Digitalisierungsstrategie der Stadt Mannheim
Die Digitalisierungsstrategie einer Kommune entscheidet mit über ihre Zukunft!
© Fotolia: Syda Productions

Von Menschen für Menschen: Die Digitalisierungsstrategie

Mannheim will zur Smart City werden. Doch anstatt im Alleingang zu handeln, hat die Stadt über ein Jahr lang die Meinung von Mitarbeitern, Bürgern und Experten gesammelt - und daraus eine umfassende Strategie entwickelt. Wie diese aussiehst und was sich andere Kommunen davon abschauen können, erklärt der Erste Bürgermeister und Digitalisierungs-Dezernent der Stadt Mannheim, Christian Specht, in KOMMUNAL!

Im Sonnenschein sitzen zwei Jugendliche, die mit ihrem Handy im freien WLAN surfen. Hinter ihnen wartet ein autonomes Auto darauf, bis eine Frau im Leihauto eingeparkt hat. Den Parkplatz hat sie über eine App der Stadt gefunden, die ihr alle Parkmöglichkeiten anzeigt. Mittlerweile hat Mannheim viele digitale Dienstleistungsangebote. Hier gibt es einen digitalen Einkaufsführer, eine Kita- sowie eine Rathaus-App und viele weitere Angebote, die das Leben der Menschen besser machen sollen...

Dieses Szenario zeigt, wie Mannheim im Jahr 2030 aussehen könnte. Denn die 300.000 Einwohnerstadt hat vor kurzem eine Digitalisierungsstrategie veröffentlicht, an der lange getüftelt wurde. Über ein Jahr lang hat Mannheim Empfehlungen und Ideen von Bürgern, Verwaltungsmitarbeitern und Experten gesammelt und ausgewertet. Daraus ist nun eine Digitalisierungsstrategie mit über 40 Projekten entstanden.

Schritt 1 der Digitalisierungsstrategie: Befragung der städtischen Mitarbeiter

"Uns war es wichtig, die Mitarbeiter zu involvieren, denn mit ihnen steht und fällt  das Thema Smart City. Ihr Wissen und ihre Bereitschaft zur Veränderung sind ausschlaggebend dafür, wie sich die Digitalisierung weiterentwickelt", weiß Christian Specht, Erster Bürgermeister von Mannheim.

Die Stadt hat deshalb eine Umfrage für die Mitarbeiter erstellt. Demnach haben 90 Prozent von ihnen angegeben, dass digitale Services sehr wichtig sind. Chancen sehen die Mitarbeiter vor allem in der Prozessoptimierung, in der Reduzierung von Papier, in der Kostensenkung, in mehr Sicherheit sowie einem besseren Image der Verwaltung. Risiken hingegen stellen die Zunahme technischer Probleme und der Verlust des Menschenbezuges dar.

Digitalisierungsstrategie für Smarty City Mannheim
Die Gestaltung der Digitalisierung ist Christian Specht, dem Ersten Bürgermeister der Stadt sehr wichtig

"Mit der Umfrage wollten wir nicht nur herausfinden, wie die Verwaltungsangestellten über eine konkrete Digitalisierungsstrategie denken. Nein, wir wollten ihnen auch die Chance geben, uns konkrete Projektideen vorzuschlagen", berichtet Christian Specht.

Die Mitarbeiter konnten deshalb auch Fragen beantworten wie beispielsweise: Haben Sie spontan Projektideen? Wo sehen Sie Handlungsbedarf?

Schritt 2 der Digitalisierungsstrategie: Die Bürger mit ins Boot holen

"Da uns das tollste Angebot nichts bringt, wenn es nicht genutzt wird, haben wir auch die Bürger involviert", erklärt der Erste Bürgermeister.

Die Stadt hat deshalb eine Umfrage auf www.mannheim.de veröffentlicht, an der sich 117 Bürger beteiligt haben. Das Ergebnis: für 113 von ihnen sind digitale Services sehr wichtig. Und die mit Abstand nachgefragtesten Angebote sind Bürgerservices und die digitalen Amtsgänge. Für die Zukunft wünschen sie sich, dass sie diese bequem von Zuhause oder unterwegs aus erledigen und bezahlen können.

Die Umfrage zeigt außerdem, welche Themen den Menschen besonders wichtig sind: nämlich eine höhere Bürgerbeteiligung und ein besserer Straßenverkehr.

Schritt 3 der Digitalisierungsstrategie: Mannheims Leitbild für das Jahr 2030 erstellen

Im Jahr 2030 wollen wir Ideen- und Gründungswerkstatt sein. Unsere Unternehmen schaffen es, junge Talente und Fachkräfte zu gewinnen und mit Hochschulen und Start-Ups zu kooperieren. Auf den Straßen haben wir freies W-LAN, das von autonom fahrenden Autos und Touristen genutzt wird. Das Motto ‚teilen anstatt kaufen‘ setzen wir durch Fahrrad- und Carsharing-Angebote um. Und im Jahr 2030 sind die Mannheimer dann hoffentlich richtig zufrieden mit der Effizienz der Stadtverwaltung", erklärt Specht. Er fährt fort: "Uns geht es bei der Digitalisierungsstrategie nicht nur darum, die nächste Smart City zu werden, sondern einen wirklichen nachhaltigen Mehrwert zu schaffen."

In der Konzeption der Digitalisierungsstrategie sind deshalb fünf Themenbereiche in den Fokus gerückt:

1. Der gesellschaftliche Zusammenhalt: Denn obwohl man heute besser vernetzt ist als früher, leben viele in ihrer eigenen Welt und bekommen nicht mehr mit, was bei den anderen Menschen passiert. "Deshalb rufen wir nun Projekte ins Leben, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken. Zum Beispiel eine Nachbarschaftsapp", erklärt der Erste Bürgermeister.

2. Der Ausbau der digitalen Infrastruktur nimmt in der Digitalisierungsstrategie einen großen Stellenwert ein. Mannheim erhofft sich dadurch, in Zukunft zur ersten Anlaufstelle für Gründer und Unternehmen zu werden. "Natürlich ist das Netz auf dem Land schlechter und in den Städten besser. Und natürlich muss man das Problem im ländlichen Raum angehen. Aber auch in den Städten besteht Investitionsbedarf, weil hier die meisten Menschen leben", so Specht.

3. Die subjektive Sicherheit der Stadt soll verbessert werden, um die Lebensqualität der Mannheimer zu verbessern. Dafür sollen Kameras mit künstlicher Intelligenz eingesetzt werden. "Solche Kameras filmen nicht die ganze Zeit, sondern schalten sich nur ein, wenn bestimmte Bewegungen ausgeführt werden. Beispielsweise Tritte oder Schläge. Die intelligente Aufzeichnung ermöglicht, dass weniger Beamte vor den Rechnern sitzen und auf den Bildschirm starren müssen, sondern wieder im Einsatz auf der Straße sein können", erklärt Christian Specht.

4. Digitale Bildungsangebote sollen eine gesellschaftliche Spaltung verhindern zwischen den Digital Natives und denjenigen, die sich nicht gut mit der Thematik auskennen.

5. Der fünfte und damit letzte Fokus liegt auf der digitalen Verwaltungsarbeit: "Wir wollen in Zukunft wirtschaftlicher arbeiten, indem wir immer mehr Dienstleistungen auch digital anbieten", weiß Specht.

Digitalisierungsstrategie hin oder her: Eine Stadt muss flexibel bleiben!

"Im Bereich der Digitalisierung kann sich vieles schnell ändern. Deshalb wollen wir nicht nur eine Digitalisierungsstrategie erarbeiten, die für die nächsten elf Jahre gilt, sondern müssen uns auch eine Option offenhalten, mit der wir agil auf neue Herausforderungen reagieren können", verrät Specht. Mannheim plant deshalb ein Testbudget von zwei Millionen Euro für neue Projekte ein.

Insgesamt umfasst Mannheims Digitalisierungsstrategie rund 40 Projekte aus verschiedenen Lebensbereichen. Einige Beispiele:

  • Frauen, die spätabends unterwegs sind, haben häufig Angst, weshalb Mannheim ein Frauennachttaxi einführen will, bei dem die Abrechnung mittels einer App erfolgt
  • Grünflächen einer Stadt haben maßgeblichen Einfluss auf das Mikroklima sowie die Wohn- und Lebensqualität. Doch sie sind häufig massiven Sparzwängen unterworfen, weshalb Mannheim die Unterhaltskosten durch die Digitalisierung reduzieren will
  • Der zunehmende Verkehr wirkt sich auch auf die Einsatzfahrten der Feuerwehr aus. Damit die Feuerwehr nicht aufgrund roter Ampeln länger braucht, will Mannheim die Schaltung auf vordefinierten Hauptanfahrtsrouten beeinflussen, sodass die Feuerwehr schneller den Einsatzort erreicht. Die Feuerwehrautos werden dafür mit GPS-Signalen ausgestattet 

  • Das Stadtmarketing setzt in Zukunft auch auf die Digitalisierung: So sollen in Zukunft digitale Schnitzeljagden und Stadtrallies sowie Augmented Reality-Angebote auf Events angeboten werden. Auch Tickets sollen online verkauft werden und die Besucherströme letztlich digital gezählt und gelenkt werden
  • Um die Wahlbeteiligung zu erhöhen, will Mannheim in Zukunft eine App anbieten, die Push-Nachrichten mit Fristen und Terminen verschickt. "Mit unserer umfangreichen Digitalisierungsstrategie wollen wir die Nachbarschaft stärken und den Zusammenhalt in der Stadt verbessern.

Dass wir junge, talentierte Menschen an uns binden können, hängt natürlich nicht nur von den digitalen Angeboten der Stadt ab. Sondern auch von den Unternehmen, die hier sitzen und spannende Arbeitsplätze bieten. Deshalb wollen wir den Unternehmen eine gute digitale Infrastruktur bieten.

Letztlich können wir die nächsten Jahre in Angst vor Veränderung verbringen oder die Zeit als Chance für einen positiven Wandel nutzen. Und wir wollen definitiv letzteres", schließt Specht ab.

Mehr über die Digitalisierungsstrategie von Mannheim lesen Sie hier.

Digitalisierungsstrategie Smart City
Erfahren Sie jeden Donnerstag das Neueste aus der kommunalen Welt - immer aktuell. Immer einfach erklärt. Garantiert praxisbezogen! HIER gehts zur Anmeldung

Auch von Njema Drammeh