Deutsche Stadt
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Studie: Perspektive deutscher Städte

21. Juni 2019
Die Studie „Perspektiven deutscher Städte“ hat Kommunen auf ihre Zukunftsfähigkeit untersucht. 1500 Kommunen wurden untersucht. Im KOMMUNAL-Gastbeitrag erläutert der Studienleiter Henner Lüttich die Ergebnisse.

Die Studie klopft deutsche Städte auf ihre Zukunftsfähigkeit in ihrer gesamten Breite des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens ab. Da Deutschland insgesamt sehr breit aufgestellt ist, bedeutet Zukunft nicht nur High-Tech in der Großindustrie. Der Hochtechnologiebereich ist vielleicht das Zugpferd der industriellen und gesellschaftlichen Entwicklung, aber insgesamt der kleinere Teil der Wirtschaft, die viel breiter ausgelegt ist. Deutschland hat Regionen mit industriellen Großunternehmen, Regionen mit mittelständischen Weltmarktführern, touristisch ausgerichtete Regionen, Dienstleistungsregionen und immer noch landwirtschaftlich erfolgreiche Regionen. Vielleicht ist gerade die Fähigkeit, Spitzentechnologie zu entwickeln und herzustellen und darüber hinaus sämtliche anderen wirtschaftlichen Bereich erfolgreich abzudecken, der große Vorteil Deutschlands gegenüber anderen Staaten. 

Unterschied zwischen Stadt und Land

Diese Mischung macht Deutschland möglicherweise auch ein wenig krisenfester als andere Staaten. Deutschland besteht auch nicht nur aus Großstädten und Ballungsgebieten, sondern in der überwiegenden Mehrheit aus kleineren Städten und Gemeinden, denn ca. 70 % der deutschen Bevölkerung lebt schließlich nicht in Großstädten. Dies geht in der Berichterstattung häufig unter. Wir haben daher sämtliche ca. 1.500 Städte mit mehr als 10.000 Einwohnern untersucht. Ein ganz wichtiger Aspekt der Studie ist zudem, Unterschiede zwischen Stadt und Land zu erarbeiten. Sind ländliche Regionen generell weniger zukunftsfähig und liegen Chancen allein in Großstädten und Ballungsräumen? Dies sind Fragen, denen wir uns in dieser Studie mit der gewählten breiten Palette an Indikatoren genähert haben. 

Die Studie führt zu dem Ergebnis, daß es sehr große Unterschiede in Deutschland gibt mit äußerst problembehafteten Regionen und dagegen sehr prosperierenden Regionen. Dies ist keine neue Erkenntnis. 

Aber es gibt eine spannende Erkenntnis

Interessant ist, daß sich die problembehaftete Zone in Deutschland als Gürtel in der Mitte Deutschlands von der belgisch und niederländischen Grenze bis zur polnisch  und tschechischen Grenze erstreckt. Dabei unterscheiden sich die Probleme im Einzelnen, sind jedoch insgesamt ähnlich groß. In diesem Gürtel liegen ländliche Regionen genauso wie Großstädte und Ballungsräume. Auch unter den prosperierenden Regionen sind ländliche Regionen wie auch Großstädte und Ballungsräume zu finden. Generelle Chancenlosigkeit oder geringere Zukunftsfähigkeit ländlicher Regionen finden sich in dieser Studie nicht bestätigt.

Diese Studie hat indirekt auch noch einmal vor Augen geführt, wie unglaublich vielfältig Deutschland ist. Dies ist in den Ergebnissen der Studie leider untergegangen, bei der Interpretation der Ergebnisse aber natürlich aufgefallen. Ziel der Studie war es, die großen Unterschiede der 1.500 Städte in Deutschland mit mehr als 10.000 Einwohnern an Hand einer Palette von 34 Indikatoren anschaulich herauszuarbeiten. Mittels eines mathematischen Entscheidungsmodells haben wir eine Lösung mit lediglich 7 Clustern erarbeitet. Wenn man 1.500 Städte an Hand von 34 Indikatoren in lediglich 7 Cluster, also Schubladen, einteilt, geht leider Vielfalt verloren. Jede Schublade, auf der lediglich eine einzige Bezeichnung steht, enthält immer noch eine große Breite an Vielfalt. So ist es gelungen, die wirklich großen Unterschiede herauszustellen, die kleineren Unterschiede bleiben dabei jedoch auf der Strecke. Um der Vielfalt gerecht zu werden, hätte man wahrscheinlich eine Lösung mit 30 bis 50 Clustern errechnen müssen. Diese Studie wäre dann jedoch nur noch nach genauem Studium fassbar gewesen und nicht mehr anschaulich auch für den laienhaften Leser, für den diese Studie bestimmt war. 

Beschäftigen Sie sich mit Ihrer eigenen Region

Die Studie ist kein Strategiepapier für einzelne Regionen. Dafür wäre eine andere Herangehensweise erforderlich. Die Studie kann lediglich Fakten über grobe Ausrichtungen liefern und Anregungen, sich mit der eigenen Region und möglichen Entwicklungen zu beschäftigen. Dabei wissen wir, daß nichts Bestand hat und alles veränderbar ist. Auch Städte und Regionen können sich verändern und verändern sich laufend. Die heutige Situation in einer Stadt oder Region ist also veränderbar. Städte und Regionen an Situationen und Entwicklungen anzupassen, ist Ziel von Standortmarketing, Standortstrategie und Standortplanung. Nur, um Veränderungen herbeizuführen, müssen zunächst die Fakten und die Ausgangslage bekannt sein. Diese Fakten werden mit einer individuellen Standortanalyse ermittelt. Ohne Standortanalyse ist die Erarbeitung einer Standortstrategie nicht möglich. Es ist schließlich unmöglich, den Weg zu einem Ziel zu finden, wenn man seinen Ausgangspunkt nicht kennt. Ohne Analyse werden Veränderungen sonst dem Zufall überlassen und können nicht mehr im eigenen Sinne gestaltet werden. Zu diesem Prozeß der Analyse, Zielsetzung und Strategiegewinnung können Studien wie die vorliegende vielleicht Impulsgeber sein.

Und hier finden Sie die Ergebnisse der Studie zum Thema Zukunft unserer Städte

Arbeitsplätze, Neubürger, Lebensqualität. Die üblichen Antworten nach dem Motto: „Der Süden boomt, der Osten fällt zurück“ sind veraltet. Wer wissenschaftlich das Land vermisst, kommt zu deutlich anderen Ergebnissen.

Die Zukunftsfähigkeit anhand von 34 Indikatoren in sieben Cluster messbar machen, das hat sich die Contor GmbH auf die Fahnen geschrieben.

Herausgekommen sind sieben Cluster, die der Studienleiter Henner Lüttich genauer erläutert. 

Stadt

Cluster 1: Städtische Probleme 

Hier finden sich vor allem Städte mit hohen Gewerbesteuerhebesätzen, durchschnittlichen Löhnen und einer negativen Bevölkerungsentwicklung. Dazu gehören etwa Kaiserslautern und Mühlheim an der Ruhr 

Cluster 2: Kleinstädtische Absteiger  

Das sind Städte mit durchschnittlichen wirtschaftlichen Bedingungen und Bildungsindikatoren, die aber unter Abwanderung leiden und keine schwergewichtigen Unternehmen vor Ort haben. Beispiele sind hier Vlotho oder Walsrode  

Cluster 3: Land mit Perspektive  

Darunter verstehen die Autoren Regionen mit ganz leichter positiver Bevölkerungsentwicklung und guten sozialen Bedingungen sowie überdurchschnittlichen Bildungsindikatoren. Verbesserungspotential besteht hier vor allem für Unternehmen. Zu nennen sind hier etwa Bad Bramstedt oder Karolingerstadt  

Cluster 4: Land mit Perspektive  

Das sind überwiegend ländlich strukturierte Gebiete mit leicht positiver Bevölkerungsentwicklung, aber unterdurchschnittlichen wirtschaftlichen Bedingungen. Vor allem der Speckgürtel von Berlin, allen voran Oranienburg/Oberhavel und Teltow/Ludwigsfelde gehören dazu. 

Cluster 5: Städtische Gewinner 

Das sind städtische Regionen mit Schwerpunkten im verarbeitendem Gewerbe sowie in Handel und Dienstleistungen. Die demografische Tendenz ist positiv, ebenso die Bildungsindikatoren. Die Bedingungen für Unternehmen sind hier überdurchschnittlich. Zu diesen Gewinnern gehören Ludwigshafen, Hannover oder auch Bonn. 

Cluster 6: Kleinstädtische Gewinner 

Hier liegen die Schwerpunkte im verarbeitenden Gewerbe, die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen sind gut, die Bevölkerungsentwicklung positiv. Verbesserungspotential liegt hier bei den Bildungseinrichtungen. Zu diesen kleinstädtischen Gewinnern gehören Winsen an der Luhe oder Murrhardt 

Cluster 7: Die Abgehängten 

Hier sind alle ländlichen und kleinstädtischen Gemeinden zusammengefasst, deren demografischen Indikatoren sehr negativ sind, viele junge Menschen ziehen hier weg. Hier sieht die Studie insgesamt den größten Handlungsbedarf. Als Beispiele sind der Glauchau oder auch das Weimarer Land zu nennen.