Baugebiet und Lupe (Symboldbild) Wie geht es weiter?
Wie geht es weiter bei den Baugebieten?
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Recht aktuell

Nach Urteil zum vereinfachten Bauen - das sagen Juristen

Überraschend hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden, dass beschleunigte Verfahren zur Aufstellung von Bebauungsplänen für kleine Freiflächen im Außenbereich rechtswidrig sind. Kommunen können laufende Verfahren im Außenbereich nicht wie bisher ohne Umweltprüfung weiterbetreiben, sondern müssen sie in ein Regelverfahren überführen. Sind Bebauungspläne schon in Kraft getreten, muss vor Ablauf der Jahresfrist mit Verfahrensrügen und der Unwirksamkeit des Plans gerechnet werden, sagen die Rechtsanwälte Verena Rösner und Alexander Häcker in ihrem Beitrag. Was sie raten.

Paragraf 13b des Baugesetzbuchs (BauGB) erlaubt eine beschleunigte Aufstellung von Bebauungsplänen für Freiflächen mit bis zu 10.000 Quadratmetern im Außenbereich, wenn diese Flächen der Wohnnutzung dienen und an den bebauten Innenbereich anschließen. Im beschleunigten Verfahren darf vor allem auf eine Umweltprüfung und einen Umweltbericht verzichtet werden. Außerdem ist eine nachträgliche Anpassung des Flächennutzungsplans erlaubt. Um dem allgemeinen Wohnungsmangel zu begegnen, haben viele Gemeinden in den letzten Jahren von dieser Ausnahme im Baugesetzbuch Gebrauch gemacht.

Gericht sieht Verstoß gegen EU-Recht

Der Verzicht auf eine Umweltprüfung verstößt aus Sicht des BVerwG allerdings gegen die europäische Richtlinie über die Strategische Umweltprüfung (SUP-RL). Ausnahmen sind danach nur möglich, wenn erhebliche Umweltauswirkungen in jedem Fall von vornherein ausgeschlossen sind. Davon könne bei der Überplanung von Flächen im Außenbereich nicht pauschal ausgegangen werden, meint das BVerwG. Das Gericht gab damit in letzter Instanz der Klage einer Umweltvereinigung statt, die mit einer Normenkontrolle gegen einen Bebauungsplan für ein circa drei Hektar großes Gebiet am Ortsrand einer Gemeinde vorgegangen war.

Die Urteilsbegründung des Gerichts liegt noch nicht vor; veröffentlicht ist bisher nur eine Pressemitteilung, weshalb sich das Urteil rechtlich noch nicht abschließend bewerten lässt. Schon heute ist allerdings absehbar, dass die praktischen Folgen sich voraussichtlich danach unterscheiden werden, ob und wann ein Aufstellungsverfahren ohne Umweltprüfung abgeschlossen wurde:

Laufende Verfahren

Laufende beschleunigte Verfahren im Außenbereich müssen nun in ein Regelverfahren überführt werden, da Paragraf 13b BauGB nicht mehr angewendet werden darf. Eine Umweltprüfung ist daher nachzuholen, unter Umständen auch eine Beteiligung der Öffentlichkeit und weitere Verfahrensschritte sowie Gemeinderatsbeschlüsse. Dies hängt im Einzelnen vom bisherigen Verlauf des Aufstellungsverfahrens ab. Das Bundesbauministerium will dazu in Abstimmung mit den Ländern und kommunalen Spitzenverbänden noch nähere Handlungsempfehlungen veröffentlichen.

Vor weniger als einem Jahr abgeschlossene Verfahren

Sind Bebauungspläne nach Paragraf 13b BauGB bereits in Kraft getreten, leiden sie nach dem Urteil des BVerwG unter einem sogenannten „beachtlichen Verfahrensmangel“. Solche Verfahrensmängel werden unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb eines Jahres ab Bekanntmachung des Bebauungsplans gerügt wurden. Auch ein Normenkontrollantrag, mit dem ein Bebauungsplan angegriffen werden kann, muss innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung gestellt werden.

Hier läuft also die Zeit: Umweltverbände haben bereits begonnen, Auskünfte bei Kommunen einzuholen, welche Bebauungspläne nach Paragraf 13b BauGB aufgestellt wurden und wann diese in Kraft getreten sind. Ist die Jahresfrist noch nicht verstrichen, kann der Verfahrensmangel weiterhin gerügt werden, was zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans führen wird. Gemeinden können den Plan in einem „ergänzenden Verfahren“ jedoch erneut beschließen und auch rückwirkend in Kraft setzen. Dafür muss insbesondere die Umweltprüfung nachgeholt werden. Ob und welcher Änderungsbedarf sich daraus ergibt, ist dann im Einzelfall zu prüfen.

Ältere bislang nicht gerügte Verfahren

Ist hingegen die Jahresfrist bereits abgelaufen, ohne dass Verfahrensfehler gerügt wurden, und wurde in der öffentlichen Bekanntmachung ordnungsgemäß darüber belehrt, ist dies möglicherweise anders zu beurteilen: Nach Ablauf der Jahresfrist kann die Wirksamkeit von Bebauungsplänen zwar weiterhin etwa im Rahmen von Baugenehmigungsanträgen geprüft werden. Relevant sind dann aber nur noch sogenannte „Ewigkeitsfehler“. Dazu gehören insbesondere Fehler in der Abwägung, beispielsweise wenn Auswirkungen auf die Umwelt nicht ausreichend gewürdigt wurden. Das lässt sich zwar nicht ausschließen, wenn von einer Umweltprüfung abgesehen wurde. Gleichwohl dürfte der Verzicht auf die Umweltprüfung nicht automatisch zu Abwägungsfehlern führen. Setzt sich die Begründung des Bebauungsplans mit umweltbezogenen Auswirkungen auseinander, liegt jedenfalls kein Abwägungsausfall vor. Ob Belange fehlerhaft beurteilt wurden, ließe sich dann nur einzelfallbezogen ermitteln.

Fazit: Plan kann unwirksam sein

Kommunen können laufende Verfahren im Außenbereich nicht wie bisher ohne Umweltprüfung weiterbetreiben, sondern müssen sie in ein Regelverfahren überführen. Sind Bebauungspläne schon in Kraft getreten, muss vor Ablauf der Jahresfrist mit Verfahrensrügen und der Unwirksamkeit des Plans gerechnet werden. Nach Ablauf der Jahresfrist kann eine Heilung des Verfahrensmangels eingetreten sein. Um sicher zu gehen, können Gemeinden ein ergänzendes Verfahren durchführen.

(Urteil vom 18.07.2023, 4 CN 3.22, Bundesverwaltungsgericht)

Dr. Verena Rösner ist Partnerin bei Menold Bezler in Stuttgart, Alexander Häcker ist Rechtsanwalt in der Kanzlei. Beide sind im Umwelt- und Bauplanungsrecht tätig.

Rösner Verena Rechtsanwältin

Alexander Häcker