Anschläge
Terrorgefahr: Ein Experte gibt Kommunen Tipps
KOMMUNAL: Herr Jastrob, können Stadtfeste in Deutschland überhaupt noch sicher sein?
Olaf Jastrob: Ich würde sagen, dass sich die Stadtfeste genau wie alle Großveranstaltungen seit der Duisburger Love-Parade-Katastrophe deutlich weiterentwickelt haben. Dasselbe gilt für Planer und Veranstalter. Es gibt zwar immer wieder noch Lücken, also dass einzelne Städte oder Gemeinden manchmal nicht gut aufgestellt sind, was zum Beispiel Sicherheitskonzepte betrifft. Oder dass nicht klar ist, wer etwa bei einem Weihnachtsmarkt am Ende die Verantwortung trägt. Aber ich denke, dass sich diese Lücke innerhalb der nächsten Jahre schließen wird, weil es derzeit einfach eine Tendenz zu mehr Sicherheit gibt.
Wie konkret erhöhe ich denn die Sicherheit? Was sind die wichtigsten Punkte?
Die sicherheitsrelevanten Funktionsträger und Verantwortungsträger müssen klar definiert sein. Es muss klar sein, wer welche Entscheidungskompetenzen hat und wie diese Kompetenzen im Notfall delegiert werden können – damit bei Notfällen, bei Unwettern und ähnlichen Ausnahmezuständen alles sauber geregelt ist. Dazu gehört auch, dass diese Personen wissen, dass sie im Fall des Falles auch persönlich haftbar gemacht werden können, wenn etwas schiefgeht. Und dazu gehört, dass diese Personen im Vorfeld der Veranstaltung entsprechend qualifiziert wurden.
Wie sieht diese Qualifizierung aus? Ist überhaupt jeder Mitarbeiter als Veranstaltungsleiter geeignet?
Theoretisch ja: Diese Funktion ist nicht gesetzlich geregelt, außer zumindest andeutungsweise in der Versammlungsstättenverordnung und es gibt keine Ausbildung dafür. Alles Sicherheitsrelevante muss definiert sein. Wer entscheidet, was ein Notfall ist? Wer entscheidet, was ein Risiko ist und wann es zu groß wird? Was ist eine Gefahr? Wie läuft eine Evakuierung ab? Veranstaltungsleiter brauchen sowohl psychologisches als auch organisatorisches, Ablauf orientiertes und technisches Grundwissen: Es geht um Ablaufpläne, Bauzeitenpläne und Bühnenaufbauten, Fluchtwege und Event-Konzeptionen. Dagegen spreche ich nicht von Programmgestaltung: Welcher Künstler wann auftritt, ist für den Veranstaltungsleiter nur bedingt relevant. Er ist der Kapitän auf dem Schiff. Er hat die Verantwortung. Und er muss alle sicherheitsrelevanten Aspekte kennen, beherrschen und gegebenenfalls entscheiden.
Angesichts des Terrors: Sollten Kommunen überhaupt noch Stadtfeste planen?
Das ist vollkommen in Ordnung! Manchmal ergibt ein Engagement der Kommune sogar mehr Sinn als früher, weil private Veranstalter oder Vereine die Lasten einer Veranstaltung gar nicht mehr tragen können. Wenn früher ein paar Ehrenamtliche den Karnevalsumzug geplant haben, ist das heute angesichts des damit verbundenen Planungs- und Genehmigungsaufwands kaum noch leistbar. Das gilt natürlich auch für andere Veranstaltungen. Damit Kultur und Feste in Städten machbar bleiben, halte ich es für angemessen, dass hier die eine oder andere Veranstaltung durch die Stadt übernommen wird. Es gibt nur eine Einschränkung: Eine Kontrollbehörde wie zum Beispiel ein Ordnungsamt sollte meiner Meinung nach nicht die Veranstaltungsleitung haben oder ins Programm involviert sein. Denn man kann sich nun einmal nicht selbst beaufsichtigen.
Der sachliche, analytische und neutrale Umgang mit dem Thema Sicherheitsmaßnahmen bleibt das A und O."
Olaf Jastrob, Vorsitzender des Deutschen Expertenrats Besuchersicherheit
Was halten Sie von Taschenkontrollen? Braucht man die vor Volksfesten und Jahrmärkten künftig?
Das kann man aus meiner Sicht nicht pauschal beantworten. Es hängt von der Situation vor Ort ab. Genauso wie bei Fahrzeugsperren, Taschenkontrollen, Einlasssperren und Zugangsberechtigungen. Jedes Stadtfest, jede Großveranstaltung muss individuell betrachtet werden. Sie können sich bestimmt erinnern: Nach den Fahrzeug-Attentaten in Frankreich oder auf den Berliner Weihnachtsmarkt gab es Aktionismus. Überall, wo es große Veranstaltungen gab, tauchten plötzlich Fahrzeugsperren auf – auch an Stellen, wo das gar keinen Sinn ergab. Wir müssen da wegkommen von Aktionismus oder angstorientiertem Handeln. Wir sollten bei analytischem Denken bleiben und Risiken abwägen. Das geht am besten, wenn die Stadt und ihre Behörden und eventuelle externe Veranstalter das Einvernehmen herstellen. Sie müssen gemeinsam das Sicherheitskonzept, die Sicherheitsorganisation und die Gefahrenabwehr aufbauen. Wenn es sich um Terror oder Amoklagen handelt, ist grundsätzlich die Polizei zuständig. Daher verstehe ich einige Diskussionen um diese Themen nicht. Am Ende aber müssen alle Beteiligten sagen können: Das, was wir jetzt hier gemeinsam festgelegt haben, die Maßnahmen, die wir definiert haben, das sind für uns die akzeptablen Restrisiken, unter denen wir eine Veranstaltung für möglich halten. Das ist für mich der einzig sinnvolle Weg.
Welche Rolle spielen aus Ihrer Sicht die Blaulichtorganisationen? Also Rettungsdienste, Katastrophenschutz, Freiwillige Feuerwehr..
Sie spielen eine sehr große Rolle, gerade auch was Fachkompetenz angeht. Und natürlich bei entsprechenden Notfällen und Schadensereignissen. Allerdings haben wir auch schon einzelne Vertreter von Blaulichtorganisationen erlebt, die es mit den Sicherheitsmaßnahmen an der einen oder anderen Stelle sehr übertrieben - oder auch mal untertrieben - haben. Ob das fehlender Kompetenz geschuldet war, ob das der Angst geschuldet war oder vielleicht schlicht einer falschen Bewertung, sei mal dahingestellt. Und wie gesagt, es waren Einzelfälle. Insgesamt gilt für sie wie für alle Anderen: Man sollte nicht hörig jeder Aussage Folge leisten. Der sachliche, analytische und neutrale Umgang mit dem Thema Sicherheitsmaßnahmen bleibt das A und O.