Flagge Bürgermeister für den Frieden in Oranienburg vor dem Schloss.
Wie hier vor dem Schloss in Oranienburg wird die Flagge Bürgermeister für Frieden in zahlreichen Städten und Gemeinden gehisst.
© Screenshot Facebook

Krieg

Kommunen empfangen Ukraine-Flüchtlinge

Seit Tagen wird die Flagge "Bürgermeister für Frieden" in zahlreichen Städten und Gemeinden gehisst. Inzwischen bereiten sich die deutschen Kommunen auf Tausende von Flüchtlingen aus der Ukraine vor, es werden Koordinierungsstäbe eingerichtet. Auf welche Weise der russische Angriff die Kommunalpolitik noch beschäftigt.
Aktualisiert am 4. März 2022

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine sind die ersten Flüchtlinge in Deutschland angekommen. Die Kommunen stehen mit dem Krieg in der Ukraine vor großen Herausforderungen. Doch scheinen sie gut vorbereitet. Viele haben Unterkünfte bereit gestellt, Hotlines und Spendenkonten eingerichtet - und die Hilfsorganisationen in die Planungen eingebunden.

Ukraine-Flüchtlinge werden auf Kommunen verteilt

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sagte zu KOMMUNAL: "Der Krieg in der Ukraine wird viele Menschen zur Flucht zwingen. Zunächst werden sich viele Menschen nach Polen flüchten. In Solidarität - auch im Rahmen der Europäischen Union - muss sich Deutschland darauf vorbereiten, dass mehrere Hundertausende nach Deutschland kommen." Die Länder müssten ihre Erstaufnahmeeinrichtungen revitalisieren und erweitern. Die Verteilung auf die Kommunen müsse vorbereitet, Unterbringungsmöglichkeiten müssten geschaffen werden.  Absprachen auf Länderebene laufen laut Landsberg bereits. "Die Kommunen werden die Aufnahme der Menschen solidarisch unterstützen, sie werden im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Versorgung, Unterbringung und Integration der Menschen vorbereiten", stellte Landsberg in Aussicht. Dazu gehören auch Kita-Plätze und Schul-Unterricht.  Er machte klar: "Wir erwarten aber, dass die gesamtgesellschaftliche Aufgabe von Bund und Ländern dauerhaft finanziert wird."

Koordinierungsstab im Landkreis München

In den Landkreisen, Städten und Gemeinden haben schon vor Tagen die konkreten Vorbereitungen auf den möglichen Flüchtlings-Ansturm begonnen. In Nürnberg, wo bereits 4200 Ukrainer leben, hat die Stadt ein umfangreiches Hilfspaket geschnürt. Vorerst können Menschen, die hier ankommen, vorerst bis April kostenlos Busse und Bahnen der VAG nutzen. Sie brauchen als Fahrgäste nur ihren Pass vorzeigen. "Mir war dies sehr wichtig, um den Flüchtlingen gleich die Möglichkeit zu bieten, in der Stadt auch den öffentlichen Nahverkehr sofort nutzen zu können", sagte Oberbürgermeister Marcus König. Für die Menschen wurden Untrkünfte vorbereitet. Dazu gehören Gemeinschaftsunterkünfte und Hotels. Es wird auch eine Schulturnhalle vorbereitet. Außerdem haben sich viele Bürger gemeldet, die Wohnungen und Zimmer kostenlos bereit stellen wollen. Unter einer Mailadresse der Stabstelle "Bürgerschaftliches Engagement" können ehrenamtliche Hilfsangebote gemeldet werden. Weitere Informationen.

Der  Landkreis Oberallgäu will laut eigener Aussage kurzfristig bis zu 400 Menschen in Notunterkünften unterbringen. Die Turnhalle der Berufsschule in Immenstadt im Allgäu werde hergerichtet. Der Landkreis München hat erste Vorkehrungen getroffen, um Geflüchtete, die voraussichtlich  in den kommenden Tagen aus dem Kriegsgebiet in Deutschland eintreffen werden, unterbringen zu können. Landrat Christoph Göbel richtete einen Koordinierungsstab ein. Er ruft  die Bevölkerung zur Unterstützung auf: "Wenn Sie Platz zur Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine haben, sei es in Privathäusern, Wohnungen oder anderen geeigneten Unterbringungsmöglichkeiten, die derzeit zur Verfügung stehen, melden Sie diesen bitte an uns." Der Landrat schuf dafür eine zentrale Meldestelle, die über eine E-Mail-Adresse erreichbar ist.

Die Stadt München kann nach eigener Aussage kurzfristig rund 500 Plätze für die Unterbringung von Geflüchteten zur Verfügung stellen. Weitere 1000 Plätze würden derzeit vorbereitet, hieß es. Oberbürgermeister Dieter Reiter hat einen Stab für außergewöhnliche Ereignisse einberufen, um die mögliche Unterbringung von Geflüchteten zu koordinieren. Die Stadt richtete zudem ein Spendenkonto ein. Mehr Infos.

EU stellt die Weichen für Aufnahme

Die EU-Innenminister haben sich inzwischen darauf geeinigt, Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine unkompliziert aufzunehmen. Der vorübergehende Schutz gilt zunächst für ein Jahr, kann jedoch um insgesamt zwei weitere Jahre verlängert werden. Die Entscheidung fiel einstimmig.

Solidarität mit der Ukraine

Die Solidarität mit der Ukraine ist groß: Allein am Wochenende waren Hunderttausende in deutschen Städten auf die Straße gegangen, um gegen den russischen Angriff zu demonstrieren. Große und kleine Städte und Kommunen quer durch Deutschland hissen dieser Tage die Flagge des Netzwerkes Mayors for Peace - Bürgermeister für den Frieden. In der Stadt Kamen zum Beispiel erstrahlte über das Wochenende das Foyer des Rathauses und der Stadthalle in den gelb-blauen Farben der Ukraine.

Bürgermeister verurteilen Angriff durch Russland

Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus dem Kreis Unna (Nordrhein-Westfalen) verurteilen in ihrer Erklärung den kriegerischen und menschenverachtenden Angriff von Russland auf die Ukraine: „Es ist ein trauriger Tag für unsere demokratische Wertegemeinschaft, für Europa, für alle Europäer – und damit auch für uns, die im Kreis Unna in den zehn Städten und Gemeinden leben.“ Viele andere Bürgermeister in Deutschland haben gemeinsame Statements verfasst.

Appell an Bevölkerung zur Hilfe

Im brandenburgischen Oranienburg folgten Bürger und Bürgerinnen dem Aufruf von Bürgermeister Alexander Laesicke und dem Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung, Dirk Blettermann. Auf dem Schlossplatz  wurde auch die Fahne des Bündnisses "Mayors for Peace" , Bürgermeister für den Frieden gehisst.  Bürgermeister Laesicke rief dazu auf, flüchtenden Menschen aus der Ukraine zu helfen.

Als Stadtoberhäupter wissen wir, dass Städte aufgrund ihrer Infrastruktur seit jeher bevorzugte Ziele im Falle von kriegerischen Konflikten sind", sagte Schwerins Oberbürgermeister Rico Badenschier. "Wir wissen, dass Krieg unendliches Leid hervorruft, Menschen zu Flüchtlingen macht, Kinder zu Waisen“ sagte Badenschier bei der Flaggenhissung. Er erinnerte daran, dass auch Städte in der Ukraine und Russland Mitglied im Bündnis der Mayors for Peace sind, so zum Beispiel Kiew und Moskau oder Odessa und Wolgograd.

Bürgermeister fordern politische Lösung

"Wir fordern eine politische und keine militärische Lösung der Krise im Osten Europas! Wir als Mayors for Peace in Deutschland unterstützen alle internationalen Anstrengungen, um auf dem Wege der Diplomatie eine friedliche Lösung des Russland-Ukraine-Konfliktes zu erreichen", betonte der Schweriner Oberbürgermeister.

Als Zeichen der Solidarität mit den Menschen in der Ukraine beteiligt sich auch  Tübingen an der Aktion des Bündnisses. Oberbürgermeister Boris Palmer  hisste die Flagge Bürgermeister für den Frieden auf dem Marktplatz.

Hannovers führende Rolle bei Bürgermeister für Frieden

Hannover als Lead City für Deutschland hat die Aktion ins Leben gerufen. Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay ist  Vizepräsident der „Mayors für Peace“. Die Organisation Mayors for Peace wurde 1982 durch den Bürgermeister von Hiroshima gegründet. Das weltweite Netzwerk setzt sich vor allem für die Abschaffung von Atomwaffen ein, greift aber auch aktuelle Themen auf, um Wege für ein friedvolles Miteinander zu diskutieren. Mehr als 7.900 Städte gehören dem Netzwerk an, darunter sind mehr als 700 Städte in Deutschland. Hier finden Sie die Mitgliederliste als pdf:

Der Ukraine-Konflikt beschäftigt die Kommunalpolitik in vielerlei Hinsicht. So fordert in Hannover die CDU, Altkanzler Gerhard Schröder vor die Wahl zu stellen, sein Engagement für den russischen Konzern Gasprom aufzugeben oder es werde ihm die Ehrenbürgerwürde aberkannt.

Landrat von Märkisch-Oderland schreibt an Putin

Aus "Solidarität mit dem leidgeprüften ukrainischen Volk" hat auch der Landkreis Märkisch-Oderland die Flagge der Ukraine gehisst. Der Landrat von Märkisch-Oderland Gernot Schmidt hatte einige Tage zuvor gemeinsam mit anderen Kommunalpolitikern Kremlchef Wladimir Putin zu einem Besuch der Gedenkstätte auf den Seelower Höhen anlässlich der Eröffnung vor 50 Jahren eingeladen. Sie erinnert daran, dass sich im Frühjahr 1945  im Oderbruch und auf dem Höhenzug hunderttausende Soldaten gegenüber standen. Das Schreiben war von vielen als unterwürfig kritisiert worden, das Wort Ukraine kam darin nicht vor, obwohl zu diesem Zeitpunkt Putin bereits damit gedroht habe, gegen das Land vorzugehen.

Gedenkveranstaltung soll abgesagt werden

Als die Ukraine dann angegriffen wurde, teilte Landrat Schmidt mit, er verurteile dies und bereite alles für die Aufnahme ukrainischer Kriegsflüchtlinge vor. Er will nun dem Präsidium des Kreistages Märkisch-Oderland vorschlagen,  die Veranstaltung zum 50. Jahrestag der Eröffnung der Gedenkstätte Seelower Höhen nicht abzuhalten. „Die Entwicklungen der letzten Tage machen es unmöglich eine Gedenkveranstaltung ohne die Belastungen der aktuellen Ereignisse durchzuführen. Aus diesem Grund schlage ich dem Präsidium vor, auf die geplante Veranstaltung zu verzichten", sagte Schmidt. Der Landkreis werde aber nicht nachlassen im Streben nach Verständigung und Frieden zwischen den Völkern, so der Landrat.