In manchen Gemeinden lag die Wahlbeteiligung bei den Landtagswahlen bei über 100 Prozent - Vorwürfe in sozialen Netzwerken explodieren, doch die Erkärung ist einfach und hat mit Wahlfälschung nichts zu tun
In manchen Gemeinden lag die Wahlbeteiligung bei den Landtagswahlen bei über 100 Prozent - Vorwürfe in sozialen Netzwerken explodieren, doch die Erkärung ist einfach und hat mit Wahlfälschung nichts zu tun
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Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen

Warum die Wahlbeteiligung in einigen Gemeinden über 100 Prozent lag

Es wirkt auf den ersten Blick wie eine kuriose Wahlbeteiligung oder gar ein Fehler der Wahlleitung. Bei den Landtagswahlen in Sachsen gab es Gemeinden, die anschließend eine Wahlbeteiligung von über 100 Prozent auswiesen. In den sozialen Medien war die Aufregung daher am Montag groß - von Wahlbetrug war die Rede. Doch die Erklärung ist ganz simpel.

Die Wahlbeteiligung im Wahlkreis Meißen 1 ist enorm. Landesweit waren ohnehin schon 75 Prozent der Menschen an die Wahlurnen gegangen. Doch die Wahlbeteiligung etwa in der Gemeinde Strehla im Wahlkreis Meißen 1 lag bei saftigen 103,5 Prozent. Ja, Sie haben richtig gelesen, das hier ist kein Tippfehler: 103,5 Prozent Wahlbeteiligung. Laut Landeswahlleitung gab es hier 3049 Wahlberechtigte, aber 3156 abgegebene Stimmen. 

Und damit war die Gemeinde bei den Landtagswahlen noch nicht einmal Spitzenreiter. Im Wahlkreis Meißen 2 schaffte die Gemeinde Schönfeld sogar eine Wahlbeteiligung von 131,5 Prozent. Bei 1428 Wahlberechtigten gab es 1878 Wähler. 

x post

Vergleiche mit der SED wegen der hohen Wahlbeteiligung von über 100 Prozent 

Wenig erstaunlich, dass vor allem auf dem Netzwerk X eine riesige Diskussion ausbrach. Von "wieder mal ein Softwarefehler" bis zu "Die können noch nicht einmal effizient fälschen" war so ziemlich alles an Kommentaren dabei. Einige fühlten sich an die DDR zurückerinnert. "Die SED landete zu ihren Zeiten zwar immer nahe der 100 Prozent, aber nie darüber", so die Vergleiche. 

Doch das Besondere an der Plattform X ist, dass dort Fake News mit dem einmaligen System "Kontext hinzufügen" einem Faktencheck unterzogen werden. Hier können Nutzer direkt zum Post Informationen anheften, die wiederum von allen Nutzern bewertet werden können und entsprechend stark ausgespielt werden. Falschmeldungen wird auf diese Weise schnell ein Riegel vorgeschoben. 

Und so war es auch bei diesem Post eines reichweitenstarken Nutzers (knapp 27.000 Follower), der schnell auch von AfD Politikern aufgegriffen wurde, wie etwa einem Landtagsabgeordneten aus Bayern. "Der diesjährige Briefwahl-Preis geht nach Strehla in Sachsen mit 103,5 Prozent Wahlbeteiligung. Tolles Ergebnis, das muss man erst mal hinbekommen" schrieb er. Und so meldete sich schnell neben zahlreichen Nutzern, die Informationen dazu gaben, auch der Landeswahlleiter, der in seinem Kontext die wahren Gründe noch einmal offiziell erläuterte.

reaktionen

Briefwahlbezirke waren für den Effekt verantwortlich 

Denn die Erklärung für die merkwürdigen Wahlergebnisse sind simpel und auch alles andere als neu. Den gleichen Effekt gab es etwa schon bei der letzten Bundestagswahl in mehreren Gemeinden. Denn: Nicht jede kleine Gemeinde hat ein eigenes Briefwahlbüro. So können postalisch eingegangene Stimmzettel in einer anderen Gemeinde im gleichen Wahlkreis ausgezählt werden. Diese Stimmen der Briefwähler werden dann der Gemeinde zugeschlagen, in der sie ausgezählt wurden. Denn natürlich kann bei geheimen Wahlen im Anschluss niemand mehr zuordnen, aus welcher Gemeinde die Briefwahlzettel stammen. Das ist gesetzlich so geregelt im Paragrafen 8 des Bundeswahlgesetzes. Der Absatz 3 erläutert es genau. 

gesetz

Die Wahlen in Sachsen und die weiteren Verhandlungen 

Die Diskussion um die angebliche Wahlfälschung wurde in den Sozialen Medien auch deshalb befeuert, weil es am Wahlabend zunächst tatsächlich eine Wahlpanne des Landeswahlleiters gab. Er musste das zuvor in der Nacht ausgewiesene vorläufige Endergebnis korrigieren. Wegen eines Softwarefehlers war eine falsche Sitzverteilung veröffentlicht worden. Wie sich später herausstellte, hatte der Landeswahlleiter mit einem veralteten mathematischen Verfahren gearbeitet. Die Verteilung der Sitze wird in Sachsen seit dem Jahr 2023 mit dem sogenannten Sainte-Lague-Verfahren berechnet, früher wurde das De Hondt Verfahren angewendet.

Das traf CDU und AfD, denen jeweils ein Sitz zu viel zugerechnet wurde. Diese beiden Sitze gingen aber dann an Grüne und SPD. Mit deutlichen Auswirkungen. Anders als in Thüringen verfügt die AfD durch das korrigierte Ergebnis nicht mehr über eine "Sperminorität" im Landtag. Das bedeutet: Die AfD hat weniger als ein Drittel der Sitze. Wer mehr als ein Drittel der Stimmen besitzt, kann bei wichtigen Entscheidungen, etwa der Wahl von Verfassungsrichtern und bei der Besetzung der Spitzen der Landesrechnungshöfe mitbestimmen. Diese werden nämlich mit Zweidrittel-Mehrheit gewählt.