Wenn der Stadtrat sich nicht treffen darf...

Baden-Württemberg machts vor!

Stadtrat tagt im Home-Office

Wie wirkt sich Social Distancing auf Gremiensitzungen der Städte, Gemeinden und Kreise aus? In Zeiten der Corona-Krise werden verstärkt Videokonferenzen durchgeführt. Das gilt für viele Unternehmen, Schüler lernen digital zu Hause, Pfarrer predigen im Internet. Wie sieht es in Politik und Verwaltung aus? Können zum Beispiel Sitzungen des Stadtrates oder seiner Ausschüsse im Videoformat ohne physische Präsenz der Ratsmitglieder stattfinden? Denn Ausgangsbeschränkungen machen es weitgehend unmöglich, dass Menschen zu Sitzungen in Räumen zusammenkommen. Das gilt natürlich auch für die Kommunalpolitik.

Die Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit der Kommune ist aber gerade in Krisensituationen eine besondere Notwendigkeit. Während der aktuellen Corona-Krise sind wichtige Entscheidungen zu treffen, das gilt in vielen Kommunen auch für die anstehenden Haushaltsberatungen. Die in Bayern vor wenigen Wochen stattgefundene Kommunalwahl macht es notwendig, in einem bestimmten Zeitraum konstituierende Sitzungen der Gemeinde- und Stadträte sowie Kreistage durchzuführen. Dass in allen Gemeindeordnungen verankerte Öffentlichkeitsprinzip ist ein hohes Rechtsgut und bedeutet die Zulassung einer Saalöffentlichkeit. Bürgerinnen und Bürger müssen die Möglichkeit haben, physisch an einer Sitzung des Rates teilzunehmen. Der Bayerischer Städtetag empfiehlt in einem aktuellen Rundschreiben Sitzungen auf das nötigste Maß zu beschränken. 

Auch in Sachsen sind Stadtrat Sitzungen im Home-Office nicht möglich. In ersten Gemeinden wird aber eine Anpassung der Gemeindeordnung angeregt. In einem offenen Brief an Innenminister Roland Wöller fordert zum Beispiel die freie Wählergemeinschaft in Tharandt eine Änderung der rechtlichen Grundlage für die Gremienarbeit in Kommunen, „um in den jetzt herrschenden Krisenzeiten verantwortungsvolle Arbeit leisten zu können“.  Das Sächsische Innenministerium und der Sächsische Städte- und Gemeindetag haben untereinander abgestimmte Hinweise zur Durchführung von Gemeinderats –, Kreistags – und Ausschusssitzungen während der Corona-Pandemie herausgegeben. „Mit Verweis auf die Gemeindeordnung sei ein Gemeinderat auch dann beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte aller Mitglieder zusammenkommen. Über Gegenstände einfacher Art und geringer Bedeutung kann im schriftlichen oder elektronischen Verfahren beschlossen werden, wenn kein Gemeinderat widerspricht. In dringenden, unaufschiebbaren Angelegenheiten kann der Bürgermeister anstelle des Gemeinderats entscheiden“, heißt es in einem Beitrag der Dresdner Neuesten Nachrichten, die sich auf eine Äußerung des Innenministeriums beziehen. 

Baden-Württemberg erlaubt dem Stadtrat Sitzungen per Videokonferenz 

Anders in Baden-Württemberg. Dort will das Land Videokonferenzen für den Gemeinderat zulassen. Nach Presseberichten will die Regierung den Gemeinderäten und Kreistagen “in dieser schwierigen Zeit neue und derzeit angemessene Arbeitsmöglichkeiten“ geben. Dies hat Innenminister Thomas Strobl angekündigt. Schon in der nächsten Fassung der Corona-Verordnung solle dies umgesetzt werden. Dann dürfen die kommunalen Gremien auch in Videokonferenzen rechtswirksame Entscheidungen treffen. Für die Öffentlichkeit sollen die Sitzungen übertragen werden. 

In einer Twitternachricht wünscht sich dies auch der erste Bürgermeister der bayerischen Stadt Senden, Raphael Bögge. „Selbstverständlich müsste dann ein Livestream der Sitzungen angeboten werden um sie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen“, heißt es in seinem Tweet. 

Auf Antrag des Städte-und Gemeindetages Mecklenburg-Vorpommern hat das Innenministerium es ermöglicht, dass für alle Städte, Gemeinden und Ämter deren Beschlüsse statt in einer Sitzung im schriftlichen Umlaufverfahren gefasst werden können. Damit werden unnötige soziale Kontakte in den Sitzungen der Gemeindeorgane vermieden, die gewählten Vertreter können gleichwohl ihre Entscheidungsrechte wahrnehmen. Entscheidungen der Hauptausschüsse oder der Bürgermeister können vermieden werden. 



In der Stadt Moers hat sich die CDU Fraktion entschieden, kurzerhand ihre Beratungen auf Video Konferenzen zu verlagern. 

Da in Solingen die Ratssitzung vergangenen Donnerstag wegen der Corona-Krise ausfallen musste, traf der Haupt- und Personalausschuss nicht aufschiebbare Entscheidungen in dezimierter Besetzung und per Videokonferenz. Die Sitzung wurde in den Saal übertragen, wo sie eigentlich hätte stattfinden sollen. Dieser Saal war öffentlich zugänglich. „Wie bei vielen Ausschusssitzungen üblich, fand sich aber keine Zuschauer ein“, heißt es im Solinger Tageblatt. 

Bei Eilentscheidungen ist in NRW für den Stadtrat auch das Umlaufverfahren möglich 

In Nordrhein-Westfalen heißt es im Gesetzentwurf der Landesregierung zur konsequenten und solidarischen Bewältigung der COVID-190-Pandemie in NRW und zur Anpassung des Landesrechts im Hinblick auf die Auswirkungen einer Pandemie in einem neuen Paragraphen 60a der Gemeindeordnung – Beschlüsse im vereinfachten Verfahren: Änderung der Gemeindeordnung: (1) In Ausnahmefällen, die durch Katastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstehen, dürfen eilbedürftige Angelegenheiten, die der Beschlussfassung des Rates unterliegen, im Umlaufverfahren getroffen werden, wenn sich vier Fünftel der Mitglieder des Rates mit der schriftlichen Abgabe der Stimmen einverstanden erklären. Die Mitglieder des Rates geben ihre Stimmen über die betreffende Beschlussvorlage im Falle des Satzes 1 im Umlaufverfahren ab. Die Stimmabgaben erfolgen in Textform. (2) Die eilbedürftigen Angelegenheiten, über die gemäß Absatz 1 im Wege des vereinfachten Verfahrens Beschluss gefasst werden soll, sind öffentlich im geeigneten Wege bekannt zu machen. (3) Die nach Absatz 1 getroffenen Entscheidungen sind dem Rat in der nächsten Sitzung zur Bestätigung vorzulegen.“(4) Die für den Rat getroffenen Regelungen in den Absätzen 1 bis 3 gelten auch für die in § 59 bezeichneten Ausschüsse sowie für den Jugendhilfeausschuss, soweit dieser gebildet ist.“ 

Auch in Hessen darf der Stadtrat im Umlaufverfahren entscheiden - in besonderen Fällen...

Im Land Hessen haben die Kommunen nach einem Beschluss des Landtages wegen der aktuell geltenden Kontaktsperre die Möglichkeit, bei unaufschiebbaren Beschlüssen per Telefonkonferenz oder Umlaufverfahren zu entscheiden. Nach Auskunft von Bürgermeister Alexander Heppe der Stadt Eschwege kommt eine kleine Runde der Stadtverordnetenversammlung jeden Montagnachmittag telefonisch zusammen. Dazu zählen Fraktionsvorsitzende, Stadtverordnetenvorsteher und Bürgermeister. Müssen Beschlüsse gefasst werden, entscheidet der Finanzausschuss in Vertretung der Stadtverordnetenversammlung. In der geänderten Gemeindeordnung heißt es, dass der Ausschuss in diesem Fall in nicht öffentlicher Sitzung tagen darf. Die Entscheidung kann im Umlaufverfahren getroffen werden. Die Gemeindevertretung kann die Eilentscheidungen unter bestimmten Voraussetzungen später aufheben. 

In den kommenden Tagen und Wochen werden sich wahrscheinlich eine Reihe von Kommunen bzw. Ländern mit diesen Fragen auseinandersetzen.