Wohngeld
Ab 1. Januar soll der Kreis der Berechtigten auf Wohngeld erweitert werden.
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Kommunen

Wohngeld - das fordern die Kommunen

Ab 1. Januar sollen weit mehr Haushalte in Deutschland Wohngeld bekommmen. Die Kommunen befürchten, die Menschen durch lange Wartezeiten bis zur Auszahlung zu enttäuschen. Sie fordern unter anderem vereinfachte Verfahrensabläufe. Beim Bund-Ländertreffen an diesem Dienstag, 4. Oktober, konnten sich Bund und die Länderchefs über die Finanzierung des Wohngelds nicht einigen. Die Länder wollen, dass der Bund die Kosten komplett übernimmt, wie aus einem Beschlusspapier hervorgeht.

Schon jetzt sind die Wartezeiten aufs Wohngeld lang. Derzeit stapeln sich im Münchner Sozialamt mehr als noch nicht bearbeitete 7000 Anträge. Wenn das neue Wohngeldgesetz am 1. Januar 2023 in Kraft tritt, wird in der bayerischen Landeshauptstadt mit einer Verfünffachung der Anträge gerechnet, Die Leiterin des Münchener Wohnungsamtes, Dorothee Schiwy befürchtet, dass die Münchner künftig acht bis neun Monate auf das Geld warten müssen. In Berlin bekommen derzeit rund 25.000 Haushalte Wohngeld, der dort zuständige Senator Andreas Geisel erwartet, dass sich die Zahl der künftigen Bezieher verdreifacht. Die Berliner müssen derzeit mehrere Wochen auf die Auszahlung warten, unterschiedlich nach Bezirken. Die Stadt Nürnberg geht von viermal so vielen Antragsberechtigten aus als bisher. Die deutschen Kommunen fürchten den Ansturm auf das Wohngeld - und dass sie die Erwartungen der Menschen enttäuschen. Denn ihnen fehlt vor allem eins dafür: das Personal. Dresdens Sozialdezernentin Kristin Klaudia Kaufmann bringt es auf den Punkt: ""Eine Verdreifachung des Wohngeldanspruchs bedeutet natürlich, dass wir auch drei Mal so viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigen, um schnell die Beantragung zu ermöglichen", sagt sie. Doch woher so schnell nehmen?

Wohngeld-Anträge noch nicht nach neuem Gesetz stellen

Derzeit gehen bereits verstärkt Anfragen bei den Kommunen ein. Die Stadt Flensburg weist daher auf ihrer Homepage explizit darauf hin, dass das sogenannte Wohngeld-Plus-Gesetz und die Änderung des Heizkostenzuschussgesetztes sich noch im Gesetzgebungsverfahren befinden. Dies werde frühestens am 28. Oktober abgeschlossen sein. "Erst ab diesem Zeitpunkt werden die rechtsverbindlichen Vorgaben zur Umsetzung für die Wohngeldbehörden vorliegen", so die Stadt. Anträge auf Gewährung von Wohngeld werden nach den derzeitigen gesetzlichen Bestimmungen entschieden. Das Gesetz kann erst nach Zustimmung des Bundesrates in Kraft treten.

Wohngeld-Plus-Gesetz  Teil des Entlastungspakets

 Die Bundesregierung will mit der Wohngeldreform einen deutlich größeren Teil der Haushalte mit niedrigen Einkommen als bisher bei der Bewältigung der Wohnkostenbelastung dauerhaft unterstützen. Der beschlossene Entwurf des sogenannten Wohngeld-Plus-Gesetzes ist Teil des dritten Entlastungspakets der Bundesregierung. Durch die Wohngeldreform steigt der Kreis der begünstigten Haushalte um mehr als der Doppelte. Rund 1,4 Millionen Haushalte bekommen nun zusätzlich durch die Reform einen Anspruch auf Wohngeld. Damit soll das Wohngeld ab kommendem Jahr rund zwei Millionen Haushalte erreichen.

Das Wohngeld wird sich 2023 voraussichtlich um durchschnittlich rund 190 Euro pro Monat erhöhen. Das ist mehr als doppelt so viel wie bisher. Das Wohngeld steigt von durchschnittlich rund 180 Euro pro Monat auf dann rund 370 Euro pro Monat. Zusätzlich wird ein Heizkostenzuschuss in Aussicht gestellt.

 Bund und Länder streiten um Kosten

Immer noch streiten sich Bund und Länder um die Kosten. Die künftige Finanzierung des Wohngeldes war auch Thema beim Treffen der Ministerpräsidenten und Bundeskanzler Olaf Scholz an diesem Dienstag, allerdings gab es dazu kein Ergebnis. Bisher teilen sich Bund und Länder die Aufwendungen für den staatlichen Mietzuschuss. Doch die Länder weigern sich, die zusätzlichen Mehrkosten ab Januar zu übernehmen. Im Beschluss der Besprechung der Ministerpräsidenten vorige Woche heißt es: "Die Kosten für das Wohngeld soll der Bund in Zukunft vollständig übernehmen." Das Papier im Wortlaut!

Städte- und Gemeindebund fordert Vereinfachungen

"Die fristgerechte Umsetzung zum 1. Januar 2023 stellt eine immense Herausforderung dar", sagte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, zu KOMMUNAL. "Der große Anstieg an Fallzahlen bedeutet einen sehr hohen Mehraufwand für die kommunalen Wohngeldstellen. Fehlendes Personal in den Wohngeldstellen kann so kurzfristig nicht aufgestockt werden, auch digitale Lösungen werden dann noch nicht flächendeckend zur Verfügung stehen." Zwingend erforderlich seien daher vereinfachte Verfahrensabläufe. "Hierzu könnte etwa der Verzicht auf Bagatellrückforderungen oder Vereinfachungen beim Einkommensbegriff gehören", schlägt Landsberg vor.  Der Städte- und Gemeindebund begrüßt grundsätzlich, dass der Kreis der Anspruchsberechtigten erweitert wird und ein weiterer Heizkostenzuschuss gezahlt werde. "Angesichts immer weiter steigender Wohn- und Energiekosten ist die beabsichtigte Gesetzesänderung dringend erforderlich", betonte Landsberg. "Dies trifft auch auf die Verlängerung des Bewilligungszeitraumes auf bis zu 18 Monate zu."

Bundestagsabgeordnete:  Kommunen vor extremer Herausforderung

"Die Verdreifachung des Kreises der Wohngeldberechtigten ist wichtig, um Menschen einfacher und zielgenauer entlasten zu können", unterstreicht auch Karo Otte, Bundestagsabgeordnete (Grüne) und Mitglied im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen. "Die Umstellung zum 1. Januar nächsten Jahres stellt aber die Kommunen vor extreme Herausforderungen. Eine schnelle Bearbeitung von neuen Anträgen wird im jetzigen Verfahren nicht möglich sein. Bewilligungswartezeiten von sechs Monaten und mehr können wir uns aber zur Beantwortung der derzeitigen Krise nicht leisten." Sie fordert, in der   Wohngeldnovelle "massiv beschleunigende Elemente" unterzubringen. Beispielsweise sei es sinnvoll, die Bewilligungszeiträume für Rentner und Rentnerinnen zu verlängern, bei denen sich das zugrundliegende Einkommen nur sehr selten verändert.

Mehr Informationen zur Wohngeldreform und zur Debatte um die Umsetzung in den Kommunen und zur Finanzierung: