Spaziergänger sind nur ein kleiner Teil derjenigen, die mit den Corona-Maßnahmen nicht einverstanden sind - das Potential für Proteste ist laut Umfragen deutlich höher - wer die Spaziergänger sind und was sie denken...
Spaziergänger sind nur ein kleiner Teil derjenigen, die mit den Corona-Maßnahmen nicht einverstanden sind - das Potential für Proteste ist laut Umfragen deutlich höher - wer die Spaziergänger sind und was sie denken...
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Umfrage

Spaziergänger: Wer gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straße geht

Ende Januar erlebte die Bewegung der sogenannten Spaziergänger in Deutschland ihren Höhepunkt. Zu diesem Zeitpunkt war jeder Neunte Deutsche bereit, an einer solchen Protestaktion teilzunehmen. Real nahmen aber bisher nur gut 4 Prozent der Deutschen an Anti-Corona-Maßnahmen teil. Eine Umfrage zeigt, in welchen gesellschaftlichen Gruppen das Protestpotential besonders hoch ist und warum.

Spaziergänger haben die Kommunen bis zur Invasion Russlands in der Ukraine fest in Atem gehalten. Immer wieder kam es zu - oft nicht angemeldeten - Demonstrationen in Städten und Gemeinden. Immer wieder entstand bei Bürgermeistern der Eindruck, dass es sich dabei weitgehend nicht um Menschen aus dem eigenen Ort handelt, die dort auf die Straße gehen. Eine Umfrage wollte das genauer herausfinden und liefert spannende Zahlen zum Protestpotenteil der Deutschen in Sachen Corona. 

Methodik der Umfrage zum Thema Spaziergänger 

Zu detailliert werden wir in diesem Beitrag auf die genauen Zahlen nicht eingehen. Denn sie liefern zwar spannende und gute Erkenntnisse, die Umfrage selbst stammt aber von einem Berliner Start Up, das politisch eigene Interessen vertritt - wirklich repräsentativ sind die Zahlen im Details daher nicht. Das StartUp CeMas hat online im Zeitraum vom 17. bis zum 22. Januar knapp 2000 Menschen befragt - nach eigenen Angaben wurden die Daten anschließend gewichtet. "Die Rekrutierung war so geplant, dass die Stichprobe die Verteilung in der Gesamtbevölkerung nach Alter, Geschlecht und Bundesland widerspiegelt", so das Unternehmen. Der Fokus der Befragung lag demnach "auf Verschwörungserzählungen sowie Einstellungen zu den eindämmenden Schutzmaßnahmen in der COVID-19 Pandemie", sagen die Macher. Die Grundaussagen spiegeln aber durchaus Ergebnisse anderer Analysen wieder, so dass die Ergebnisse grundsätzlich aussagekräftig sind. 

Jeder Zehnte Deutsche wäre zu illegalen Aktionen gegen Corona bereit 

Besonders erschreckend in der Umfrage ist die hohe Zahl der Menschen, die angab, vollkommen oder teilweise bereit zu sein, an illegalen Aktionen teilzunehmen. Insgesamt fast 10 Prozent der Befragten gaben das an. Der Aussage "Die Zeit des friedlichen Widerstands gegen die Maßnahmen ist vorbei" stimmte jeder Dritte zumindest teilweise zu (14 % stimmten eher oder vollkommen zu, weitere 19 % antworteten mit "teils/teils"). 

Auffallend - und durchaus deckungsgleich mit anderen Umfragen - ist auch, dass es unter Ungeimpften menschen deutlich mehr Zustimmung für diese Thesen gibt. Das deckt sich auch mit den Zahlen zu anderen Fragen der Umfrage: In der Gruppe der Ungeimpften sagen rund 70 Prozent, sie würden an Protesten gegen die Corona-Schutzmaßnahmen teilnehmen wollen. Unter den "Geimpften" Menschen in Deutschland sagt das "nur" jeder Siebte. In der Tendenz zeigt sich: Je mehr Impfungen die Personen erhalten haben, desto weniger waren sie bereit, an Protesten teilzunehmen. 

Auch ein Blick auf die Wahlabsichten der Befragten ist durchaus spannend. Die Protestbereitschaft unter den Wählern von Union, SPD und Grünen liegt um die 10 Prozent, die der Wähler von FDP und Linkspartei zwischen 16 und 18 Prozent und die der AfD Wähler um 60 Prozent. Auffallend ist auch ein relativ hoher Protestanteil unter den Nichtwählern (27 Prozent). 

Gleiches gilt auf die Frage nach der Teilnahme an illegalen Aktionen: Während jeder Sechste AfD-Wähler nach eigenen Angaben zu illegalen Aktionen bereit ist, liegt der Anteil bei allen anderen demokratischen Parteien in marginalen Bereichen zwischen einem und 3 Prozent.

Vertrauen der Spaziergänger in die Medien schwindet massiv

Konfrontiert man die Menschen mit bestimmten Aussagen, so zeigt sich vor allem bei denjenigen, die eine hohe Protestbereitschaft haben, das massiv geringe Vetrauen in die Medien. Mehr als die Hälfte derjenigen, die zu Protesten bereit wären stimmen der Aussage zu, dass das Virus absichtlich gefährlicher dargestellt wird, um die Öffentlichkeit in die Irre zu führen. Aber auch unter denjenigen, die unentschieden sind, ob sie an Protesten teilnehmen würden, stimmt der Aussage jeder Fünfte zu. Ähnlich verhält es sich mit der Aussage: "Es gibt viele Impftote, die von den Eliten systematisch vor der Gesellschaft verheimlicht werden". Fast jeder Zweite "protestbereite" stimmt der Aussage zu, unter den "Unentschlossenen" ist es jeder Siebte. Fast 40 Prozent der Menschen mit hoher Protestbereitschaft hält die aktuellen Corona-Maßnahmen gar mit der Zeit des Nationalsozialismus für vergleichbar. 

Entsprechend hoch ist die Zahl derjenigen, die sich über das Thema Corona über den Messenger Telegram informieren. Bei den Menschen mit hoher Protestbereitschaft gab jeder Vierte an, sich über Telegram täglich oder mehrfach in der Woche zu informieren. Bei den Menschen mit niedriger Protestbereitschaft war es nur jeder Zwanzigste. 

Fazit: Das Protestpotential ist größer, als es die Spaziergänge vermuten lassen

Insgesamt bestätigt die Studie, was andere Zahlen im Ansatz auch schon vermuten liessen: Das Protestpotetial ist insgesamt höher, als die Zahl der Spaziergänger es vermuten lassen. Das gilt zumindest für die Momentaufnahme der Befragung Ende Januar. Demnach haben gut 4 Prozent der Menschen bisher an einer Protestaktion teilgenommen, mehr als 11 Prozent wären aber bereit, es zu tun. Also fast drei mal so viele. Einen nicht unerheblichen Teil der Menschen halten aber offenbar "Verschwörungstheorien" und "Mitläufer aus dem rechtsextremen Spektrum" davon ab, an den Protesten teilzunehmen. Sie wollen offenbar nicht gemeinsam mit "strammen Rechtsradikalen" laufen. Insgesamt ist aber das Potential der Menschen, die mit den Maßnahmen nicht einverstanden sind, deutlich größer. Kommunen tun also gut daran, weiter ihre Maßnahmen sachlich zu erklären und auch für eine offene Diskussionskultur in ihrer Gemeinde zu sorgen. Denn wenn unzufriedene Bürger erst "Seit an Seit" mit Rechtsextremisten laufen, dürfte es noch schwieriger werden, bei diesen Menschen um Verständnis für die Maßnahmen zu werben.