Stadt und Land
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Zukunftsforscher

Stadt und Land zusammen stark

Die Metropol- und Regiopolregionen sind die Treiber der Transformation, sagt unser Zukunftsforscher Daniel Dettling. Die Idee der Region verbindet beide Räume, Stadt und Land - und damit das Beste aus beiden Welten.

Unsere bisherige Erzählung von Stadt und Raum wird neu geschrieben. Die alte Dreiteilung in ländliche Gebiete, Klein- und Mittelstädte und Großstädte wird erweitert um das Konzept der Metropol- und Regiopolregion. Metro- und Regiopolregionen sind funktionale urbane Räume und berücksichtigen auch Pendlerströme, wirtschaftliche Faktoren und Trends. Kreative  Regionen mit einem hohen Standard an Lebensqualität gehören zu den Gewinnern der Entwicklung. Sie verbinden das zunehmende Bedürfnis der Menschen nach Entschleunigung und Verortung mit dem Ziel der Unternehmen nach einem gemeinsamen Wirtschaftsraum und nach regionaler Verantwortung. Die Zukunft gehört der körperschaftsübergreifenden kooperativen Metro- und Regiopole.

Metropolregionen verdoppelt

Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung (54 Prozent) lebt heute in einer Metropolregion. Ihre Anzahl hat sich in den letzten 25 Jahren verdoppelt. Zwischen 1975 und 2015 sind weltweit rund 4.000 neue Metropolregionen entstanden. Internationale Organisationen wie die OECD prognostizieren einen Anstieg bis 2050 um mehr als 40 Prozent, von heute 3,5 Milliarden auf dann rund 5 Milliarden Menschen. Die größten Metropolregionen, der Begriff „Megaregionen“ trifft es besser, befinden sich mit über 40 Millionen Einwohnern in Chinas Sonderwirtschaftszonen Shenzhen und Zhuhai und Hongkong und mit fast 40 Millionen in Tokio. In der EU gibt es 120 Metropolregionen, in denen 60 Prozent der Einwohner der Mitgliedstaaten leben und arbeiten.

Was sind Regiopole?

Zu den Top 20 gehören sechs deutsche Metropolregionen: Rhein-Ruhr, Berlin-Brandenburg, München, Rhein-Main, Stuttgart und Hamburg. Metropolregionen wachsen stärker, demografisch wie ökonomisch. Das gilt auch für die heute 33 „Regiopolregionen“, die sich als Verbünde von Ballungsgebieten aus Klein- und Mittelstädten verstehen. Was diese ausmacht, sind exzellente Infrastrukturen mit einer guten Erreichbarkeit, die Funktion als Knotenpunkt zwischen Metropolregionen, eine zentrale ökonomische Bedeutung als Standort von global tätigen Unternehmen und Hidden Championssowie eine hohe Innovations- und Forschungsdichte. Im Unterschied zu den Metropolregionen sind die „Regiopolen“ noch weitgehend unbekannt. Erst vor fünf Jahren hat sie die Ministerkonferenz für Raumordnung zum neuen Leitbild ausgerufen. In der nächsten Stufe der Globalisierung wird ihre Rolle angesichts fragiler Lieferketten wichtiger.

Regionen profitieren von neuen Globalisierung

Internationale Studien gehen davon aus, dass aufgrund von Pandemien, Naturkatastrophen und politischen Unruhen die globalen Lieferketten in kürzeren Abständen unterbrochen beziehungweise beeinträchtigt werden. Produktion und Wertschöpfung sollen nach dem Ziel der Europäischen Union daher autonomer und das heißt, auch regionaler werden.

Regionen profitieren von der neuen Globalisierung - und sind vom Klimawandel stärker betroffen. Metropol- und Regiopolregionen sind Räume der Mobilität, Innovation und der WirKultur. Sie weisen ein hohes Maß an Patenten, Innovationen und Wertschöpfung aus. Sie profitieren von der neuen Globalisierung nach Corona, die auf mehr heimische, regionale Produktion setzt und in der Wertschöpfung zunehmend dezentral wird. Die Standortfaktoren der neuen „Glokalisierung“ sind Talente, Technologien, Toleranz und Talente. Die Kreativität der Unternehmen, der sozialen Organisationen und der Politik wird dabei zum zentralen Faktor der Wettbewerbsfähigkeit.

Städte werden zum Ort der Begegnung

Zum Treiber der Kooperation in und zwischen den Regionen wird auch der Klimawandel. Klimaneutralität“ ist das neue „Man-on-the-Moon“-Projekt des 21. Jahrhunderts und die Dekarbonisierung der Wirtschaft ist das zentrale globale wie lokale Ziel. Die CO2-Emissionen unterscheiden sich stärker in den Ländern zwischen Städten und Regionen als im Ländervergleich. So sind in Deutschland der Süden und der Westen vom Klimawandel am stärksten betroffen, so das Ergebnis der Klimawirkungs- und Risikoanalyse des Bundes (2021). Klimatische Extremereignisse werden für den Südwesten und den Osten prognostiziert. Bislang verfügen nur wenige Städte und Regionen über Anpassungsstrategien. Entscheidende Felder sind Infrastruktur, Energie, Verkehr, Bauen und Arbeiten. Dekarbonisierung und Digitalisierung führen zu einer neuen Balance von Familie und Beruf. Weniger Pendeln führt zu weniger CO2-Emissionen und mehr Zeitsouveränität und Lebensqualität. Die Mehrheit der Beschäftigten will künftig (mindestens) in Teilzeit von zuhause aus arbeiten. Damit werden Städte wieder stärker zu Orten der Begegnung und nicht nur des Einkaufens.

Stadt und Land: Mental Unterschiede aufheben



Durch Vernetzung und Kooperation entsteht nicht nur neue und mehr Wertschöpfung, sondern auch ein neues regionales WIR wie das Programm der REGIONALE in Nordrhein-Westfalen zeigt. Seit 2000 wurden im Wettbewerbsverfahren neun Regionen gefördert, welche die mentalen Unterschiede Stadt und Land regional aufheben wollen. Eine vergleichbare Idee verfolgt Konzept und Wettbewerb der „Internationalen Bauausstellung“ (IBA). Das Ziel sind modellhafte Lösungen für aktuelle und künftige Herausforderungen. Die Slogans der aktuellen IBAs zeigen die Richtung: „Gemeinsam über Grenzen wachsen“ (Basel), „Wissen schafft Stadt“ (Heidelberg), „StadtLand“ (Thüringen), „Neues soziales Wohnen“ (Wien), „Räume der Mobilität“ (München) und „Wandel im Wachstum“ (StadtRegion Stuttgart). IBAs bringen Investitionen, Innovationen, interkommunale Zusammenarbeit und ein neues Image, sie stärken Zentren wie Subzentren und beschleunigen Planungen und Projekte. Metropol- und Regiopolregionen haben eine gemeinsame Mission:Eine neue interkommunale Zusammenarbeit, die mehr Tempo in die anstehende Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft bringt. Es geht um Wachstum durch Zusammenwachsen.

Gleichwertige Lebensverhältnisse fördern

Die neue Bundesregierung sollte den Beitrag der Regionen zur Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse in städtischen und ländlichen Räumen endlich anerkennen und fördern. Ein kostengünstiges und bundesweites Klima- und Mobilitätsticket würde bislang abgehängte Regionen wieder anbinden und den Zusammenhalt in Deutschland stärken. Eine Beschleunigung von Planungsverfahren und Genehmigungen würde interkommunale Infrastrukturprojekte wie die Gigafactory von Tesla in Berlin-Brandenburg überall in Deutschland möglich machen. „Bürgerinnen und Bürger sollen ihren Alltag in ihrer Region gut leben können – von der Arbeit übers schnelle Internet bis hin zu guten Verkehrsanbindungen, vom Einkaufen über den Arztbesuch bis hin zum Sport“, sagt die kommende Ampel-Koalition. „Stadt oder Land“ ist die falsche Alternative. Die Idee der Region verbindet beide Räume, Stadt und Land, und damit das Beste aus beiden Welten. Im Verbund mit ihrem Umland sind sie stärker und schneller als alleine. „Stadt oder Land“ ist die alte Frage. Die neuen Antworten liegen in den Regionen. Lasst die Regionen machen und gebt ihnen den Raum und das Geld, schneller zu werden!