Skaten im Freien
In der Corona-Krise ist Sport draußen angesagt
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Corona-Krise

Stadtplanung muss Sport mehr berücksichtigen

23. Oktober 2020
Sport machen ist „in“ – vor allem draußen im Park. Neue Konzepte sind in Kommunen daher gefragt. Für einen Paradigmenwechsel bei der Sportentwicklungsplanung sprechen sich die beiden KOMMUNAL-Gastautoren vom Sportamt Köln, Thomas Schneider und Gregor Timmer, aus. Das sind ihre Vorschläge.

Als das Sportamt der Stadt Köln auf Beschluss des Kölner Stadtrates im September 2017 die Sportentwicklungsplanung für Köln auf den Weg brachte, war es das erklärte Ziel, die zahlreichen Veränderungen der Rahmenbedingungen von Sport und Bewegung systematisch zu analysieren und die Sportstadt für die Herausforderungen der Zukunft fit zu machen. Kaum jemand hätte zu diesem Zeitpunkt geahnt, dass die Integrierte Sportentwicklungsplanung im wahrsten Sinne des Wortes „Treibsatz“ für ganz neue Formen von integraler und intersektoraler Zusammenarbeit in der Stadtverwaltung wird.

Sport als Querschnittsfach für moderne Stadtentwicklung

Tatsächlich erfordert die Schaffung von neuen, optimierten Angeboten für Sport und Bewegung eine ganzheitliche Perspektive, die in den herkömmlichen Verwaltungsstrukturen nicht angedacht, geschweige denn strukturell abgebildet ist. Sport wird nun zum „Querschnittsfach“ für moderne Stadtentwicklung; ein Fach, das kommunale Handlungsfelder vom Bereich Bildung, Jugend, Soziales bis zur Stadtraum- und Grünflächenplanung, Verkehr, Wirtschaft und Finanzen betrifft. Entsprechend setzt diese Integrale Sportentwicklung neue Strukturen für die intersektorale, interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb der Verwaltung voraus – und das geht zum Teil sogar weit über die Verwaltungsgrenzen hinaus.

Seit den Zeiten des so genannten „Goldenen Plans“ in den 70er Jahren, der im Wesentlichen auf die Schaffung von leistungssportorientierten Wettkampfanlagen und die Förderung der Leistungskonkurrenz in den Vereinen orientiert war, hat sich das Sport- und Bewegungsverhalten erheblich verändert. Begriffe, die man bislang hauptsächlich aus der Stadtplanung kennt, bekommen plötzlich Bedeutung: Die zunehmende Tendenz zur Individualisierung in der modernen Stadtgesellschaft, eine höhere Flexibilität in Bezug auf die Wahl von Wohnort und Arbeitsplatz, der demographische Wandel, das ausgeprägte Bedürfnis nach kurzfristiger, schneller und im unmittelbaren Wohnumfeld liegender Sportmöglichkeit sowie das gewachsene Fitness- und Gesundheitsbewusstsein führen dazu, dass ein stetig wachsender Anteil von Sport- und Bewegungsaktivitäten individuell und außerhalb von Vereinsstrukturen stattfindet.

Weniger Interesse am Vereinssport

Das Interesse und die deutliche Hinwendung zu Individual- und Trendsportarten haben sich in der Folge der Corona-Krise nochmals verstärkt. Sport machen ist „in“ – insbesondere draußen im Park. Nach den aktuellen Ergebnissen der Sportentwicklungsplanung liegt der Anteil der organisierten Vereinssportler in Köln bei rund  250.000 bis 270.000, fragt man aber nach regelmäßiger Sportausübung allgemein, steigt die Zahl der Sportreibenden auf über 660.000 – dies betrifft also nahezu zwei Drittel der Kölner Stadtbevölkerung. Damit erübrigt sich die Nachfrage nach der Relevanz des Themas.

Ein erheblicher Teil des individuell gestalteten Sports findet wie beschrieben im öffentlichen Freiraum statt. Parks, Plätze und Verkehrsflächen werden zu Spots von Laufsport, Inline- und Boardskating, Nordic Walking, Rad- und BMX-Sport, Bootcamps, Open-air-Yoga, Bewegungs-Workouts, Zumba, Calisthenics oder neuen Ballsportarten wie zum Beispiel Spikeball. Das führt zu folgenden Effekten:

  • Aufhebung der Funktionstrennung von Stadt-, Grün- und Sport- und Bewegungsflächen
  • Steigende Bedeutung des wohnortnahen Raums für Sport und Bewegung
  • Steigender Druck zur Qualifizierung von öffentlichen Räumen als multifunktional nutzbare Stätten im Sinne von „informellen“ Bewegungsräumen

Im Falle von Köln wird der Druck durch die Attraktivität des Wirtschafts- und Bildungsstandorts weiter verstärkt. Bis zum Jahr 2035 wird die Kölner Bevölkerung nach der aktuellen Prognose auf 1,130 Millionen Bürger wachsen. Dieses Wachstum führt nicht nur zu einem steigenden Bedarf an Wohnraum, Schulen, Kitas und weiterer Infrastruktur, darunter auch Sportplätzen und Sporthallen, sondern auch zu einer sich stetig verschärfender Flächenkonkurrenz. Das heißt: das Ringen um Sport- und Bewegungsflächen wird immer härter, vorhandene Flächen müssen stärker multifunktional gedacht und genutzt werden: Grünanlagen, Schulhöfe, Sportplätze und Hallen, ja sogar Dächer von Parkhäusern oder von Kommunalbauten kommen in Frage.

Schneider
Stellvertr. Sportamtschef Thomas Schneider

"Kölner Perspektiven 2030"

Die Sportentwicklungsplanung fordert vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen einen Paradigmenwechsel nicht nur im Kölner Sportamt: Sie formuliert neue Herausforderungen an die fachübergreifende und intersektorale Zusammenarbeit in der Stadtverwaltung. Der Sport als „Querschnittsfach“ weist enge Bezüge zur Freiraum- und Grünflächenentwicklung, zur Schulentwicklungs- und Jugendplanung auf – und wird integratives Element der gesamtstädtischen Planung unter dem Dach des Stadtentwicklungskonzepts „Kölner Perspektiven 2030“.

Der „Treibsatz“ Sportentwicklungsplanung  zündet gleich zweistufig: Er nimmt einerseits die vorhandene Sportinfrastruktur als Element für die  Zukunftsentwicklung der Stadt Köln ins Visier: Es muss geprüft werden, in wie weit sie, was die Qualität, Funktionalität, Nutzungsauslastung sowie ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit betrifft, auch in Zukunft das gewachsene Anforderungsprofil erfüllt oder ob bestimmten Sanierungs-, Modernisierungs- und Weiterentwicklungsmaßnahmen getroffen werden müssen. Die Verfügbarkeit muss erhöht werden.

Gleichzeitig muss bei Stadtplanung und Stadtentwicklung geprüft werden, welchen Beitrag der Sport zur quartiersbezogenen Verbesserung der Lebensqualität der Menschen und bei der Versorgung mit Gesundheits- und Bewegungsangeboten leisten kann. Dabei rücken Konzepte wie zum Beispiel Bewegungs- und Lernlandschaften, die Öffnung von Schulhöfen, multifunktionale Quartierszentren, generationenübergreifende Sportangebote in Grünanlagen, multifunktionale Verkehrswege für Radverkehr und Laufsport etc. in den Blick. Das erfordert eine interdisziplinäre Vernetzung aller Akteure sowie eine intensive intersektorale Zusammenarbeit innerhalb der Verwaltung.

Timmer stellvertretender Schulamtsleiter Köln
Sportamtsleiter Gregor Timmer

Dabei bietet es sich an, diese Vernetzung und Zusammenarbeit bereits zu Beginn des Prozesses einer Sportentwicklungsplanung als grundlegenden Faktor zu berücksichtigen. Motor in Köln war ein Beirat mit den Sportpolitischen Sprechern der Ratsfraktionen, dem Stadtsportbund sowie wichtigen Playern der Stadtgesellschaft. Parallel erarbeitete eine Arbeitsgruppe mit Vertretern verschiedener Ämter wie Stadtplanung, Stadtentwicklung, Grünflächen, Schule, Jugend und Kinder sowie der Stadtbezirke die Ziele, Empfehlungen und konkrete Maßnahmen. Begleitend dazu fand eine breite Bürger- und Vereinsbeteiligung durch Online-Befragungen, Vor-Ort-Veranstaltungen und Workshops statt.

Spirit der Sportentwicklung

Durch eine gemeinsame Zielsetzung verbunden entwickelte sich kontinuierlich ein gemeinsamer „Spirit der Sportentwicklung“ von engagierten und motivierten Personen in und außerhalb der Verwaltung. Dieser Geist lebt auch nach der Verabschiedung der Sportentwicklungsplanung durch den Rat der Stadt Köln im Jahre 2019 weiter. Kern bleibt eine enge Zusammenarbeit und Kommunikation mit internen und externen Stakeholdern.

Kooperationsvertrag geschlossen

Mit den Sportpolitischen Sprechern findet jedes Quartal auf einer sehr sachorientierten und vertrauensvollen Ebene ein informeller Austausch zu den wichtigen Themen des Sports und der Sportentwicklungsplanung statt. Sportamt und Stadtsportbund haben als Resultat der Sportentwicklungsplanung einen Kooperationsvertrag geschlossen, der die Zusammenarbeit auf eine verlässliche Basis stellt und sie einer jährlichen Evaluation unterzieht. Mit der Deutschen Sporthochschule Köln ist die Partnerschaft weiter intensiviert worden und findet aktuell Ausfluss in der wissenschaftlichen Begleitung diverser Maßnahmen aus der Sportentwicklungsplanung. Aber auch verwaltungsintern arbeiten die Protagonisten in Sachen Sport deutlich enger zusammen.

Sportverwaltung als Kompetenzzentrum

Die Sportverwaltung wird im Sinne des Gutachtes mehr und mehr als „Kompetenzzentrum für Sport und Bewegung“ wahrgenommen und als integraler Bestandteil der Stadtstrategie „Kölner Perspektiven 2030“ in zahlreiche Projekte der Stadtplanung, der Grünflächenentwicklung oder auch der Schulentwicklung eingebunden. Mit der Stadtplanung werden städtebauliche Großprojekte wie der Ausbau des Deutzer Hafens oder die Entstehung des neuen Stadtteils Kreuzfeld als bewegungsorientierte Viertel vorangetrieben. Grünflächenamt und Sportamt haben bei ihrem regelmäßigen Austausch ein gemeinsames Konzept für Bewegungsparcours im gesamten Kölner Grüngürtel-Band entwickelt. Und mit dem Amt für Schulentwicklung wird eine zukünftige Generation von Sporthallen für Schul- und Vereinssport geplant sowie Konzepte für die Öffnung von Schulhöfen für Sport und Bewegung erarbeitet. Das sind nur einige Beispiele – weitere werden folgen.

Die Autoren:

Gregor Timmer; Jahrgang 1960, Studium der Publizistik, Neueren Geschichte und Politikwissenschaft in Münster, arbeitete 20 Jahre als Journalist und stellvertretender Redaktionsleiter. Weitere elf Jahre war er Leiter des Presseamts der Stadt Köln und Sprecher von drei Kölner Oberbürgermeister/innen. Seit 2018 leitet er das Kölner Sportamt.

Thomas Schneider, Jahrgang 1972, Studium der Rechtswissenschaften in Köln, Lausanne und Siena, arbeitet nach einigen Jahren als Rechtsanwalt in einer wirtschaftsrechtlichen Kanzlei seit elf Jahren im Sportamt der Stadt Köln und ist seit dem 1. Januar 2020 dessen stellvertretender Leiter.