So soll der neue Stadtteil aus der Vogelperspektive aussehen.
© Stadt Erding; Entwurf: Büro Hähnig I Gemmeke, Tübingen

Beispiel aus Bayern

So entsteht ein neuer Stadtteil

Es klingt nach der eierlegenden Wollmilchsau - 6500 Menschen sollen bald in einem neuen Stadtteil leben können - auf dem Gelände eines berühmten Fliegerhorstes. Mit allen Herausforderungen, die ein Standort mit sich bringt: sehr alter Baumbestand, Regenwassermanagement, Gewerbe und Einkaufsmöglichkeiten in fussläufiger Umgebung - HIER ist die Blaupause!

Besagter Fliegerhorst hat in seiner langen Geschichte einige Berühmtheit erlangt. Ab 1935 prägte seine Piste die Landschaft aus der Vogelperspektive. Im zweiten Weltkrieg starteten von hier aus die Wehrmachtsflüge Richtung Afrika und nach Kriegsende nutzte die amerikanische Air-Force die Basis, um im Rahmen der legendären Luftbrücke  ihre "Rosinenbomber" nach Berlin zu schicken. Seit 1957 gehört das Areal der Bundeswehr, aber der letzte Tornado verließ bereits 2014 den Luftraum. Im kommenden Jahr verlässt die Bundeswehr den Standort Erding, gelegen im Nordosten der bayerischen Landeshauptstadt München und nur wenige Kilometer vom neuen Flughafen Erdinger Moos entfernt, endgültig. Auf einem Teil des Geländes soll - wenn es nach dem Willen des Erdinger Stadtrates geht - ein neuer Stadtteil entstehen: Ein Stadtteil, der als Blaupause für die "Stadt der Zukunft" dienen könnte: klimagerecht, energieeffizient, barrierefrei, lebensfreundlich - und weitgehend autofrei.

Stadt der Zukunft: So könnte sie aussehen

Die Entwürfe eines Architekturbüros aus Tübingen, Gewinner des städtebaulichen Wettbewerbs, sehen folgende Highlights für das neue Quartier vor: den Erhalt des sehr alten Baumbestands und die Schaffung zahlreicher Biotope, ein sogenannter Klimaboulevard und ein Klimahain, Wärme aus Geothermie, ein modernes Regenwassermanagement, vielfältige Wohnformen für bis zu 6.500 Menschen, eine möglichst divers zusammengesetzte Bevölkerung, zentrale öffentliche Räume und Freizeiteinrichtungen, Gewerbegebiete mit Einkaufsmöglichkeiten, die zu Fuß erreichbar sind, autofreie Straßen, stattdessen Mobilitätszentren mit Fahrradangebot sowie ein zentrumsnaher Kreuzungsbahnhof mit S-Bahn und Regionalbahnanschluss. Ein gewaltiges Projekt, aber auch ein notwendiges: Erding, die altbayerische Herzogstadt nordöstlich der bayerischen Landeshauptstadt, wächst seit Jahren: Von etwa 27.300 im Jahr 1995 auf 38.500 im Jahr 2021.   

Der neue Stadtteil: so soll er aussehen

Finanzierung? Die ist noch offen

Wie der Ankauf der insgesamt 422 Hektar großen Geländes beziehungsweise eines Teiles davon finanziert werden soll, ist derzeit noch offen. Verhandlungen mit dem Bund stehen an. Max Gotz, Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt Erding, hat eigentlich etwas dagegen, dass Gelände dem Bund abkaufen zu müssen. "Diese in Bayern größte Konversionsfläche wurde ja bereits mit Steuermitteln vom Bund erworben. Bei einem Rückkauf würden wir als Kommune eine Summe im hohen zweistellige Millionenbereich einkalkulieren müssen. Zusätzlich zu den 6 Millionen Planungskosten, die wir bislang eingesetzt haben." Im Zusammenhang mit den vom Bund festgeschriebenen 400.000 neuen Wohnung pro Jahr, deren Schaffung wann, wie und wo noch völlig ungewiss sei, mahnt der Oberbürgermeister von Erding ein größeres Miteinander an. "Einen Teil dieser Wohnungen könnte ab 2024 Jahren in Erding entstehen. Dafür braucht es aber einen Kompromiss zwischen Bund und Kommune in Sachen Erdinger Fliegerhorst." Denkbar sei zudem die Gründung einer Entwicklungsgesellschaft oder eines Zweckverbandes in Zusammenarbeit mit größeren Partnern. Vor dem ersten Spatenstich möchte Gotz auf jeden Fall eine möglichst breite Akzeptanz in der Bevölkerung" herstellen. Sorge mache ihm diese nicht. "Wir haben bereits einige Informationsveranstaltungen gemacht. Bislang gibt es keine Anzeichen dafür, dass Naturschutz und Stadtentwicklung in Erding mit einem Entweder/Oder verbunden wäre."      

Barrierefrei bauen - wichtiger denn je

Für Max Gotz ist der neue Stadtteil, für dessen Umsetzung 25 bis 30 Jahre eingeplant sind, eine Herzenssache. "Mit dem neuen Quartier hätten wir als Kommune die einmalige Gelegenheit, eine Entwicklung zu steuern, die nachhaltig ist und zugleich den demografischen Wandel berücksichtigt", sagt er. Letzterer würde, unterstreicht der Bürgermeister, derzeit viel zu wenig in den Blick genommen. "Kommunen, die sich jetzt nicht um eine barrierefreie Weiterentwicklung ihrer Stadt kümmern, werden das in wenigen Jahren bedauern. In Erding setzen wir bereits seit einigen Jahren auf eine zukunftsfähige Modulbauweise, die es uns später erlauben wird, beispielsweise aus Kitas Seniorenheime zu machen. Der neue Stadtteil auf dem alten Fliegerhorstgelände soll in diesem Bereich ganz neue Maßstäbe setzen." 

Fotocredits: Stadt Erding; Entwurf: Büro Hähnig I Gemmeke, Tübingen