-Mitteln. Das ist sehr viel Geld, aber es ist, davon sind wir überzeugt, gut eingesetzt Wir schafften die Busse gemeinsam mit dem Regionalverkehr Köln an. Die Regionalverkehr Köln GmbH (RVK) bestellte 30 Brennstoffzellen-Hybridbusse und mehrere Wasserstoff-Tankstellen. Es gab eine europaweite Ausschreibung, allerdings nur einen Anbieter: Van Hool.

Wie soll der ÖPNV in Wuppertal in den nächsten Jahren aussehen?

Es wird eine Mischung werden. Die Schwebebahn fährt bereits vollständig elektronisch.