Vergaberecht: So sieht die Reform aus
Vergaberecht - die Reform 2016: sie ist nach Aussagen des Bundeswirtschaftsministeriums das größte vergaberechtliche Gesetz- und Verordnungsgebungsverfahren der letzten zehn Jahre. Gemeindliche Unternehmen wie Stadtwerke, Wasserbetriebe, Verkehrsunternehmen und sonstigen Auftraggeber, die in den Bereichen der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung tätig sind, sind gut beraten, sich mit der bevorstehenden Reform jetzt vertraut zu machen.
Das ändert sich durch das Vergaberecht 2016 konkret!
Ab dem 18.04.2016 müssen die Vorgaben der neuen EU-Sektorenrichtlinie 2014/25/EU umgesetzt sein. Hierzu wurde der Vierte Teil des GWB grundlegend überarbeitet und erhielt sogar einen eigenen Abschnitt für die Auftragsvergabe von Sektorenauftraggebern. Auch die SektVO wurde maßgeblich geändert und ergänzt: Aus ursprünglich 34 wurden nunmehr doppelt so viele, nämlich 68 Paragraphen. Hierdurch ergibt sich insgesamt eine weitaus höhere Regelungsdichte. Besondere Beachtung verdienen unter den vorhandenen Neuregelungen insbesondere folgende:
Konzessionsvergaben waren für Sektorenauftraggeber in der Vergangenheit vom Vergaberecht befreit. Künftig müssen Sektorenauftraggeber wie die klassischen öffentlichen Auftraggeber auch bei der Vergabe von sowohl Bau- als auch Dienstleistungskonzessionen die Verordnung über die Vergabe von Konzessionen (KonzVgV) beachten.
Was das neue Vergaberecht mit Blick auf Landesregelungen bedeutet!
Auch nach der neuen Gesetzeslage bleiben subsidiär die ggf. vorhandenen landesspezifischen Vergaberegelungen für Sektorenauftraggeber verbindlich.
Hinsichtlich der Ausnahmeregelungen vom Anwendungsbereich des Sektorenvergaberechts ist die Klarstellung in § 108 GWB n.F. erwähnenswert: Die Vorschrift regelt für den gesamten Anwendungsbereich des Vergaberechts einheitlich die Vorgaben zur - vom Vergaberecht befreiten - öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit. Für den Sektorenbereich ergibt sich der Anwendungsbereich der Vorschrift aufgrund der Einbeziehung in § 108 Abs. 8 GWB n.F.
Neu gefasst wurde das sektorenspezifische Konzernprivileg insoweit, als dass die aktuelle Segmentbetrachtung künftig entfällt. Bei der Berechnung der Umsatzschwelle von 80% des zu beauftragenden Unternehmens kommt es also auf die Gesamtumsätze einer Leistungsart (Liefer-, Dienst- oder Bauleistungen) an, ohne dass innerhalb dieser Sparte weiter nach unterschiedlichen Liefer-, Dienst- oder Bauleistungen differenziert werden müsste.
Vom Sektorenvergaberecht im speziellen und ausdrücklich ausgenommen wurde nunmehr durch § 137 Abs. 1 Nr. 1 – 9 GWB n.F. die Beschaffung verschiedener Leistungsarten wie insbesondere von Rechtsdienstleistungen, Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen, finanziellen Dienstleistungen sowie von Krediten und Darlehen.
Von größter Praxisbedeutung dürfte die Verpflichtung zur E-Vergabe sein, die sämtlichen öffentlichen Auftraggebern durch die Vergaberechtsreform auferlegt wurde. Künftig müssen die Vergabeunterlagen mit Bekanntmachung vollständig zum Download zur Verfügung stehen; ab dem 18.10.2018 muss sich dann der gesamte Vergabeverfahrensablauf einschließlich der Angebotsabgabe grundsätzlich elektronisch gestalten. Ein Wahlrecht zur Bestimmung der Kommunikationsform wie nach der aktuellen Gesetzeslage existiert künftig nicht mehr.
Sektorenauftraggeber können sich künftig neben den klassischen Verfahrensarten des offenen, nichtoffenen und Verhandlungsverfahrens nach weiterhin freier Wahl auch des wettbewerblichen Dialogs und der ganz neu ins Vergaberecht eingeführten Innovationspartnerschaft bedienen.
Der Abschluss von Rahmenvereinbarungen war für Sektorenauftraggeber nach bisherigem Recht auf der ersten Beschaffungsebene mit oder ohne förmliches Vergabeverfahren zulässig (vgl. § 9 Abs. 2 SektVO). Diese weite Privilegierung der Sektorenauftraggeber wird in Zukunft beschnitten, da die Regelungen zu Rahmenvereinbarungen für den klassischen öffentlichen Auftraggeber und den Sektorenauftraggeber künftig weitestgehend deckungsgleich geregelt sind. Anders als im klassischen Vergaberecht beschränkt § 19 Abs. 3 SektVO-E allerdings die maximal zulässige Laufzeit einer Rahmenvereinbarung auf acht Jahre, während klassische öffentliche Auftraggeber eine Maximallaufzeit von vier Jahren beachten müssen.
Zu mehr Rechtssicherheit und gewachsenem Gestaltungspotenzial führen die Neuvorgaben zu Vertragsänderungs- und -kündigungsmöglichkeiten, die durch die Vergaberechtsreform allgemein und damit aber auch für Sektorenauftraggeber eingeführt werden.
Insgesamt betrachtet erhalten Sektorenauftraggeber im Zuge der Vergaberechtsreform in Ansätzen zwar mehr Flexibilität bei der Verfahrensgestaltung, allerdings muss auch konstatiert werden, dass die grundsätzlich für das Sektorenvergaberecht stets befürwortete größere Freiheit der Sektorenaufraggeber im Vergleich zu den klassischen öffentlichen Auftraggebern mit der Vergaberechtsreform durch sich verstärkende und komplexere Regulierung eingeschränkt wurde.