In Deutschlands Regionen wurde sehr unterschiedlich gewählt - die spannendsten Zahlen und Hintergründe und was das aus kommunalpolitischer Sicht bedeutet
In Deutschlands Regionen wurde sehr unterschiedlich gewählt - die spannendsten Zahlen und Hintergründe und was das aus kommunalpolitischer Sicht bedeutet
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Bundestagswahlen 2021

Wahlkreise: Ergebnisse der Bundestagswahl aus kommunaler Sicht

Deutschland hat gewählt. Was das für die künftige Politik bedeutet, ist aber noch völlig unklar. Auch, welche kommunalpolitischen Veränderungen das bedeutet, dürfte in den nächsten Wochen in den Koalitionsverhandlungen eine Rolle spielen. Fest steht aber, wer die künftigen Bundestagsabgeordneten sind. Ein Überblick!

Alle Wahlkreise sind ausgezählt, 735 Menschen werden künftig im Bundestag sitzen. So viele, wie noch nie zuvor. Besonderes Augenmerk galt dieses Mal auch der sogenannten Erststimme, also der Kandidatenstimme. Das im Besonderen, weil die Linkspartei die 5 Prozent Hürde verfehlte. Denkbar knapp wird sie trotzdem in den Bundestag einziehen. Denn sie holte in drei der 299 Wahlkreise bei der Erststimme die meisten Stimmen und somit ziehen drei Direktkandidaten in den Bundestag ein. Damit ist laut Wahlgesetz die 5 Prozent Hürde ausser Kraft gesetzt. Im Ergebnis haben somit rund 8000 Stimmen darüber entschieden, dass die Linkspartei künftig mit 39 Abgeordneten statt gar nicht mehr im Bundestag vertreten ist. Denn 8000 Stimmen betrug der Vorsprung von Sören Pellmann von der Linkspartei bei den Erststimmen zur Bundestagswahl im Wahlkreis Leipzig 2. 22,8 Prozent, so das Endergebnis, das ist ein Minus von 2,8 Prozent, reichte aber gegen Paula Piechotta, die für die Grünen kandidierte und gut 18 Prozent der Stimmen holte. Sie hätte also mit einem Wahlsieg dafür gesorgt, dass die Linkspartei nicht mehr in Fraktionsstärke im Bundestag gewesen wäre. 2 Wahlkreise im Ostteil von Berlin gelten seit jeher als "sichere Wahlkreise" für die Linkspartei, Gregor Gysi in Treptow-Köpenick und Gesine Lötsch in Berlin-Lichtenberg gewannen ihre Wahlkreise auch dieses Mal. Überraschend schlecht schnitt die Partei derweil im ebenfalls als "linke Hochburg" geltenden Plattenbaugebiet Marzahn-Hellersdorf ab. Den Wahlkreis holte der CDU Politiker Mario Czaja auffallend deutlich gegen Bundestagsvize-Präsidentin Petra Pau. 

Wahlkreise entscheiden über Mehrheiten

Überhaupt sind die Wahlkreise dieses Mal noch wichtiger als sonst. Sie führen vor allem zu jeder Menge Überhangmandaten. Denn es ist der CSU in Bayern gelungen, 45 der insgesamt 46 Wahlkreise in dem Bundesland zu gewinnen. Einzig im Wahlkreis München Süd schaffte es die Grünen-Kandidatin, mit hauchdünnem Vorsprung direkt in den Bundestag. Und somit hat die CSU mit 45 Abgeordneten deutlich mehr Sitze errungen, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis eigentlich zustehen würde. Denn bei den Zweitstimmen war es für die CSU das schlechteste Ergebnis seit Jahrzehnten. Nur denkbar knapp liegt die Partei bundesweit gerechnet über 5 Prozent, in Bayern waren es 31,7 Prozent. Gut 30 Mandate hätte das im Normalfall bedeutet. 

Und das führt zu massiven Ausgleichsmandaten für alle anderen Parteien. Der Bundestag - der ohne Ausgleichsmandate eigentlich 598 Sitze hätte, wird so künftig 735 Abgeordnete beherbergen, 137 mehr als eigentlich vorgesehen. 

Warum der Einfluss Bayerns in der Unionsfraktion besonders groß ist 

Bei der Frage nach einer möglichen künftigen Regierung wird übrigens die CSU in Bayern ein überproportionales Wörtchen mitzureden haben. Denn, obwohl die CSU ihr schlechtestes Wahlergebnis seit 70 Jahren eingefahren hat, wird sich ihre Zahl der Abgeordneten im Bundestag unterm Strich durch die Direktmandate nicht verändern. Die gemeinsame Fraktion mit der CDU hatte bisher 245 Abgeordnete, davon 46 von der CSU, 199 von der CDU. Künftig sind es nur noch 196 Abgeordnete, die CSU Zahl bleibt aber gleich. Der Einfluss Bayerns auf die Unions-Fraktion lag rechnerisch also bisher bei etwa einem Fünftel, künftig bei einem Viertel aller Abgeordneten in der Unionsfraktion. 

Jeweilige Wahlkreise: Schwere Aufgaben für die kommunalpolitischen Sprecher 

Christian Haase ist kommunalpolitischer Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion. Die Position könnte er auch künftig weiter ausüben. Denn er hat als einziger der kommunalpolitischen Sprecher der Fraktionen sein Direktmandat verteidigt. Gut 40 Prozent der Stimmen bekam er im Wahlkreis Höxter-Lippe im ostwestfälischen Teil von NRW. Rund 70 Kilometer entfernt erging es dem kommunalpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Bernhard Daldrup, weniger gut. In seinem Wahlkreis in Warendorf im Münsterland - einer bisher schwarzen Hochburg -  musste er sich Henning Rehbaum von der CDU geschlagen geben, der gut 36 Prozent der Stimmen bekam und somit erstmals in den Bundestag einzieht. Auf Daldrup entfielen 31 Prozent. Er stand aber auf Listenplatz 9 der Landesliste in NRW und zieht somit über die Liste erneut in den Bundestag ein. 

Erwartungsgemäss konnten auch die kommunalpolitischen Sprecher von Grünen und FDP nicht über die Erststimme in den Bundestag einziehen. Marie-Agnes Strack Zimmermann von der FDP musste sich im rheinischen Düsseldorf dem CDU-Kandidaten geschlagen geben, Britta Haßelmann, Parlamentarische Geschäftsführerin und kommunalpolitische Sprecherin der Grünen, landete im ostwestfälischen Gütersloh an dritter Stelle hinter SPD und CDU. Sie stand aber auf Platz 1 der Landesliste der Grünen NRW und zieht so ebenso wieder in den Bundestag ein, wie Strack-Zimmermann, die für die FDP auf Listenplatz 2 in NRW stand. 

Wahlkreise nach Regionen extrem unterschiedlich vergeben

Schaut man auf die Deutschlandkarte, so fallen die deutlichen regionalen Unterschiede in der Farbgebung der Wahlkreise auf. Bayern und Baden-Württemberg sind faktisch tiefschwarz bei der Erststimme (in beiden Bundesländern gingen fast alle Wahlkreise an die Union). In Baden-Württemberg holten die Grünen vier Direktmandate, in Bayern wie beschrieben ein Direktmandat. Deutlich heraus sticht der Wahlkreis Stuttgart 1, hier holte der Grünen-Politiker Cem Özdemir mit großem Vorsprung (40 Prozent der Erststimmen) das Direktmandat vor der CDU (23 %). In Nordrhein-Westfalen ein zweigeteiltes Bild - das Ruhrgebiet ist weitgehend rot gefärbt, dazu im Rheinland die Großstädte Köln und Aachen, ansonsten dominiert fast überall die CDU von Ostwestfalen über das Münsterland, das Rheinland und das Sauerland. In Bonn geht der Wahlkreis hauchdünn (25,2 % zu 25,1%) an die Grünen. In Hessen und Rheinland-Pfalz teilen sich SPD und CDU die Wahlkreise nahezu unter sich auf, Niedersachsen geht mehrheitlich an die SPD, ebenso Schleswig-Holstein (bis auf Flensburg an die Grünen und Nordfriesland und die Inseln bis nach Dittmarschen an die CDU), Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sind fest in SPD-Hand, hier schafft es kein einziger Kandidat einer anderen Partei. Mitteldeutschland hingegen geht fast durchgehend an die AfD. In Sachsen und Thüringen wird sie stärkste Kraft, auch in Sachsen-Anhalt gehen viele Wahlkreise an die rechte Protestpartei. Einzelne Wahlkreise gehen hier an die CDU, etwa Dessau oder der Saalekreis. 

Kurzversion: Der Norden rot, der West gemischt, der Osten blau und der Süden schwarz. 

Auffallend ist noch, dass die Karte mit den Zweitstimmen faktisch genauso aussieht, wie die Karte mit den Erststimmen. Heißt: Liegt ein Direktkandidat bei der Erststimme vorn, führt fast immer die Partei dieser Person auch bei der Zweitstimme.